Kapitel 3

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Ben sitzt bereits an seinem Schreibtisch und konzentriert sich auf seine Akten, während ich neben ihm Platz nehme.
"Ist er heute da?", frage ich nervös. Ich habe schon den ganzen Weg hierher an meinen Nägeln geknabbert. Ein Wunder, dass sie noch dran sind.
"Wer?", fragt Ben, ohne mich anzuschauen.
"Mr. Wright"
"Ähm, ja ich denke schon"
Ich stehe auf und richte mein enges dunkelblaues Kleid, welches ich mir extra von Sage geborgt habe. Dazu trage ich eine schwarze Perlonstrumpfhose, die am hinteren Oberschenkel bereits eine Laufmasche hat und schwarze High Heels, in denen ich kaum laufen kann.
"Wünsch mir Glück", sage ich und verlasse dann das Büro.
Mein Magen fühlt sich an wie ein Knoten und meine Brust hat sich so sehr zugeschnürt, dass ich kaum Luft bekomme. Außerdem höre ich mein eigenes Herz pochen.
Jennys Schreibtisch steht direkt vor dem Büro von Mr. Wright.
Sie feilt sich gerade ihre Nägel und schaut dann zu mir hoch.
"Oh hi, Cassie!", begrüßt sie mich mit ihrer quietschigen Stimme.
"Ich wollte zu Mr. Wright, ist er da?", frage ich. Man muss mir die Nervosität anmerken, denn meine Hände fangen an zu zittern und meine Beine fühlen sich an wie Gummi.
Ich denke an Sages Worte. Ich kann das. Ich bin gut. Es wäre ein fataler Fehler, mich rauszuschmeißen.
Auch wenn ich nicht viel von Kampf Mantras halte, scheint es zu wirken und ich gewinne etwas Selbstvertrauen dazu.
"Ja, er telefoniert aber gerade. Vielleicht wartest du noch..."
Ich lasse Jenny nicht zu ende sprechen und öffne die Tür zu Mr. Wrights Büro. Ich erstarre für einen Moment.
Sein Büro ist riesig. Es besteht aus seinem Schreibtisch und einem großen Konferenztisch, die in der Größe des Raumes völlig untergehen.
Ich laufe auf seinen Schreibtisch zu. Mr. Wright steht mit dem Rücken zu mir gewandt am Fenster, telefoniert und schaut nach draußen.
"Cassie, er kann gerade nicht!", ruft Jenny und kommt mir hinterhergelaufen.
Mr. Wright bekommt von uns mit und dreht sich zu uns um.
"Es tut mir so leid, Mr. Wright, aber sie wollte nicht auf mich hören! Ich entferne sie sofort aus Ihrem Büro!", ruft Jenny mit zittriger Stimme und zerrt mich am Arm.
Da sie circa einen Kopf kleiner und viel zierlicher ist als ich, fällt es ihr schwer gegen mich anzukommen.
Er legt sein Handy auf seinen Schreibtisch.
"Ist schon okay, Ms. Adams", sagt er mit ruhiger Stimme und schaut zu Jenny.
Sie verlässt daraufhin schnaufend das Büro und schließt die Tür.
"Es war ziemlich unhöflich, mich in diesem Telefonat zu unterbrechen", sagt er und mustert mich.
"Ja, ich weiß und das tut mir leid, aber ich wollte..."
Es ist, als würde mir die Stimme wegbleiben. Alles was ich spüre ist mein Herz, das nicht aufhört zu rasen.
Und dann höre ich wieder Sages betrunkene Stimme in meinem Kopf.
Mr. Wright schaut mich fragend an und setzt sich auf seinen Stuhl.
"Ich wollte Ihnen sagen, dass es ziemlich dumm wäre, mich rauszuschmeißen. So jemanden wie mich finden Sie nie wieder! Es wäre sogar ein fataler Fehler mich zu entlassen, oder denken Sie etwa Ben, oder Jenny können mich ersetzen? Nein, das können Sie nicht. Jedes andere Anwaltsbüro würde mich mit Kusshand nehmen und ich finde es wirklich schade, dass sie sich nicht erstmal ein Bild von meinem Können machen, bevor sie mich feuern!"

Quälende Stille macht sich im Raum breit und ich versuche Mr. Wrights durchdringendem Blick standzuhalten.
"Sie sind ganz schön überzeugt von sich", sagt er schließlich und lehnt sich an seine Stuhllehne.
"Okay, ich packe meine Sachen"
Ich drehe mich um und will einfach nur noch aus dem Büro raus.
"Ms. Mitchell!", ruft er. Ich drehe mich um. Will er die Situation wirklich noch peinlicher machen, als sie schon ist?
"Ich hatte nie vor sie zu kündigen, ganz im Gegenteil"
Ich schaue ihn irritiert an.
"Sie sind befördert"
Was hat er gerade gesagt? Ich bin was? Befördert?
Verunsichert bleibe ich stehen und schaue ihn mit großen Augen an, was er wahrscheinlich lustig findet, weil er anfängt zu schmunzeln.
"Sie sind befördert zu meiner persönlichen Assistentin, neben Jenny"
Er steht auf und kommt mit einem Ordner in der Hand auf mich zu.
"Überzeugen Sie mich von ihrem Können. Ich will es nicht bereuen Sie befördert zu haben", sagt er mit seiner rauen Stimme und überreicht mir den Ordner.
"Danke", sage ich so leise, dass ich es selbst kaum höre und drehe mich zur Tür um.
"Und Ms. Mitchell?"
Er läuft wieder auf seinen Schreibtisch zu.
"Ja?"
"Sprechen Sie nie wieder in so einem Ton mit mir"
Ich nicke, wobei mir das Herz in die Hose rutscht und verlasse das Büro.

Jenny sitzt an ihrem Tisch und schaut mir dabei zu wie ich ein und ausatme, als würde ich kurz vor einer Geburt stehen.
"Was ist passiert?", fragt sie fast schon besorgt.
"Er hat..."
Ich stottere, weil ich es selbst kaum fassen kann.
"Er hat mich befördert"
"Was?!", fragt sie wütend. Sie versucht ihren Frust zu verstecken, aber ich kann ihn raushören.
Ich laufe wieder in Bens Büro und setze mich an meinen Schreibtisch. Weil ich es kaum fassen kann, was gerade passiert ist, starre ich nur benommen auf die Akten vor mir.
"Alles okay?", fragt Ben müde.
Ich nicke nur und schaue mir dann den Ordner an, den Mr. Wright mir mitgegeben hat.
Er beinhaltet eine seitenlange Auflistung von Aufgaben, die ich als seine Assistentin habe. Unter anderem:

"Immer in Rufbereitschaft sein"

Ich schnaufe. Ich bin doch nicht sein Diener.

"Was ist das?", fragt Ben. Er scheint nun aufmerksam auf mich geworden zu sein.
"Mr. Wright hat mich befördert", antworte ich.
"Was?!"
"Ja, genauso hat Jenny auch reagiert und glaube mir, ich kann es selbst kaum fassen!"
"Du weißt ja gar nicht was das bedeutet. Mr. Wright hat noch nie jemanden einfach so befördert. Jenny bekam zufällig die Stelle, aber eigentlich hat sie kaum Aufgaben", erklärt Ben.
"Er hat noch nie jemanden befördert? Aber er ist doch der Chef", antworte ich erstaunt.
"Glaube mir, deine Beförderung ist ein Wunder", antwortet Ben und lacht.

Ich lese mir die ganze Liste durch. Kaum vorstellbar, dass Jenny nichts zu tun hat. Wenn das wirklich alles ist, was ich tun muss, läuft es auf eine sechzig Stunden Woche für mich hinaus.

Ich verlasse das Büro erst spät, da ich immer noch damit beschäftigt bin die Liste durchzulesen und mir eine To-Do Liste für morgen zu schreiben.
Jenny kommt ins Büro rein und schaut mich abwertend an.
"Ben ist schon weg", sage ich.
"Ich bin auch wegen dir hier", antwortet sie.
Sie kommt näher auf mich zu und schaut mich finster an.
"Wenn du mir meine Stelle wegnimmst, mache ich dich fertig!"
Ich schaue sie verwundert an.
"Das ist nicht meine Absicht, Jenny"
"Möge die Bessere gewinnen", entgegnet sie mir und verlässt dann das Büro.

"Oh mein Gott! Das hat sie nicht gesagt, oder? Wir sind doch nicht bei Game of Thrones!", ruft Sage und fängt laut an zu lachen.
Ich habe ihr von der Beförderung und Jenny erzählt.
"Und dabei hat sie mich noch so finster angeschaut", ergänze ich und fange ebenfalls an zu lachen.
Wir sitzen auf der Couch und lackieren uns die Fußnägel.
"Ich habe dir doch versichert, dass er dich nicht kündigen wird", sagt Sage. Ich nicke.
"Ja, das hast du"
"Aber mit einer Beförderung hätte ich nicht gerechnet, er muss dich wirklich mögen"
Ich schaue Sage an, die aber auf ihre Fußnägel konzentriert ist.
"Wie meinst du das?", frage ich.
"Na ich glaube, dass er dich mag. Du bist halt nicht wie die anderen und schleimst dich ein, um ihm zu gefallen. Männer mögen sowas. Glaube mir, ich habe einen Artikel über das Thema geschrieben"
Ich denke nach und fange leicht an zu lächeln bei dem Gedanken daran von ihm gemocht zu werden, dem wahrscheinlich attraktivsten Mann in New York.
Seine Blicke machen einen schwach, sie machen mich schwach.
"Du magst ihn anscheinend auch", bemerkt Sage und lächelt schelmisch.
"Ach quatsch!", rufe ich.
"Ich kann es dir nicht verübeln, er ist heiß! Vielleicht schaffst du es ja ihn für ein Interview für mich anzufragen"
Ich verdrehe die Augen.
"Das werde ich nicht tun! Dann denkt er, dass ich irgendein verrückter Fan bin"
"Es ist dir also wichtig, was er über dich denkt?"
Ich kneife die Augen zusammen.
"Schon gut, lass uns das Thema wechseln", schlägt Sage vor.
Sie erzählt von ihrer Chefin Elodie, die nach Sages Erzählungen nach so alt wie ein Fossil sein muss und wie nervig sie doch ist.
Da kann ich mich doch glatt froh schätzen, einen so attraktiven Chef wie Devin Wright zu haben.

My seductive boss | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt