Es ist Samstag.
Ich schaue verschlafen auf mein Handy, welches die letzte halbe Stunde in regelmäßigen Abständen immer wieder neben meinem Kopf vibriert hat.
Gestern war Mr. Wright nicht im Büro, weswegen ich pünktlich Feierabend machen konnte. Das nutzte Sage natürlich direkt aus, um mich ins Nachtleben von New York zu lotsen.
Noch etwas verkatert stehe ich auf und wage mich in die Küche, um mir einen Kaffee zu machen.
Sage kommt nach einer Weile ebenfalls die Treppen runter.
"Wie spät ist es?", fragt sie und hält sich die Hände vors Gesicht.
"Es ist elf Uhr", antworte ich und schenke mir eine große Tasse Kaffee ein.
"Du auch?", frage ich sie. Sage nickt nur und setzt sich an den Barhocker.
"Wieviel habe ich getrunken?", fragt sie leise.
"Zu viel", entgegne ich ihr.
Ich stelle ihr ihre Tasse hin und nehme einen großen Schluck aus meiner.
"Was hast du heute vor?", frage ich und erwarte eigentlich keine Antwort.
"Schlafen, schlafen und noch mehr schlafen"
Sage trinkt ihren Kaffee und steht auf.
"Ich geh zurück ins Bett", murmelt sie und läuft langsam die Treppen hoch.Ich hingegen will nicht den ganzen Tag nur im Bett verbringen, sondern etwas sinnvolles tun, soweit ich dazu in der Lage bin.
Nachdem ich eine Aspirin genommen habe, mache ich mich fertig, ziehe eine Jeans, einen Pullover, bequeme Sneaker und einen Regenmantel an und verlasse das Apartment.
Seit ich in New York bin, habe ich noch nicht viel gemacht, was mir Spaß bereitet. Ich bin nur arbeiten, oder feiern.
Stattdessen will ich mir heute endlich mal die Bibliotheken und Restaurants anschauen, die New York zu bieten hat.Ich verlasse die U Bahn und laufe die Treppen hoch nach oben, wo ich direkt vor einem kleinen Café stehe, indem ich mir eine Zimtschnecke und einen Kakao hole. Bei dem regnerischen Herbstwetter passt das perfekt.
Dann schlender ich die Straße runter, wo ich auf einen versteckten Bücherladen stoße.
Im Laden selbst ist es warm und im Hintergrund spielt leise klassische Musik. Obwohl er von außen recht klein wirkte, bietet der Laden zwei Stockwerke voll mit Bücherregalen.
Ich gehe sofort in die Krimi-Ecke. Genauso wie meine Mum liebe ich Krimis.
In Gedanken versunken schaue ich mir die Bücher an, sodass ich erst spät bemerke, was sich neben mir abspielt.
"Entschuldigung, Sir!", ruft eine schrille weibliche Stimme.
"Sind Sie nicht der junge Anwalt? Mr. Wright?"
Ich schaue hinter mich und schrecke zusammen. Genau hier, im selben Bücherladen stehe ich neben meinem Chef.
Er räuspert sich und nickt verlegen.
"Kann ich vielleicht ein Foto mit Ihnen machen?", fragt die Frau und holt bereits ihr Handy raus.
Sie knipst ab, bedankt sich und verschwindet dann wieder.
"Ich dachte Sie sind Anwalt und nicht Filmstar", entfährt es mir und im selben Moment bereue ich es, ihn angesprochen zu haben.
Er will sicherlich seine Ruhe haben, genauso wie ich. Wir wollen beide nur in Ruhe Bücher ansehen, ohne gestört zu werden.
"Ms. Mitchell, was machen Sie denn hier?", fragt er und lächelt. Er hält selbst einen Krimi in der Hand, den ich vor ein paar Jahren gelesen habe.
"Ich wollte mir mal die Stadt anschauen und meiner Begeisterung nach Büchern nachgehen", antworte ich und grinse verlegen.
"Und da sind Sie hier gelandet? Ganz am Rande der Stadt?", fragt er und stellt sich neben mich.
Ich rieche sein Parfum. Es ist derselbe Duft, der auch sein Büro erfüllt.
"Ich kenne mich in der Stadt kaum aus und bin zufällig hierher gekommen", erkläre ich.
"Woher kommen Sie denn?"
Ich bin etwas überrascht über das Interesse, welches er mir entgegenbringt.
"Aus Stowe in Vermont", antworte ich.
"Stimmt, das habe ich in Ihrem Lebenslauf gelesen"
Ich schaue zu ihm hoch, während er den Klappentext des Buches liest, welches er in der Hand hält.
"Für einen Leser hätte ich Sie nicht gehalten", bemerke ich.
Er schmunzelt und schaut mich dann wieder an. Doch der Blick ist anders, als die Blicke, die er mir im Büro zuwirft.
Jetzt gerade lächelt mich ein charmanter Mann an, der gerne liest und Samstage damit verbringt in Bücherläden zu gehen.
Im Büro hingegen ist er der Chef, der Löwe, der über alles herrscht und sich niemals die Stirn bieten lässt.
"So haben wir beide unsere Geheimnisse", entgegnet er mir und geht in Richtung Kasse.
Ich bleibe wie angewurzelt stehen und schaue ihm dabei zu, wie er das Buch kauft.
Dann kommt er wieder auf mich zu und mustert mich, was mich etwas nervös macht.
Eine Sache, die er auch außerhalb des Büros nicht ablegen kann: Seine Dominanz.
Aber ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass sie mich stört.
"Was haben Sie noch vor?", fragt er.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich das gerade richtig gehört habe.
"Ähm, heute?", frage ich nach. Er nickt wobei ihm ein paar Strähnen vor die Stirn fallen.
"Eigentlich nichts", gebe ich zu.
Für ein paar Sekunden, sagt er gar nichts und ich fokussiere mich wieder auf die Bücher.
Er schleicht wie ein Löwe auf Jagd hinter mich.
"Möchten Sie einen Kaffee trinken gehen?", fragt er dann. Ich halte die Luft an und genieße den ruhigen Klang seiner Stimme in meinem Ohr, die mich irgendwie erregt.Wir verlassen den Laden und laufen die Straße runter.
"Sind Sie hier geboren?", frage ich, um ein Gespräch anzufangen.
"Eigentlich komme ich aus Washington, aber als mein Vater und meine Mutter sich trennten, zog ich mit meinem Vater hierher", antwortet er.
"Und dann gründeten Sie Wright Industries?"
Er schaut mich von der Seite an, während wir nach rechts einbiegen.
"Sie wissen wirklich nichts über mich, oder?", fragt er mit einem überraschten Unterton.
"Sollte ich das denn?"
Er schmunzelt leicht und fasst sich ans Kinn.
"Die meisten Leute wissen alles über mich, bevor ich sie überhaupt kenne, weswegen ich angenehm überrascht bin, dass es bei Ihnen nicht so ist"
Ich bleibe stehen, genauso wie er.
"Ich kann mir kaum vorstellen, dass es jemanden gibt, der alles über Sie weiß", antworte ich.
Sage erzählte mir, dass man kaum etwas über ihn in der Presse liest.
"Mittlerweile vielleicht nicht mehr, aber es gab Zeiten, in denen ich..."
Er beendet den Satz nicht und läuft weiter.
Plötzlich klingelt sein Handy.
"Devin Wright", sagt er und hält es sich ans Ohr.
"Mhm, verstehe. Ich bin gleich da."
Er versteckt das Handy wieder in seiner Manteltasche und seufzt.
"Ich muss leider gehen, etwas geschäftliches", sagt er und dreht sich zu mir um.
"Wir sehen uns Montag im Büro"
Bevor ich noch was sagen kann, verschwindet er in den Menschenmengen, die über den Broadway stürmen und weg ist er.Ich grübel immer noch über seinen Satz nach, den ich er nicht beendet hat, während ich nach Hause laufe.
Draußen wird es bereits dunkel und noch kälter als so schon.
Ich holte am Imbiss um die Ecke noch gebratene Nudeln mit Gemüse für Sage und mich und betrete das Haus.
Was für Zeiten gab es in Devin Wrights Leben, dass er sie auf gar keinen Fall an die Öffentlichkeit lassen will? Wenn es jemand weiß, dann Sage.
Sie sitzt zusammengekauert auf der Couch. Die einzige Lichtquelle im Wohnzimmer ist der Fernseher, indem gerade eine Folge von Charmed läuft.
Ich stelle ihr die Tüte mit Essen auf den Couchtisch und lasse mich ebenfalls auf die Couch fallen.
"Wo warst du den ganzen Tag?", fragt Sage und packt ihre Nudeln aus.
"Spazieren mit zwielichtigen Gestalten", scherze ich, obwohl ich mir nicht so sicher bin, ob das wirklich nur ein Scherz ist.
Sage guckt mich fragend an und pickt mit der Plastikgabel ein paar Nudeln mit Sprossen auf.
"Ich habe Devin Wright in einem Bücherladen getroffen und er hat mich auf einen Kaffee eingeladen", erkläre ich. Mir kommt die ganze Geschichte so fern vor, als wäre sie mir gar nicht passiert.
"Ihr wart Kaffee trinken?", fragt Sage ungläubig.
"Nein, dazu ist es nicht gekommen. Er musste wegen etwas Geschäftlichem früher weg, aber eines ist mir noch im Kopf geblieben...", sage ich und esse ebenfalls ein paar Nudeln.
"Er hat von einem früheren Leben gesprochen, also Zeiten, in denen er angeblich ziemlich viel von sich preisgegeben hat. Weißt du was er damit meint?", frage ich.
Sage antwortet nicht mehr und starrt mich nur an.
"Was ist?", frage ich irritiert.
"Ich erinner mich nur gerade an einen Skandal, als..."
"Als was?"
"Ach nichts"
"Sag schon, Sage!", zwinge ich sie. So wortkarg kenne ich sie gar nicht.
"Na schön, sein Ruf als Casanova ist dir ja bereits bekannt"
Ich nicke.
"Es gab mal Insider, die besagten, dass Devin Wright eine Mitarbeiterin aus seiner Anwaltskanzlei geschwängert haben soll und sie dann dazu gezwungen hat das Kind entfernen zu lassen"
Ich reiße die Augen weit auf.
"Er hat eine Frau geschwängert und sie dann zur Abtreibung gezwungen?!", frage ich schockiert.
"Ja, aber es sind alles nur Gerüchte gewesen. Nichts davon wurde je bestätigt. Es fiel nur der Name der Frau"
Sage schaut wieder rüber zum Fernseher.
"Wie hieß sie?"
"Interessiert dich das wirklich?"
"Sonst würde ich doch nicht fragen!"
"Sie hieß Michele."
Wieso habe ich mit einem bekannten Namen gehofft? Hier in New York kenne ich doch niemanden und es gab definitiv eine Zeit vor meiner Ankunft wie sich herausstellt.
"Cassie!"
Sage reißt mich aus den Gedanken.
"Es waren nur Gerüchte", sagt sie und stellt ihre leere Nudelbox auf den Couchtisch.Als ich im Bett liege, denke ich über die Schlagzeilen nach, die angeblich mal Devis Leben belastet haben sollen. Sind es wirklich nur nichtssagende Gerüchte, Tratsch und Lügen? Oder ist er wirklich der Mann, der eine Frau einfach so im Stich gelassen hat?
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My seductive boss | 18+
Romance🔞Kleine Leseprobe (Kapitel 26): "Ich liebe dich." Er sagt es so leise, dass ich es kaum hören kann. Ich schaue überrascht zu ihm. Er hat seine Augen geschlossen und macht den Anschein als würde er schlafen. "Was?", frage ich, um sicher zu gehen. ...