Kapitel 35

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Kai P.O.V.
Die Krankenschwester schob Haily im Rollstuhl zur Dusche und ich schaute ihnen hinterher, bis die Badezimmertür geschlossen wurde.

"Kai, wie geht es dir denn?", unterbrach Hailys Mutter die Stille.
"Soweit ganz gut und dir, Elena?"
"Ebenfalls, nur mache ich mir zur Zeit große Sorgen um Haily, aber das ist ja verständlich." Ich nickte, denn mir ging es in der Hinsicht ja nicht anders.
"Und dein Mann? Was macht Lucas so?", wollte ich wissen.
"Ihm geht es auch gut. Er geht seiner Arbeit nach, wie auch damals schon", lachte sie, "mittlerweile macht er auch viel in unserem Garten. Er hat zum Beispiel vor nicht all zu langer Zeit ein kleines Gartenhaus gebaut. Das solltest du dir mal anschauen, wenn du Zeit hast. Lucas und ich wollten dich und deine Familie sowieso mal zum Essen einladen, jetzt wo Haily und du wieder Kontakt zueinander habt."
"Ja, das wäre super. Da würden sich meine Eltern mit Sicherheit auch freuen", erwiderte ich und sie lächelte.

"Mit deiner Karriere geht es aber auch ziemlich bergauf oder? Wer hätte gedacht, dass du mal so ein erfolgreicher und professioneller Fußballspieler wirst!", sagte sie begeistert.
"Ja, als kleiner Junge konnte ich mir das auch nur erträumen aber heute bin ich jeden Tag dankbar dafür, dass man mir solche großartigen Chancen geboten hat", erwiderte ich.
"Da kannst du dich wirklich glücklich schätzen. Du bist ein toller, junger Mann geworden. Ich wünschte, meine Haily hätte so jemanden wie dich an ihrer Seite. Sie hat ja jetzt wirklich kein Glück mit der Liebe, das waren immer alles Idioten, insbesondere ihr letzter Freund."

Ich nickte nur, da ich nicht wusste, was ich darauf sagen soll.
"Und wie geht es Sophia? Haily hat erzählt, ihr seid jetzt schon länger zusammen."
"Ja genau. Ihr geht es auch soweit gut. Zur Zeit hat sie bisschen zu tun in der Uni."
Sie nickte lächelnd.

"Ich muss dann auch mal los zur Arbeit..", stand sie auf, ging zum Badezimmer und klopfte an die Tür.
"Haily? Ich muss los. Ich wünsch dir einen schönen Tag", sagte sie, während sie ihren Kopf zum Bad rein streckt.
"Alles klar, Mama. Den wünsch ich dir auch!", antwortete Haily.
Elena schloss die Tür wieder und ging auf mich zu.
"Schön, dass wir uns wieder gesehen haben. Ich hoffe, wir können uns bald mal alle zusammen setzen. Sag deinen Eltern liebe Grüße."
"Mach ich."
"Also dann, viel Spaß euch beiden. Wir sehen uns", zog sie mich in eine Umarmung.
"Danke, ciao", erwiderte ich mit einem Lächeln und sie verließ das Zimmer.

Ich setzte mich wieder auf den Stuhl und schaute aus dem Fenster, während ich auf Haily wartete und dem Wasserplätschern aus dem Badezimmer lauschte.

Nach einer Weile kam die Krankenschwester und Haily mit nassen Haaren wieder aus dem Bad.
"Brauchen Sie einen Föhn?", fragte sie Haily.
"Ja, das wäre nett, danke."
"Also wenn Sie noch irgendwas brauchen sollten, dann holen Sie einfach eine Schwester, okay?"
"Ja, mach ich."
"Gut, dann noch einen schönen Tag."
"Ihnen auch."

Die Krankenschwester verschwand und Haily schaute mich grinsend an.
"Was ist?", lachte ich.
"Föhnst du mir die Haare?"
"Na wenn es sonst nichts ist", sagte ich und schnappte mir den Föhn.
"Du musst sie aber erst durch kämmen", bestimmte sie.
"Jaja, überlasse das dem Hobbyfriseur." Sie lachte und ich machte den Föhn an.

Eine viertel Stunde später schaltete ich den Föhn wieder aus und sagte: "Das dauert ja ewig bei so langen Haaren."
"Da kannst du mal sehen. Jetzt musst du sie aber trotzdem noch kämmen. In meiner Tasche da drüben müsste eine Bürste sein."
Ich ging zu der besagten Tasche und kramte darin nach einer Bürste, die ich auch kurz drauf gefunden hab.

"Au!"
"Ja, halt still.."
"Hättest du sie vor dem föhnen gekämmt, wäre da jetzt nicht so ein Knoten", beschwerte sich Haily.
"Ist ja gut, bin schon fertig."
"Danke", lächelte sie mich engelsgleich an.

Ich räumte die Bürste wieder weg, während Haily zurück zum Bett rollte. Sie drückte sich mit ihren Armen vom Rollstuhl hoch auf ihr rechtes Bein und setzte sich auf die Bettkante.

"Soll ich dir helfen?", fragte ich. Sie nickte, also hob ich ihr Bein mit dem Gips hoch aufs Bett und sie legte sich wieder bequem hin, stellte aber die Lehne so ein, dass sie in einer Sitzposition war.

Ich setzte mich ebenfalls hin.
"Ich kann heute nur bis 13.00 Uhr bleiben, hab später noch Training", erklärte ich.
"Ja alles gut. Aliah kommt später auch noch her."
Ich nickte und es war ruhig.

"Hör mal, wegen gestern, was du gesagt hast...Ich weiß nicht, warum du dich von mir fern halten wolltest und ich weiß auch nicht, ob ich was falsch gemacht hab.."
"Du hast nichts falsch gemacht", unterbrach sie mich und atmete tief ein. "Ich hab dir doch mal erzählt, dass ich damals in dich verliebt war. Weißt du das noch?"
"Wie könnte ich das vergessen", erwiderte ich lächelnd.
"Vor ein paar Wochen ist mir bewusst geworden, dass diese Gefühle nie wirklich verschwunden waren", sagte sie etwas leiser und schaute mich erwartungsvoll an.
"Warte...was soll das jetzt bedeuten?", fragte ich ungläubig.
"Kai, ich bin in dich verliebt und das ist auch der Grund, wieso ich Abstand wollte, weil ich es nicht aushalte, dich und Sophia zu sehen oder dich zu sehen und so tun zu müssen, als wärst du nur ein Freund für mich." Während sie das sagte, kamen ihr die Tränen.

Ich saß einfach nur auf meinem Stuhl und schaute sie an. Ich wusste nicht, was ich denken oder tun sollte. Ich glaube, mein Hirn hat ihre Worte noch gar nicht wirklich realisiert, also handelte ich einfach aus meinem Herzen heraus und tat, was sich für mich in dem Moment richtig anfühlte.

Ich setzte mich auf die Bettkante neben sie und wollte ihr, wie gestern schon, eine Träne weg wischen. Doch bevor ich meine Hand überhaupt an ihre Wange setzen konnte, hielt sie sie fest.
"Tu das nicht", flüsterte sie und schaute mich mit ihren großen, blauen und Tränen gefüllten Augen an.
"Haily, ich wollte es dir gestern schon sagen...", begann ich mit einer sanften Stimme, woraufhin sie kurz drauf meine Hand los ließ und ich ihre Träne weg wischen konnte.
"Du gehst mir schon seit längerer Zeit nicht aus dem Kopf. Ich muss ständig an dich denken, egal was ich mache", meinte ich und nahm ihre Hand.
"Ich kann meine Gefühle zwar nicht so gut einordnen wie du, aber ich weiß, dass ich nicht mehr ohne dich kann."

Sie sagte nichts. Wir sahen uns einfach nur in die Augen und warteten darauf, was der andere als nächstes tat. Ich weiß nicht, wie lange wir so da saßen, aber irgendwann hatte ich das Gefühl, das Eis brechen zu müssen, also rutschte ich näher und beugte mich zu ihr vor. Ich merkte, dass auch sie mir ein Stück entgegen kam, doch weitaus zögerlicher als ich.

"Kai...", flüsterte sie, als unsere Lippen sich schon fast berührten.
"Sag nichts", flüsterte ich zurück und schloss die Lücke zwischen uns. Es war, als wäre ich im Himmel.
Nach wenigen Sekunden ließen wir voneinander ab und schauten uns wieder in die Augen, ohne weit auseinander zu gehen. Haily war überfordert, sie war unsicher, das konnte ich in ihren Augen sehen. Ich lächelte leicht. Sie hob ihre Hand, legte sie in meinen Nacken, zog mich wieder zu sich und küsste mich.

Das, was ich in dem Moment fühlte, war unbeschreiblich. Ich war zum einen, genau wie sie, etwas überfordert mit der Situation und zum anderen explodierten meine Gefühle und ich konnte gar nicht genug von ihr haben.

Wir küssten uns, ohne unsere Lippen von einander zu lösen. Der Klingelton meines Handys trennte uns jedoch nach ein paar Minuten.

"Ja?", ging ich etwas genervt an mein Handy. "Ja, mach ich...bis dann", verabschiedete ich mich.

"War nur Julian. Er hat gefragt ob ich ihn dann mitnehme", erklärte ich Haily, "Ich muss eigentlich auch gleich los."
"Okay", sagte sie kurz.
"Alles in Ordnung?", fragte ich besorgt und legte meine Hand auf ihre.
"Ja, ich weiß nur nicht ganz, wie ich den Kuss einschätzen soll...ich meine, was ist mit Sophia?"
Gute Frage. Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte, da ich mir die Frage selbst nicht beantworten konnte.

"Können wir da wann anders drüber reden, wenn ich Zeit habe? Ich komme diese Woche nochmal bei dir vorbei, einverstanden?", lenkte ich ab. Sie zuckte mit den Schultern.
"Tut mir leid, mir geht es aber grade auch nicht anders als dir...", erklärte ich und wartete auf eine Antwort, doch es kam keine.

"Nagut...ich muss los. Ich schreib dir, okay?"
"Okay."
Ich gab ihr noch einen Kuss auf die Wange und verließ das Zimmer.

Neuanfang - FF Kai HavertzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt