Kapitel 22

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Nach dem ausgiebigen Spaziergang im Schnee, holen Devin und ich uns noch etwas beim Imbiss zu essen.
"Ich weiß nicht, wie lange es her ist, dass ich mir etwas an einem Imbissstand geholt habe", sagt er und spießt seine Pommes auf.
"Dabei ist das Essen so gut!", erwidere ich.
Wir haben uns unter ein Dach gestellt und schauen direkt auf das Meer hinaus.
"Erzähl mir etwas über Trevor. Wie ist er so?"
Devin schaut mich erstaunt an.
"Du willst was über meinen Bruder wissen?"
Ich nicke.
"Okay, also Trevor ist anders als ich. Er ist der totale Familienmensch, weswegen er es nie aus New Jersey rausgeschafft hat. Seine Frau Jenna lernte er am College kennen. Trevor hat Finanzen studiert. Die beiden bekamen vor circa sieben Jahren eine Tochter. Ihr Name ist Emma."
Ich höre Devin gespannt dabei zu wie er über seinen Bruder erzählt.
"Trevor und ich haben früher im selben Verein Fußball gespielt und haben uns nach den Spielen immer gestritten."
Ein Lächeln wandert ihm über seine Lippen. Als er bemerkt, dass ich ihn beobachte, schaut er wieder ernst.
"Was ist?", fragt er verunsichert.
"Naja, dafür, dass du kein Familienmensch bist, sprichst du aber gerne über sie", antworte ich.
Ich bin froh, dass doch etwas hinter Devins harter Schale steckt.
Er räuspert sich und wirft seinen leeren Pappteller in den Mülleimer neben sich.
"Wollen wir wieder ins Hotel? Dir ist bestimmt kalt", schlägt er vor. Ich nicke und wir schlendern zurück zum Hotel.

"Da bist du ja!", ruft Sage als wir den Gang hochlaufen.
"Ja, du hast noch geschlafen, als wir losgegangen sind", antworte ich. Ich habe ehrlich gesagt mit einer Standpauke oder ähnlichem gerechnet, aber Sage strahlt über das ganze Gesicht.
"Was ist denn?", frage ich. Sie zieht mich zu sich.
"Piet hat mir ein Angebot gemacht!", ruft sie aufgeregt.
"Piet? Der geschiedene vierzigjährige?", frage ich irritiert.
"Ja, er will, dass ich Weihnachten bei ihm verbringe. Wie findest du das?"
Ich öffne den Mund, bekomme aber kein Wort raus.
"Keine Sorge, du kriegst trotzdem ein Geschenk von mir!", ergänzt sie und lacht.
"Ähm...du kennst ihn doch kaum. Bist du dir sicher, dass du das willst?", frage ich erstaunt.
"Weil du ja auch die Expertin in dem Gebiet bist", sagt sie leise und wirft Devin einen flüchtigen Blick zu, der etwas abseits von uns steht, aber alles mitbekommt.
"Außerdem kann ich jederzeit wieder zurück nach New York kommen. Es ist ja nicht weit weg!"
Zugegeben, ihre Argumente sind ziemlich gut und sie hat recht: Ich bin die letzte, die ihr in dem Thema was vorschreiben kann.
"Okay, ich freue mich für dich", sage ich. Kurz darauf fällt mir Sage um den Hals und kreischt aufgeregt.
"Ich muss ihm sofort bescheid sagen!", ruft sie und rennt in ihr Zimmer.
Ich schaue Devin mit großen Augen an, bevor ich ebenfalls lachen muss.
"Verrückt...", murmel ich vor mich hin und gehe wieder auf Devin zu, der sich das Lachen ebenso nicht verkneifen kann.
"Wer ist denn Piet?", fragt er irritiert.
"So ein reicher geschiedener Typ, der in einer der Villen, in der Gegend deines Hauses lebt. Es ist eine lange Geschichte", seufze ich.

"Wenn Sage Weihnachten nicht in New York verbringt, wärst du ja ganz alleine zu Hause", sagt Devin.
"Ja."
"Ich hätte da die Idee, dass du Weihnachten bei mir verbringen könntest. Natürlich nur, wenn du möchtest", schlägt er bescheiden vor.
"Bekomme ich dann auch meine eigene Zahnbürste bei dir?", frage ich scherzhaft.
"Du bekommst sogar eine ganze Schublade."
"Wie großzügig."
Wir verfallen in Gelächter, bis Devin sanft mein Gesicht in seine Hände nimmt und seine Lippen auf meine legt.
Dann schaut er mich an, als wäre ich sein Wunder. Sein eigenes persönliches Wunder.
"Du bist so wunderschön", flüstert er mir zu. Ich lächle und lege meine Arme um seinen Oberkörper.

Als wir abends mit dem Auto in der Einfahrt des Hauses parken, packt mich doch auf einmal die Aufregung.
"Keine Sorge, mein Bruder wird dich lieben", sagt Devin, als könnte er meine Gedanken lesen und reicht mir seine Hand, damit ich aussteigen kann.
"Ich habe mir darüber auch überhaupt keine Gedanken gemacht", antworte ich und lache.
Darleen macht uns die Tür auf. Sie strahlt förmlich durch das silberne Pailletten Kleid, welches sie anhat.
"Mum, du siehst fabelhaft aus", bemerkt Devin und umarmt sie.
"Wenn meine beiden Söhne schon mal vereint an meinem Tisch sitzen, muss ich mich doch etwas aufbrezeln", antwortet sie.
"Hallo Cassie, schön dass du da bist", sagt sie und schenkt mir ebenfalls eine Umarmung.
Sie bittet uns rein. Der Tisch ist schon gedeckt und Trevor, seine Frau Jenna und ihre Tochter Emma sitzen auf ihren Stühlen.
"Bruderherz!", ruft Trevor. Er sieht Devin in der Tat sehr ähnlich. Nur ist er komplett glatt rasiert im Gesicht und sieht dadurch jünger aus.
"Schön dich zu sehen", antwortet Devin und umarmt ihn.
"Das ist meine Freundin Cassie", stellt er mich vor. Trevor reicht mir grinsend die Hand.
Nachdem wir uns alle einmal begrüßt haben, nehmen wir Platz und Darleen serviert das köstliche Essen.
"Trinkst du Wein, Cassie?", fragt sie.
"Ja, gerne."
Ich halte ihr mein Glas hin, während sie es mit Weißwein befüllt.
"Also, wie habt ihr euch kennengelernt?", fragt Jenna und schaut uns erwartungsvoll an.
Devin und ich tauschen Blicke aus.
"Ich bin seine Assistentin", antworte ich und nehme einen Schluck von dem Wein.
"Achso, wie Michele damals?", fragt Trevor.
Ich beiße mir auf die Unterlippe, während Devin seinem Bruder einen giftigen Blick schenkt.
"Oh tut mir leid, du wirkst viel sympathischer als Michele, Cassie", entgegnet mir Trevor.
Ich nicke nur und senke den Blick. Wie kann es sein, dass Michele immer noch so viel Einfluss auf Devins Leben hat? Und warum wusste ich nicht, dass er ihr seine Familie vorgestellt hat? Sie waren zwar sechs Monate zusammen, aber er ist doch kein Familienmensch. Andererseits war er damals erst zwanzig. Vielleicht hatte er damals noch mehr Kontakt zu seiner Familie.

Ich picke nachdenklich auf meinem Hühnchen herum und kriege kaum noch etwas vom Tischgespräch mit, bis mein Name fällt.
"Dass erst Cassie in dein Leben kommen musste, damit du deine Familie mal wieder besuchst...", sagt Trevor und schmunzelt.
"Ja, sie hat mich dazu überredet", gibt Devin zu und legt seine Hand auf meinen Oberschenkel.
"Dann muss sie ja was ganz besonderes sein", sagt Jenna und blinzelt mir zu.

