Kapitel 44

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Kai P.O.V.
Eine Stunde später betrat ich tatsächlich das Treppenhaus des Gebäudes, in dem sie wohnt. Ohne Plan und jegliche Erwartungen ging ich die Treppen hinauf. Ich vernahm eine dumpfe Stimme bzw. war es eher Gesang. Es war Haily, die sich da die Seele aus dem Leib sang, das erkannte ich sofort. Sie konnte schon immer gut singen. Sie liebt es, aber nicht vor anderen, sondern nur für sich selbst und das wissen tatsächlich auch nur sehr wenige, wie zum Beispiel ich, der mal ihr bester Freund war.

Ich folgte ihrer Stimme und blieb schlussendlich vor ihrer Wohnungstür stehen und hörte weiter zu. Auch damals, als wir noch jünger waren und uns nahe standen, hat sie mir manchmal etwas vorgesungen oder sie hat einfach vor sich hin geträllert als wir nur zu zweit waren. Jedoch waren es nicht solche Texte wie sie gerade singt.

„...but we know this, we got a love that is hopeless.
Why can't you hold me in the street?
Why can′t I kiss you on the dancefloor?
I wish that it could be like that...", sang sie.

Plötzlich hörte ich, wie jemand das Treppenhaus herauf kam. Ich schaute zur Treppe und wie es der Zufall so will, war es der Kerl von gestern Abend. Er blieb stehen und sah mich fragend an.
„Kennt man sich?", fragte er. Ich hörte, dass Hailys Stimme verstummte und die Musik gestoppt wurde.

„Nicht, dass ich wüsste", meinte ich und ging fluchtartig an ihm vorbei die Treppen herunter. Ich merkte seinen Blick auf mir und ich hörte auch, dass eine Tür aufging und Haily etwas sagte, doch in dem Moment verließ ich gerade das Wohnhaus.

Haily P.O.V.
„Hey, was stehst du hier so angewurzelt rum?", meinte ich, nachdem ich meine Wohnungstür geöffnet hatte und in den Flur schaute.
„Da stand grade einer vor deiner Tür...und ich könnte schwören, der sah aus wie.. wie heißt der nochmal...dieser Fußballspieler von Bayer Leverkusen, du weißt schon..."
Ich sah ihn erschrocken an. „Da gibt es mehrere, Leon", lachte ich nervös.
Entweder war es Julian oder Kai...War er etwa hier? Waren das die Schritte, die ich vorhin gehört hatte?

„Keine Ahnung, ist ja auch egal. Hab mich sowieso getäuscht. Was sollte bitte ein Fußballer hier wollen?", lachte er.
„Ja eben...", meinte ich mit schwerem Herzen und einem aufgesetzten Lächeln.
„Also Cousinchen, was hast du grade so gemacht? Hab dich lauthals singen hören", grinste Leon.
„Ach Quatsch, hatte meine Box nur zu laut", log ich. „Hab grade versucht, meine Wohnung bisschen zu putzen", erklärte ich weiter.
„Und?"
„Wie gesagt, ich hab es nur versucht."
„Sieht man", lachte er und sah sich das Chaos in meiner Wohnung an.

Kurz drauf ließ er sich auf die Couch fallen und ich ebenfalls.
Leon ist mein Cousin, falls ihr das jetzt noch nicht mitbekommen habt. Er ist 25 und wohnt in Berlin. Leon, mein Bruder und ich hatten schon immer ein gutes Verhältnis zueinander, trotz der großen Entfernung. Und jetzt denkt ihr euch wahrscheinlich: Er müsste doch wissen, dass Kai und ich als Kinder beste Freunde waren, wenn wir so ein gutes Verhältnis haben. Aber nein. Die Freundschaft zwischen Kai und mir kam tatsächlich nie zur Sprache. Wie gesagt, Leon und seine Familie wohnen in Berlin und meine Familie und ich sind immer in den Sommerferien zu ihnen gefahren, somit kam es auch nie zu einer Bekanntschaft von Leon und Kai. Seit Leon seinen Führerschein mit 19 endlich in den Händen hatte, kommt er immer zu mir und Nick gefahren und währenddessen er hier ist, kommt er auch bei meinem Bruder unter. Gut, ich denke, ich hab soweit alles wissenswerte erzählt, um zu verstehen, wer er ist und wieso er plötzlich da ist.

„Da hättest du doch was sagen können. Dann wäre ich mit Nick zusammen her gekommen und wir hätten dir geholfen", meinte er zu meiner Putzaktion.
„Du kannst ihn morgen ja mal mit her schleppen und du kannst ihm sagen, er könnte seine kleine Schwester ruhig öfter besuchen", meinte ich vorwurfsvoll. „Wie lange bist du eigentlich hier?"
„Willst du mich schon wieder los haben? Bin doch vorgestern erst angekommen."
Ich zuckte lachend mit den Schultern.
„Naja mindestens noch 2 Wochen. Hab noch paar Urlaubstage und eine Menge Überstunden, die ich abbauen muss", erklärte Leon. „Da kann ich dir nächste Woche auch beim Umzug helfen."
„Du weißt es schon? Nick hat es dir erzählt, oder?"
„Ja, aber ich finde es wirklich cool, ehrlich. Ich glaube, ich würde mich nicht trauen, so ganz allein in ein anderes Land zu ziehen. Dazu braucht man echt Mut und Selbstvertrauen. Und mal davon abgesehen, wieso solltest du sonst deine Wohnung gerade so auf den Kopf stellen?"

„Was soll das denn heißen? Es besteht auch die Möglichkeit, dass ich einfach nur mal aufräumen und ausmisten will", sagte ich empört, woraufhin er mich mit einem für sich sprechenden Blick ansah.
„Ja, wirklich", antwortete ich auf seinen Blick.
„Wir wissen beide, dass du zu faul dafür wärst", meinte er schlussendlich, womit er natürlich leider recht hat, weshalb ich auch nicht weiter diskutierte.

Am späten Abend verließ Leon meine 4 Wände und ich war wieder allein. Ihr könnt euch denken, was mir den ganzen Abend nicht aus dem Kopf ging, oder? Richtig, Kai. Wieso sollte er hier gewesen sein? Aber vielleicht war es auch nur Julian. Doch selbst das wäre komisch, weil er nie allein ohne Aliah bei mir aufkreuzen würde.

Am nächsten Tag wurde ich durch ein Sturmklingeln aus dem Schlaf geholt. Völlig verwirrt schaute ich auf meinen Wecker, der auf dem kleinen Tisch neben meinem Bett steht. 11.35 Uhr. Ungewöhnlich, dass ich so lange schlafe, wobei ich eigentlich recht früh eingeschlafen bin.

Es klingelte immer noch, was langsam echt nervte, also stand ich auf, zog mir einen BH an, schaute kurz in den Spiegel und musste feststellen, dass man sich so eigentlich echt nicht zeigen kann, entschied aber dann doch, dass es mir egal ist und ging schlussendlich zur Tür. Genervt öffnete ich diese und schaute in die grinsend, provozierenden Gesichter meines Bruders und meines Cousins.
„Na, schon wach?", fragte mein Bruder.
„Haha", meinte ich und ging zur Seite, sodass sie eintreten konnten.
„Wow, was das Chaos angeht, hast du echt nicht gelogen, Leon", meinte Nick und schaute sich genauso um wie Leon gestern Abend.
„Sag ich doch", bestätigte Leon meinen Bruder.

Ich stöhnte genervt auf, ging zurück in mein Schlafzimmer und ließ mich wieder in mein Bett fallen.
„Ey, Faulenzen gibt's heute nicht", sagte Nick als er mich im Bett liegen sah.
„Gib mir 5 Minuten, das Aufstehen ging mir jetzt echt zu schnell", murmelte ich in meine Bettdecke während ich durch Instagram scrollte.

Nach 15 Minuten war ich immer noch nicht aufgestanden und Leon kam ins Zimmer. Er legte sich quer über das Ende meines Bettes und starrte an die Decke, woraufhin ich den Blick von meinem Handy auf ihn richtete.
„Alles gut?", fragte ich.
„Ich bleibe jetzt so lange hier liegen, bis du endlich aufstehst. Nick und ich sind nicht ohne Grund her gekommen."
„Jaja, ich weiß", sagte ich, bis erneut die Klingel ertönte und mich unterbrach.
„Hast du noch jemanden herbestellt zum Aufräumen?", fragte ich mit einem sarkastischen Unterton.
„Ja, eine ganze Reinigungsfirma", konterte er mit wackelnden Augenbrauen.

Ich hörte wie Nick die Tür öffnete.
„Hey Kai, was geht?", begrüßte mein Bruder ihn mit einem Handschlag.
Als ich seinen Name hörte, saß ich plötzlich auf meinem Bett und war wacher als jemals zuvor.
„Kai? Was für ein Kai?", fragte Leon mich.
Ich sah ihn sprachlos an und rührte mich nicht vom Fleck, da ich gespannt wartete, was als Nächstes geschah.
„Ist sie da?", hörte ich Kai fragen.
„Ja, im Schlafzimmer", antwortete Nick. Ich klatschte mir die Hand an die Stirn. Manchmal war mein Bruder wirklich dumm. Erstens sollte vielleicht niemand rein kommen, wenn ich in meinem Schlafzimmer bin, weil es ja doch irgendwie ein privater Raum ist und ich vielleicht auch grade nackt sein könnte und zweitens weiß mein Bruder eigentlich ganz genau, was zwischen mir und Kai war und ist...zumindest weiß er, dass ich mich in ihn verliebt hatte und ich deswegen unglücklich war oder bin...wie auch immer.

Es klopfte an die angelehnte Schlafzimmertür und Kai schaute herein.

Neuanfang - FF Kai HavertzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt