Nach guten zehn Minuten fand sie Fynn zusammen mit Noa und Tony draußen vor dem Zentrum. Tony hatte seine Gitarre auf dem Schoß, während Noa in den Flammen des Lagerfeuers herumstocherte. Fynn winkte ihr zu. Cassandras Herz machte einen leichten Sprung. Das darf nicht passieren, ermahnte sie sich, Es wird nur alles zerstören.
Blaze strampelte in ihren Armen. Cassandra ließ den Drachen los, der elegant auf allen Vieren landete und auf Fynn zustürmte, der im Schneidersitz auf dem Rasen saß. Blaze kroch unter seine ramponierten Flügel, sodass sie wie eine Decke über ihm lagen. Fynn verzog das Gesicht. „Komm da wieder raus.", sagte er leise. Cassandra meinte einen Anflug von Trauer in seiner Stimme zu bemerken. Der kleine Drache hob den Kopf und schnüffelte an Fynns Flügel. Dann senkte er den Kopf wieder und rollte sich unter seinen Schwingen zusammen. Fynn seufzte und schaute wieder zu Cassandra. Er klopfte neben sich auf den Boden. „Setz dich zu uns."
Sie kam seiner Bitte nach und ließ sich neben ihm nieder.
„Ich weiß nicht, was Blaze an meinen Flügeln findet.", meinte er.
Cassandra lächelte. „Er findet sie schön.", entgegnete sie. Fynn legte die Flügel etwas enger um ihn, wobei die Löcher in jenen noch mehr zur Geltung kamen. „Wenigstens einer.", murmelte er.
Cassandra zog ihre Knie an und schlang die Arme darum. „Wie geht es denn mit den Prothesen voran?" Fynn holte tief Luft. „Es wird besser. Wir haben das Grundgerüst gelegt und es an meine Flügel angepasst, aber es wird noch eine Weile dauern sie fertig zu stellen."
Plötzlich erklangen die ersten Akkorde eines Liedes. Cassandra zu Tony, der begonnen hatte auf seiner Gitarre zu spielen. Erst jetzt bemerkte sie, dass noch eine zweite Gitarre neben ihm an einem Stein lehnte. Sie stupste Fynn an. „Für wen ist die zweite Gitarre?"
„Ich denke für Jen.", erwiderte er.
Cassandra jauchzte leise auf. „Also hören wir sie doch zusammen spielen."
„Ich hoffe mal.", mischte sich Tony ein, „Ich vermisse es mit ihr zusammen zu spielen. Noa lehnte sich zurück. „Welches Lied möchtest du denn spielen?"
Tony lächelte. „Eines zu dem du den Text kannst.", entgegnete er und spielte nun etwas schneller. Cassandra wippte leicht mit dem Kopf. „Ich kenne das Lied.", sagte sie, „Das ist Teenage Dream von Katy Perry!"
Noa räusperte sich und begann dann zu singen. Cassandra lief ein kalter, aber angenehmer Schauer über den Rücken. Fynn hatte nicht übertrieben. Noa konnte singen. Seine Stimme schien noch eine Oktave tiefer geworden sein, was dem Lied eine ganz neue Atmosphäre verlieh. Cassandra schloss die Augen und lauschte Noas Stimme, den Tönen der Gitarre und dem leisen Knistern des Lagerfeuers. Leise begann sie den Text mitzusingen.
Fynn lächelte und beobachtete Cassandra wie sie sich leicht im Takt hin und her bewegte. Dabei bemerkte er nicht wie Noa und Tony sich wissende Blicke zuwarfen.In diesem Moment mischte sich eine laute Stimme in das Lied. Die Freunde verstummten und schauten zur Tür der Sandburg, aus der Medusa und Jen auf sie zukamen. Medusa schwenkte ein Buch in den Händen. „Wir haben es!", rief sie triumphierend.
Cassandra und Fynn wechselten einen Blick.
„Hast du eine Ahnung wovon sie redet?", flüsterte Fynn Cassandra zu. Cassandra hob vorsichtig seinen Flügel an. „Ich glaube sie haben herausgefunden was Blaze für eine Drachenart ist.", meinte sie. Bei seinem Namen schaute der kleine Drache auf und wedelte mit dem Schwanz. Ohne jegliche Vorwarnung rannte er auf Medusa und Jen zu und umkreiste die beiden mit wedelndem Schwanz.
Jen beugte sich zu ihm herunter und hob ihn auf den Arm. Zusammen mit ihm nahm sie neben Tony Platz.
Medusa setzte sich neben sie und schlug das Buch auf. „Unser Blaze hier ist ein sogenannter weißer Geist. Und keine Sorge, er ist ausgewachsen und mindestens einige tausende Jahre alt."
„So wirkt er gar nicht.", antwortete Cassandra belustigt und beobachtete wie Blaze Jen das Gesicht ableckte, „Er wirkt wie ein kleines Kind."
Fynn beugte sich etwas vor. „Sekunde mal, weißer Geist? Das habe ich doch schonmal irgendwo gehört."
Jen streckte die Beine aus. „Das stimmt. An dem Eingang der Fallon Grabstätte stand etwas davon."
Tony nickte aufgeregt. „Ja, in Friede ruhe unser König. Der weiße Geist ihn vor der Dunkelheit beschütze."
Fynn schaute misstrauisch in die Runde. „Und was hat das jetzt zu bedeuten?"
Medusa ließ ihren Finger über die Seite gleiten. „Das kann ich dir erklären, Sekunde."
Sie tippte auf eine Stelle im Buch. „Das macht alles Sinn."
Noa zog eine Augenbraue hoch. „Ach echt?"
Medusa nickte. „Weiße Geister gelten als gut."
Jen ließ den kleinen Drachen los, der auf Medusa zu tapste und an dem Buch schnüffelte. Diese hielt das Buch höher. „Das ist nichts zu essen."
Blaze einen grunzenden Laut von sich und rannte wieder zu Fynn, wo er sich vor ihm zusammenrollte.
„Was genau bedeutet gut in diesem Zusammenhang?", harkte Cassandra nach, „Sind Drachen nicht allgemein gut?"
Medusa wiegte den Kopf hin und her. „In diesem Fall heißt es einfach, dass der Drache gute Energie abgibt. Sie sind durch und durch gut. Sie gelten als Beschützer und Gegengewicht vor der Dunkelheit und man spricht ihnen heilende Kräfte zu."
„Heilende Kräfte? Inwiefern? Und wie nutzt man die? Steht das da auch?", fragte Tony neugierig. Medusa hielt ihm das Buch hin. „Wenn du weißt wie man das inziffert, kannst du es uns ja sagen."
Tony kniff die Augen zusammen. „Das ist total vergilbt. Nein, keine Chance. Wie alt ist das Buch denn?"
„Es macht mir Konkurrenz. Also sehr alt. Wie alt genau ist nicht klar. Leider schreibt da niemand mal ein Datum rein." Sie zog die Stirn kraus und schaute zu Fynn. Cassandra schluckte. Sie meinte genau zu wissen woran sie dachte. Schnell musterte sie Fynn aus dem Augenwinkel, der voll und ganz damit beschäftigt war Blaze zu streicheln. Sie schaute wieder zu Medusa und schüttelte fast kaum merklich den Kopf. Medusa legte den Kopf schief und sah davon ab Fynn ihre Frage zu stellen. Cassandra atmete auf. Medusa hätte Fynn bestimmt gefragt, ob er diese Seite mit seiner Magie nicht etwas leserlicher machen könnte, doch das musste jetzt nicht sein. Sie wollte nicht, dass er wieder Angst bekam. Sie musste zuerst mit ihm reden, aber später. Jetzt sollten sie diesen Moment genießen. Sie saßen so selten einfach nur zusammen, ohne, dass sie über einen Fall beratschlagten.Tony reichte die zweite Gitarre an Jen weiter und lächelte. „Würdest du uns die Ehre geben?"
Jen verdrehte grinsend die Augen und griff nach dem Instrument. „Und ich dachte ich könnte mich davor drücken. Ich weiß noch nicht einmal, ob ich überhaupt noch spielen kann.", entgegnete sie und platzierte die Gitarre auf ihren Beinen. Etwas zögerlich spielte sie ein paar Töne.
Cassandra beugte sich etwas vor. „Klingt doch gar nicht schlecht."
Jen lachte auf. „Es ist so lange her, dass ich das letzte Mal gespielt habe."
„Warum eigentlich?", fragte Fynn, „Ich hätte dich gerne mal spielen gehört."
Jen zuckte mit den Schultern. „Als ich nach London gegangen bin, habe ich die Gitarre hier gelassen und dann habe ich irgendwie total vergessen mir eine neue zu kaufen."
Sie lächelte und begann nun etwas schneller zu spielen. Tony nickte mit dem Kopf im Takt und stieg dann ein.
Jen schloss die Augen und begann zu singen.
Sie sang den Text von „Hey Brother."
Wieder lief Cassandra ein eisiger Schauer über den Rücken. Jens Stimme war rau und trotzdem angenehm. Irgendwann stimmte Tony mit ein. Zusammen sangen sie das Lied, während die Nacht über ihnen hereinbrach.Irgendwann war es vollständig dunkel um sie herum. Nur das knisternde Feuer spendete noch Licht. Es war kühler geworden, weswegen Noa einige Decken aus dem Zentrum geholt und sie verteilt.
Während Tony leise eine Melody spielte, fiel Cassandra etwas ein, was sie bis zu diesem Moment vergessen hatte. Sie setzte sich gerade auf und schlang ihre Decke fester um sich.
„Medusa!"
Medusa hob den Kopf. „Hab ich was angestellt?"
Jen warf ihr einen belustigten Blick zu. „Es sollte dir schon zu denken geben, dass du immer denkst, dass du etwas angestellt hast, wenn jemand deinen Namen sagt."
Medusa verschränkte die Arme. „Ich sage da mal besser nichts zu.", murmelte sie, stand auf und zwängte sich zwischen Fynn und Cassandra, die irritiert etwas auseinanderrutschten.
„Also, was ist?"
Cassandra lachte auf. „Nichts Schlimmes."
Medusa schaute triumphierend zu Jen. „Siehst du? Ich habe nichts angestellt."
„Sie haben doch in der Pyramide-"
„Fallon Grabstätte!", hörten sie Tony rufen, der es sich inzwischen zusammen mit Noa unter einer großen Decke bequem gemacht hatte.
„Ach komm schon, du kannst aufhören uns zu korrigieren. Wir werden es uns eh nicht merken.", entgegnete Medusa und schaute wieder zu Cassandra. „Was soll ich da?"
„Sie haben davon gesprochen, dass Sie schon einmal verheiratet waren. Sie können doch nicht wirklich erwarten, dass ich da nicht noch einmal nachfrage."
Medusa seufzte und warf einen kleinen Stock ins Feuer. „Und ich dachte ich komme um eine genauere Erklärung herum.", murmelte sie.
Fynn musterte sie nachdenklich. „War es denn keine schöne Erfahrung?"
Medusa winkte ab. „Nein, es war in Ordnung. Aber wie schon gesagt war es eine Schnapsidee. Naja, es war eines von den Jahrhunderten, in denen ich nicht wie eine Verrückte vor meiner Schwester geflohen bin. Also habe ich ein bisschen das menschliche Leben genossen. Naja, etwas zu sehr. Ich hatte in dieser Zeit etwas mit einem sehr netten Mann. Er hieß William. Eines Abends sind wir dann in eine Gaststätte gegangen. Irgendwann waren wir dann leicht angetrunken."
Cassandras Augen wurden groß. „Uiii."
„Es ist nicht wirklich etwas passiert. Auf jeden Fall kamen wir dann auf die großartige Idee uns trauen zu lassen. Fragt mich bitte nicht, wie wir darauf gekommen sind. Ich gebe zu, wir waren wirklich dicht."
Sie knetete ihre Hände. „Vielleicht solltet ihr wissen, dass ich zu dieser Zeit immer einen Hut mit einem Schleier trug, der meine Augen verdeckte, zu meinem Schutz und dem von anderen."
Cassandra hielt die Luft an. Sie ahnte bereits in welche Richtung Medusas Erzählung gehen würde.
Medusa fuhr fort, wobei sie ein kleines Lächeln nicht verbergen konnte. „Er hat uns die erstbesten Ringe gekauft, die er gefunden hat. Ich wundere mich immer noch wo und wie er sie aufgetrieben hat, genau wie den Priester, der uns getraut hat.
Nachdem wir also so Hals über Kopf verheiratet waren, haben wir uns zurückgezogen. William hat gesagt, dass er gerne die Augen seiner wunderschönen Frau sehen wolle."
Sie atmete einmal tief durch. „Er hat meinen Schleier zurückgeschlagen. Ich habe ihn nicht davon abgehalten. Ich habe gar nicht darüber nachgedacht. Vielleicht war ich zu geblendet von dem Wunsch ein normales Leben zu führen. Er hat nicht geschrien. Er hat es noch nicht einmal versucht. Er hat nur gelächelt. Dann ist er zu Stein erstarrt. Den Schleier mit meinem Hut, hatte er noch in der Hand. Ich bin weggelaufen und habe mich nicht umgedreht. Ich hatte zu viel Angst davor als Monster zu gelten."
Sie sah in den sternenklaren Himmel. Was ihre Freunde dank der Sonnenbrille nicht sahen, war, dass sie ein paar Mal blinzelte, um die Tränen zu vertreiben, die sich in ihre Augen geschlichen hatten.
Plötzlich spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter und senkte den Blick.
„Sie sind kein Monster Medusa.", sagte Cassandra leise, „Und das sehen wir alle so."
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Medusa 3-Die Fallon Grabstätte
Fantasy*abgeschlossen/ unüberarbeitet „Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist gelb." Noa verdrehte die Augen. „Sand?" Medusa stöhnte auf. „Ich verstehe immer noch nicht, warum wir diese blöde Patrouille überhaupt machen. Musst du nachschauen, ob noc...