Emma ist ein sehr ruhiges Kind, trotzdem kommt sie nach dem Essen auf Devin und mich zu. Wir stehen gerade im Wohnzimmer und Devin zeigt mir alte Kinderfotos, als sie dazwischen kommt.
"Spiel mit mir, Devin!", fordert sie ihn trotzig auf und reicht ihm eine Barbiepuppe.
"Nein, Emma. Es ist schon so spät...", antwortet er.
"Bitte!", fleht sie ihn an. Er wirft mir einen hilflosen Blick zu, geht dann aber zu ihr auf die Knie und widmet sich ihrem Puppenhaus.
"Du auch, Cassie!"
Sie reicht mir ebenfalls eine Barbie.
"Okay, worum geht es Emma?", frage ich neugierig und betrachte ihr Puppenhaus.
"Ken hat Barbie betrogen mit deiner Puppe. Sie heißt Rachel. Und jetzt streiten sie sich", erzählt sie.
"Barbie, es tut mir so leid! Ich wollte Rachel nicht küssen!", ruft Devin theatralisch.
"Warum hast du es dann getan, Ken?", fragt Emma schluchzend.
"Ich weiß es nicht, aber ich liebe nur dich Barbie!"
"Du liebst mich nicht?", frage ich wütend.
"Es tut mir leid Rachel, aber Barbie wird für immer die Frau meines Herzen sein!"
"Du bist so ein..."
Ich stocke und schaue rüber zu Emma, die ein breites Grinsen auf dem Gesicht trägt.
Wieso fällt mir denn kein besseres Wort für Arschloch ein?
"Du bist so ein Klotaucher!"
Klotaucher? Wo kam das denn her.
Devin sieht mich überrascht an und verfällt dann in Gelächter.
"Du musst Ken spielen!", protestiert Emma.
"Okay, okay...Mich trifft es wirklich sehr, dass du mich so bezeichnest, Rachel."
"Das hast du verdient!", brülle ich.
"Barbie, bitte verzeih mir! Ich lade dich auch auf ein Eis ein!"
Emma fängt laut an zu lachen.
"Na gut, Ken. Dann komm jetzt!"

Nachdem wir circa eine halbe Stunde mit Emma Puppen gespielt haben, müssen Trevor und Jenna sich verabschieden.
"Emma muss langsam ins Bett", erklärt Jenna.
"Ich will aber noch mit Onkel Devin und Tante Cassie spielen!"
Mein Herz schmilzt bei diesem Satz. Hat sie mich wirklich Tante Cassie genannt?
Ich streichel ihr reflexartig über ihre braune Mähne und beuge mich zu ihr runter.
"Das werden wir auch bald tun, versprochen!", sage ich. Cassie grinst und nickt. Dann fällt sie mir in die Arme und Devin danach auch.
Als sie weg sind, verabschieden wir uns auch von Darleen.
"Das Essen war wirklich gut, Mum. Danke!", sagt Devin und umarmt seine Mutter.
"Danke, dass ihr da wart. Und entscheide dich richtig, mein Junge", sagt sie leise und schaut ihm tief in die Augen.
Devin nickt und läuft zum Auto vor.
"Ich bin froh, dass du so einen guten Einfluss auf Devin hast", sagt Darleen und greift nach meiner Hand.
"Ich tue mein bestes", antworte ich.
"Du bist die erste Frau, die ihn zu so etwas bewegt hat. Ich bin mir sicher, dass du noch anderes mit ihm erreichen kannst."

Darleens letzte Worte bleiben mir die ganze Autofahrt über im Kopf hängen. Devin kann so gut mit Kindern umgehen. Wie er mit Emma umgegangen ist, hat mein Herz zum schmelzen gebracht. Es besteht vielleicht doch eine kleine Hoffnung, jemals eine große glückliche Familie mit Devin zu gründen.

My seductive boss | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt