Kapitel 14

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Zwei Tage, fünf Anrufe und eine Weinflasche später, weiß ich immer noch nicht, wo er steckt.
Frustriert gieße ich mir den Rest des Weins in mein Glas und schaue auf die Skyline New Yorks.
Ich sollte feiern gehen, mein Leben genießen und stattdessen sitze ich deprimiert in meiner Wohnung und frage mich, ob ich was falsch gemacht habe.
"Männer sind so scheiße!", flucht Sage als sie zur Tür rein kommt. Ihre blonden Haare sind zerzaust und ihr Lippenstift verschmiert.
"Was ist passiert?", frage ich und taumel zu ihr rüber. Sie nimmt mir mein Weinglas weg und ext es runter.
Wehleidig schaue ich ihr dabei zu, wie sie die Tinktur trinkt, die mich die letzten Tage am Leben erhalten hat.
Okay, das ist vielleicht etwas übertrieben.
"Fabio ist so ein verdammtes Arschloch!", ruft sie und stellt das Weinglas auf die Kommode.
"Warum?", frage ich.
Wir laufen in die Küche und ich schaue Sage dabei zu wie sie die Pizza von gestern verdrückt.
"Erst schläft er mit mir und dann sagt er, dass seine Freundin jeden Moment nach Hause kommen könnte!"
Ich runzel die Stirn.
"Er hat eine Freundin?"
Sage nickt übertrieben dramatisch.
"Ja! Und ich wusste es nicht!"
"Okay, das ist wirklich...mir fehlen die Worte", gebe ich von mir und vergrabe mein Gesicht in meinen Händen.
Wenn ich die Augen schließe, wird mir schwindelig. Es war keine besonders gute Idee, sich an einem Mittwochabend zu betrinken.
"Hat sich Devin wenigstens mal gemeldet?", fragt Sage und schaut mich besorgt an.
"Nein, kein Lebenszeichen. Er könnte irgendwo tot im Graben liegen und ich sitze hier und hasse ihn", antworte ich wende mich von ihr ab.
Ich schlurfe rüber zum Fenster und schaue wieder runter auf die befahrene Straße.
"Ja, ich hasse ihn wirklich! Welcher Mann tut sowas?!", frage ich energisch und balle meine Hände zu Fäusten.
"Wie ich schon sagte: Männer sind scheiße!", antwortet Sage und pfeffert den Pizzakarton in den Mülleimer.

Am nächsten Tag wache ich natürlich verkatert auf. Wer hätte es gedacht?
Müde stelle ich mich unter die Dusche und lasse das heiße Wasser auf mich prasseln.
Nachdem ich mich angezogen habe, gehe ich in die Küche, um mir einen Kaffee zu machen. Sage sitzt bereits am Schreibtisch.
"Ich mache heute Homeoffice. So kann ich nicht im Büro auftauchen!", ruft sie mir zu und streckt ihr verheultes aufgequollenes Gesicht in meine Richtung.
"Ich wünschte, dass ich das auch könnte. Mein Chef ist ja so gesehen nicht einmal da", antworte ich und nehme einen Schluck von dem heißen Kaffee.
"Eigentlich sollten wir kündigen, oder?!", fragt Sage und schaut für einen kurzen Moment so, als würde sie es wirklich in Erwägung ziehen.
"Ich habe schon darüber nachgedacht, aber dann müsste ich wahrscheinlich zurück nach Vermont", antworte ich.
Zurück zu meinen Eltern zu ziehen, wäre keine Option.

Auf dem Weg zur Arbeit laufe ich heute einen Umweg. Im Radio kündigten sie eine Klimademo auf der Straße an, die ich immer überquere, um zu Wright Industries zu kommen. Und heute will ich nur ungern in eine kreischende Menschenmasse geraten.
Ich vergrabe mein Gesicht in meinen Schal als mir auffällt, dass mir die Umgebung erschreckend bekannt vorkommt. Ich bin eigentlich nie in dieser Gegend New Yorks unterwegs, aber ich scheine schon mal hier gewesen zu sein.
Ich bleibe mitten auf dem Bürgersteig stehen und schaue recht das Haus hoch. Es ist ein Wolkenkratzer wie jeder andere.
Und plötzlich fällt mir ein, was ich mit diesem Ort verbinde.
Hier, genau in dem Haus wohnt Devin.

Ich bleibe wie angewurzelt stehen und betrachte das Haus. Dann schaue ich rüber zum Hauseingang, wo gerade ein älteres Ehepaar die Tür aufmacht, die man nur von außen öffnen kann, wenn man einen Schlüssel hat.
Ohne lange nachzudenken stürme ich ihnen hinterher und schaffe es gerade noch so hinein.
"Schlüssel vergessen", antworte ich leise auf den fragenden Blick des Mannes und lache verlegen.
Dann schiebe ich mich an ihnen vorbei zum Fahrstuhl, der direkt kommt.
Was tue ich denn hier? Ich werde eh nur vor einer verschlossenen Tür stehen.

Die Fahrstuhltüren öffnen sich und ich laufe den Gang runter bis zu seiner Wohnungstür.
"Das ist so dumm", murmel ich und betrachte den goldenen Türknauf.
Ich drehe mich um, will wieder gehen, aber wahrscheinlich würde ich mir heute Abend dafür in den Arsch beißen, dass ich es nicht versucht habe.
Also wende ich mich wieder der Tür zu und lege meine Hand zaghaft auf den Türknauf.
Ich rüttel an ihm als die Tür plötzlich aufspringt.
Überrascht löse ich die Hand vom Türknauf und wage einen Blick in die Wohnung. Wieso war die Tür nicht abgeschlossen?
Es ist still, der Duft von seinem Parfum hängt in der Luft. Langsam betrete ich das Apartment und schaue mich um.
Ich kann nicht sagen, dass es verlassen wirkt, denn die Einrichtung ist so oder so recht minimalistisch.
Plötzlich höre ich eine leise Stimme aus dem Schlafzimmer. Ich schleiche mich an die Tür und schaue durch den Spalt ins Zimmer hinein.
Er ist es. Er ist hier.
Mein Puls rast und mein Herz klopft so laut, dass ich Angst habe, dass er es hört. Mir wird warm, Schweiß bildet sich auf meiner Stirn.
Er scheint zu telefonieren.
"Ich bin gerade wieder in New York zurück und muss noch einiges klären, okay?"
Ich ziehe die Augenbrauen hoch.
Er war weg, ohne mir ein Wörtchen darüber zu erzählen. Einfach so.
"Ja, es geht um meinen Vater und diesen dummen Vertrag. Nur leider kann ich ihn ja nicht fragen, denn er ist tot!", ruft er wütend.
Ich zucke zusammen und trete von der Tür weg.
Ich sollte verschwinden. Auf der Stelle. Aber meine Beine rühren sich nicht weiter.
"Ich werde diesem Mr. James nicht geben, was er will. Wright Industries gehört mir! Und jetzt entschuldige mich, ich muss dringend jemanden anrufen und..."
Die Tür öffnet sich hinter mir und ich kneife die Augen zusammen.
Er verstummt.
Langsam drehe ich mich zu ihm um und schaue in sein entsetztes Gesicht. Er muss mich für verrückt halten. Ich bin bei ihm eingebrochen.
"Ich muss auflegen", sagt er leise und steckt das Handy in seine Hosentasche.
Plötzlich fühle ich mich so als wäre ich einfach für drei Tage verschwunden und hätte ihn zurückgelassen.
Ich sacke in mich zusammen und senke beschämt den Kopf.
"Was machst du hier, Cassie?"
Seine Stimme klingt rau und tief, als wäre er gerade erst aufgestanden.
"Ich habe mir Sorgen um dich gemacht! Wo warst du?!", frage ich hysterisch. Meine Beine setzen sich wieder in Bewegung und ich eile in Richtung Haustür.
"Cassie, ich wollte dich gerade anrufen! Ich war für ein paar Tage weg, weil ich einen klaren Kopf brauchte und..."
Ich bleibe kurz vor der Tür stehen und drehe mich zu ihm um.
"Was und? Wir hatten eine Abmachung, Devin! Wieso erzählst du mir nicht, wenn du einfach so die Stadt verlässt?", frage ich aufgebracht.
Mein Kopf glüht vor Wut. Ich will einfach nur raus an die frische Luft, aber er lässt mich nicht gehen.
Devin stellt sich direkt vor mich und schlägt die Tür zu.
"Ich will dich nur schützen! Du solltest nichts mit der Sache zutun haben!", ruft er. Ich zucke bei dem lauten aggressiven Klang seiner Stimme zusammen.
"Wovor?!"
Er verstummt und seufzt.
"Geht es um den Vertrag von diesem Mr. James?", frage ich leise.
"Ich habe das Gespräch mitgehört", ergänze ich.
Devin läuft an mir vorbei ins Wohnzimmer und schenkt sich ein Glas Whiskey ein.
"Ist das nicht etwas früh dafür?", frage ich und verdrehe die Augen.
"Ich bin seit 16 Stunden wach", erwidert er und nippt an dem Glas.
"Okay, erzählst du mir jetzt, was du mir die ganze Zeit verheimlichst?"
Ich setze mich auf das Sofa und lege den dicken Wollschal ab.
"Du solltest wirklich gehen, Cassie. Ich will dich da raushalten", sagt er und zeigt auf die Tür.
Wütend stehe ich auf und stelle mich direkt vor ihn.
"Ich werde nicht gehen! Wir sind in einer Beziehung, Devin! Du kannst mir doch vertrauen!"
Er starrt mich an, aber gibt keinen Ton von sich.
"Wenn ich jetzt gehe, wirst du mich für immer verlieren. Willst du das?"
Ich verziehe das Gesicht und kneife die Lippen aufeinander.
Behutsam legt er seinen Arm um mich und zieht mich an sich ran.
"Ich will dich nicht verlieren. Ich will dich einfach nur aus dieser Geschichte raushalten", sagt er leise und nimmt noch einen Schluck aus seinem Glas.

Ich löse mich von ihm und greife nach meinem Schal.
"Entweder du nimmst mich komplett, oder gar nicht. Nur die Hälfte von mir gibt es nicht", sage ich und gehe zur Tür.
Da er mich nicht aufhält, steige ich in den Fahrstuhl und fahre nach unten.
Was ist so schlimm, dass er es mir nicht sagen kann?
Nachdenklich öffne ich die Tür und trete hinaus in die Kälte. Ich bin viel zu spät dran und eile die Straße runter als ich plötzlich hinter mir meinen Namen rufen höre.

Devin kommt auf mich zu.
"Geh bitte nicht, Cassie!"
Erleichtert atme ich aus und kann mir ein Lächeln nicht verkneifen.
"Ich will dich. Ich will dich komplett", sagt er und zieht mich an sich. Ich lege meinen Kopf an seine Brust und höre sein Herz schlagen.
"Bitte erzähl mir alles, Devin", fordere ich ihn auf. Er nimmt mein Gesicht in seine Hände und lässt mich in seine blauen Augen starren.
Dann nickt er, greift nach meiner Hand und wir laufen zurück zu dem Haus, indem er wohnt.

My seductive boss | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt