Cassandra schloss die Tür zu ihrem Zimmer hinter sich. Tony hatte sie alle aus dem Missionsraum gescheucht, damit er Mr. Harley alles erklären konnte. Cassandra ließ sich auf ihr Bett fallen, was das darauf liegende Handy etwas in die Luft katapultierte. Erst jetzt bemerkte sie, dass es blinkte. Sie griff danach und warf einen Blick darauf. Ihre Augen wurden groß. Seit morgens hatte Mara insgesamt fast fünfzig Mal versucht sie anzurufen. Sie seufzte und rief sie zurück.
Sofort nahm Mara ab.
„Na endlich verdammt!"
Cassandra hielt das Handy etwas von ihrem Ohr weg. „Mara? Warum schreist du denn so?"
„Ich schreie so, weil ich den ganzen Tag versuche euch zu erreichen, aber keiner von euch Pappnasen rangeht. Bei Medusa und Jen kam kein Freizeichen und bei Fynn und dir habe ich es hunderttausende Mal klingeln lassen und niemand ist rangegangen! Normalerweise hört man immer etwas von euch, aber, wenn mal die Welt untergeht, herrscht bei euch komplette Funkstille!"
Cassandra fuhr sich mit zwei Fingern über die Schläfe. „Mara, wir haben gerade wirklich andere Probleme als die Übersetzung der alten Feensprache."
Sie hörte wie Mara am anderen Ende der Leitung genervt die Luft ausstieß. „Davon rede ich doch gar nicht. Ich rede von dem großen Unheil, was ihr Deppen auf die Welt losgelassen habt. Einen Feenhäuptling, der die ganze Welt in Chaos stürzen kann, wenn er Lust darauf hat. Was habt ihr euch nur dabei gedacht?"
Cassandra schluckte. „Ich glaube, wir haben das Unheil vor Kurzem selbst kennengelernt."
„Bitte was?"
„Er hat fast die Sandburg weggepustet."
„Welche Sandburg? Cassandra, ich bin gerade wirklich nicht in der Stimmung für Späße."
„Oh glaub mir, ich auch nicht. Das Zentrum in Ägypten heißt Sandburg. Woher weißt du davon?"
„Ich hatte einen Traum, indem ich nichts als Zerstörung gesehen habe. Ich hatte gehofft, dass ihr es noch verhindern könnt, aber anscheinend ist es schon zu spät. Wie wollt ihr das wieder in Ordnung bringen?"
„Das fragt uns Mr. Harley auch. Der telefoniert gerade mit Tony und macht ihn wohl gerade zur Schnecke."
Mara stöhnte auf. „Lasst euch gefälligst schnell etwas einfallen. Ich hänge nämlich zufällig an meinem Leben."
„Wir versuchen es ja.", sagte Cassandra.
„Dann versucht es schneller. Vielleicht hilft euch diese komische Übersetzung ja doch. Ich schicke sie dir gleich. Uns hat sie nichts gesagt. Ich mache mir jetzt noch ein schönes Leben, bis dieser Verrückte hier auch auftaucht und uns alle umbringt."
„Mach das.", erwiderte Cassandra genervt, „Wir kämpfen inzwischen dafür, dass niemand stirbt, während du dir einen schönen Tag am Strand machst."
Sie erwartete, dass Mara sofort auflegen würde, doch stattdessen herrschte für einen kurzen Moment Stille am anderen Ende der Leitung. Dann meldete sich Mara wieder. „Passt bitte auf euch auf, ja?", sagte sie leise, bevor sie Cassandra wegdrückte.
Diese warf einen Blick auf das Display, auf dem ihr gerade eine neue Nachricht von Mara angezeigt wurde. Sie rief das Bild auf und las sich die Übersetzung durch. Sie konnte jedoch nichts damit anfangen. Sie erhob sich wieder von ihrem Bett und machte sich auf den Weg zu Fynns Zimmer, um ihn zu fragen, ob ihm vielleicht etwas dazu einfiel, doch dort war er nicht. Auf der Suche nach ihn kam sie schließlich wieder in den Missionsraum. Dort saßen ihre Freunde am Missionstisch und diskutierten lautstark. Blaze saß unter dem Tisch und hatte sich zusammengerollt. Er schlief jedoch nicht sondern starrte mit ausdruckslosen Augen in die Leere.
„Er will wieder als Gott verehrt werden.", hörte sie Fynn gerade sagen.
Sie ließ sich neben ihn fallen. „Wieso wieder?", harkte sie verwirrt nach.
Fynn seufzte. „Die Fallon wurden wegen ihres langen Lebens damals im alten Ägypten als Götter angesehen. Der Häuptling möchte, dass es wieder ist wie vorher, auch, wenn schon so viel Zeit verstrichen ist."
„Ist doch egal, was er will. Er ist eine Bedrohung.", mischte sich Jen ein, „Mr. Harley hat gesagt, dass er sich darum kümmern wird, wenn wir es nicht tun und er wird nicht nur den Häuptling, sondern auch Blaze wieder mit in die Grabkammer sperren."
Der kleine Drache zuckte bei seinem Namen zusammen, stand auf, tapste auf Fynn zu und schmiegte sich an sein Bein. Dieser schüttelte entschieden den Kopf. „Das kommt gar nicht in Frage. Wir können Blaze nicht wieder einsperren. Er hat nichts getan. Es muss doch noch eine andere Möglichkeit geben."
„Wir werden Blaze auch nicht wieder einsperren.", versuchte Noa ihn zu beruhigen, „Aber wir müssen uns so schnell wie möglich eine Alternative einfallen lassen."
Cassandra zog ihr Handy aus der Tasche.
„Ich habe gerade mit Mara telefoniert. Sie hat den ganzen Tag versucht uns zu erreichen. Anscheinend hatte sie eine Vision, in der sie unseren Häuptling und die Zerstörung gesehen hat, die er anrichten kann. Sie hat mir auch die Übersetzung der Feensprache gesendet, aber ich verstehe rein gar nichts.", sagte sie und reichte ihr Handy an Fynn weiter, der sich die Zeilen darauf mit gerunzelter Stirn durchlas. „Auf Anhieb sagt mir das auch nichts.", murmelte er und reichte es an Tony weiter. Dieser begann es laut vorzulesen.
„Der weiße Geist ist gut, der weiße Geist die Dunkelheit vertreibt. Oh Schamane, vermag uns zu sagen, was er möglich ist zu tun. Öffne dich, öffne dich."
Noa stöhnte auf. „Was soll das bitte heißen? Was soll sich öffnen? Ich meine, wir wissen schon, dass Blaze den Häuptling wohl gefangen gehalten hat. Klar ist, dass er ihn auch wieder einfangen kann, aber in diesem Ding steht nicht wie."
Blaze war inzwischen auf Fynns Schoß geklettert. Dieser kraulte ihm unter den Hals und bemerkte dabei den kleinen Riss, der sich durch die Kugel um seinen Hals zog. Verwirrt drehte er die Kugel in den Händen. Vorsichtig löste er sie von dem Halsband und hielt sie gegen das Licht. Er beugte sich zu Cassandra herüber. „Der Riss war doch vorher noch nicht da, oder?"
Cassandra schüttelte den Kopf. „War er nicht. Warte mal, täusche ich mich, oder wird der immer breiter?"
Sie täuschte sich nicht. Die Kugel in Fynns Hand begann leicht zu vibrieren und der Riss wurde immer breiter. Fynn warf die Kugel reflexartig in die Mitte des Tisches. Mit Staunen beobachteten die Freunde wie die Kugel mit einem leisen Geräusch aufsprang und eine weiße Wolke ihr entglitt.
Jen biss sich auf die Unterlippe. „Wenn das jetzt noch ein Geist ist, wandere ich aus und mache mir noch ein schönes restliches Leben auf Hawaii oder so.", flüsterte sie angespannt.
Medusa beugte sich vor und beäugte den Nebel. Plötzlich, ohne jegliche Vorwarnung, verformte sich der Nebel zu einem Gesicht. Medusa stieß einen leisen Schrei aus, zuckte zurück und wäre beinahe von ihrem Stuhl gefallen. Der Nebel verformte sich weiter und nahm die Gestalt einer Frau an. Sie trug ein langes, wallendes Kleid und ihre Flügel hatte sie angelegt, sodass sie sich in den Wogen ihres Kleides verloren.
Cassandra und Fynn wechselten einen Blick. Sie wussten nicht so recht, was sie nun mit dieser Gestalt tun sollten, die regungslos vor ihnen in der Luft schwebte.
„Sollten wir vielleicht etwas sagen?", fragte Noa leise.
Blaze schien der Einzige zu sein, den diese Erscheinung nicht zu verunsichern schien. Er machte einen Sprung auf den Tisch und wedelte mit dem Schwanz. In diesem Moment schien die Gestalt der Frau aus ihrer Erstarrung zu erwachen. Sie senkte den Blick.
„Hallo.", sagte sie mit ruhiger Stimme. Der Drache grunzte auf.
„Ich verstehe gar nichts mehr.", murmelte Jen und beugte sich vor. „Sind Sie ein Geist?", fragte sie nun etwas lauter.
Die Frau hob den Kopf, schaute jedoch nicht zu Jen.
Diese lehnte sich zurück. „Sehr unfreundlich."
Medusa legte einen Finger an die Lippen. „Psst, ich glaube sie will etwas sagen."
Tatsächlich räusperte sich die Erscheinung. „Mein Name ist Yvaine. Ich bin die Frau von Häuptling Baltazar"
„Sie hat sich aber besser gehalten als der Kerl.", flüsterte Fynn.
„Dass meine Kapsel geöffnet wurde, bedeutet wohl, dass der Geist meines Mannes ebenfalls befreit wurde. Das war das, was ich versucht hatte zu verhindern, aber ich weiß, dass es wohl nicht für immer funktionieren wird. Ich hatte eine Vision, die noch so viele Jahre in der Zukunft liegt. Ich sah das Chaos, was mein Mann bereiten wird. Bis dahin wird ihn die Dunkelheit vollständig verschlungen haben. Lasst mich euch erzählen, wie es zu alle dem gekommen ist. Vielleicht hilft es euch zu verstehen.
Die Menschen nehmen an, dass der Kovakristall-"
Sie lachte leise auf. „-dass unser kleiner Drache der Grund für unser langes Leben ist. Dies entspricht nicht der Wahrheit."
Ihr anfängliches Lächeln verschwand. „Mein Mann verschrieb sich der dunklen Magie schon vor sehr langer Zeit, um uns ein überlanges Leben zu schenken. Er verkaufte seine Seele, trotz all meiner Warnungen, an die Hölle. Er bekam die Kräfte, die ihn viel stärker machten. Nach einiger Zeit fiel mir auf, dass er sich veränderte. Er wurde aufbrausender und er begann mir Angst zu machen. Es war die Dunkelheit, die sein Herz besetzte. Ich suchte nach einer Möglichkeit das zu verhindern und stieß auf den sogenannten weißen Geist. Diese Drachenart verströmt eine Menge gute Energie, selbst, wenn sie sich nur in ihrer normalen Form befindet. Solange sich der Drache in der Nähe meines Mannes befand, ging es ihm gut. Er wirkte als Gegengewicht."
Sie hielt inne. „Nun liegt mein Mann im Sterben, denn auch die Magie vermag es nicht einen ewig am Leben zu halten. Ich werde den weißen Geist mit einem Zauber belegen und ihn zusammen mit meinem Mann in der Grabstätte einsperren. Er wird ihn davor beschützen in das Reich der Geister und die Hölle überzugehen.
Aber ich weiß, dass es nicht für immer funktionieren wird. Ich habe gesehen, dass die Grabstätte eines Tages wieder geöffnet und mein Mann befreit wird. Ich kann es nicht verhindern, aber ich hoffe, dass ihr es könnt. Ihr habt alles, was ihr braucht. Ihr habt den weißen Geist. Er vermag es meinen Mann vollständig von der Dunkelheit zu befreien. Dafür muss er seine wahre Gestalt annehmen. Wir vermögen ihm nicht dazu zu verhelfen. Niemand von uns ist stark genug." Sie schloss für einen kurzen Moment die Augen. Es schien, als würde sie sich an etwas zurückerinnern. „Ich habe einen jungen Mann gesehen, der es zu tun vermag. Eine Fee mit strahlend blauen Flügeln. Er vermag es zu tun."
Cassandra schaute zu Fynn, der den Blick bei diesen Worten gesenkt hatte.
„Ich weiß nicht wie es ausgehen wird.", fuhr Yvaine fort, „Aber ich wünsche euch das Beste."
Mit ihren letzten Worten verblasste auch die Erscheinung der Fee und löste sich dann in Luft auf.
Medusa stieß die Luft aus. „Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll.", murmelte sie.
Tony hob abwehrend die Hände. „Jetzt mal ganz langsam. Der Häuptling hat sich also der dunklen Magie verschrieben und Blaze kann es schaffen ihn wieder einzusperren?" Er warf einen Blick auf den kleinen Drachen, der sich suchend umschaute. „Das kann mir doch keiner erzählen."
„Sie hat gesagt, dass sich Blaze in seiner echten Form befinden muss, um ihn vollständig von der Dunkelheit zu lösen.", meldete sich Fynn zu Wort und holte rasselnd Luft, „Und anscheinend spiele ich eine Rolle dabei."
Cassandra unterdrückte den Drang seine Hand zu nehmen. Das war jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt dafür.
„Wie konnte sie all das wissen?", warf Jen ein.
Cassandras Gesicht hellte sich auf. „Sie muss eine Traumwandlerin sein. Genau wie Mara.", rief sie, „Deswegen wusste sie es."
Noa schaute in die Runde. „Und was machen wir jetzt?"
Medusa zuckte mit den Schultern. „Die Welt retten, indem wir den Häuptling von der Dunkelheit lösen."
Noa verdrehte die Augen. „Super, und wie sollen wir das schaffen? Wir haben doch keine Ahnung, was mit der echten Gestalt gemeint ist."
„Ihr hattet doch ein Buch, worin etwas zu Blaze' Drachenart stand.", meinte Fynn, „Vielleicht steht etwas darin."
„Aber die halbe Seite ist vergibt.", warf Jen ein.
Fynn zuckte mit den Schultern. „Ich mache sie wieder sichtbar.", sagte er. Cassandra sah ihn überrascht an. Fynn erhob sich. „Ich suche nach dem Buch.", meinte er und verließ mit schnellen Schritten den Missionsraum. Cassandra schob ihren Stuhl zurück und rannte ihm nach.
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Medusa 3-Die Fallon Grabstätte
Fantasy*abgeschlossen/ unüberarbeitet „Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist gelb." Noa verdrehte die Augen. „Sand?" Medusa stöhnte auf. „Ich verstehe immer noch nicht, warum wir diese blöde Patrouille überhaupt machen. Musst du nachschauen, ob noc...