Kapitel 34

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Sobald meine Worte verklungen waren, stellte der König  seinen Weinkelch weg. Seine Augen hatten sich minimal verengt. "Und was lässt dich glauben", begann er langsam zu sprechen, "dass dein Wunsch jemals wahr werden kann? Das was du verlangst, auch nach dir verlangt?" Wortlos hob ich meine linke Hand, an dessen Ringfinger der Verlobungsring steckte. "Das. Und weil ich weiß, dass er mich liebt und ich ihn liebe." Einige Sekunden starrte der König mich mit seiner emotionslosen Maske an. Dann hob er die Hand und schickte die Wachen, welche die ganze Zeit hinter mir gestanden hatten, weg. Ich traute mich fast nicht zu atmen, denn ich konnte nicht sagen, was Thranduil jetzt von mir dachte oder was er tun würde. Die Tür des Thronsaals fiel hinter mir ins Schloss und mit dem dumpfen Klang legte der König seine undurchdringliche Maske ab und lehnte sich zurück. "Ich akzeptiere deinen Wunsch." Keine zwei Sekunden später trat Legolas hinter dem Thron hervor. All meine Anspannung fiel von mir ab, als ich das Lächeln auf seinem Gesicht entdeckte.

Und ehe ich mich versah, lagen seine Lippen auf meinen. Ich konnte seine Erleichterung darüber, dass sein Vater uns akzeptierte förmlich spüren, als er sich von mir trennte und in meine Augen blickte. Auf meinen Lippen lag ein glückliches Lächeln. Thranduil hatte unsere Verbindung tatsächlich akzeptiert! Legolas verschränkte seine Hand mit meiner und drehte sich zu seinem Vater um. Dieser bedachte seinen Sohn mit einem kleinen Lächeln und ich war mir nicht sicher, ob ich den König jemals lächelnd gesehen hatte. "Ihr solltet euch beide ausruhen. Die Reise war sicherlich anstrengend", meinte Thranduil und Legolas nickte ihm einmal kurz zu, bevor er mich sanft aus dem Thronsaal zog. Sobald sich die Tore geschlossen hatten, fiel ich Legolas um den Hals und drückte ihm einen Kuss auf die Wange, bevor ich meinen Kopf auf seiner Schulter ablegte und ihn einfach nur umarmte. "Wofür war das denn?", fragte Legolas schmunzelnd und legte ebenfalls seine Arme um mich. "Brauche ich einen Grund, um meinen Verlobten zu umarmen oder ihn zu küssen?", entgegnete ich grinsend und löste mich von ihm.

Mein Verlobter schüttelte den Kopf und begann zu lächeln. "Komm. Gehen wir zu den anderen", schlug Legolas vor. Zusammen liefen wir Hand in Hand durch die Gänge. Ohne Worte hatten wir beschlossen, dass wir unsere Beziehung öffentlich zeigen würden. Wir wollten uns beiden nicht mehr verstecken. In meinem Hinterkopf spukte der Gedanke an die aus dem nichts gekommene Stimme und ihre Warnung herum, doch ich schob ihn weg. Heute wollte ich mich darum nicht mehr sorgen. Bei den Gästegemächern trafen wir auf unsere Gefährten. Sie hatten ihre Sachen bereits in die Zimmer gebracht. Mir fiel auf, dass Gandalf nicht hier war. "Wo ist Gandalf?", fragte Legolas. Ihm war seine Abwesenheit wohl auch aufgefallen. "Er hat gemeint, dass er eine Botschaft bekommen hätte", erzählte Frodo und schon dann zögerlich hinterher: "Könnt ihr uns den Düsterwald zeigen? Bilbo hat mir immer erzählt, er wäre ganz wundersam gewesen." Ich sah zu Legolas, der erst den Kopf schief legte und dann lächelnd nickte. So machten wir uns auf den Weg zum Haupttor.

Man hätte meinen können, dass wir alle von der Reise erschöpft waren, doch irgendwie gab es mir neue Kraft, wieder zu Hause zu sein. Die Wachen vor dem Tor neigten kurz ihre Köpfe, als der Prinz an ihnen vorbei ging, doch nahmen dann wieder ihre steife Haltung ein. Wir liefen den etwas breiteren Weg in den Wald hinein und Legolas ging neben mir, seine Hand mit meiner verschränkt. Während wir im Stillen durch den Wald spazierten, bemerkte ich, wie nun erst wirklich die Anspannung von mir abfiel und ich mich so unbeschwert fühlte wie schon lange nicht mehr. Legolas und ich zeigten unseren Freunden den Wald und die Orte, an die wir beide manchmal gegangen waren, bevor wir die Reise angetreten hatten, die unser Leben verändert hatte. Für mich fühlte es sich so an, als würde ich den Wald heute aus anderen Augen sehen. Es war nicht so, als würde ich den Wald heute zum ersten Mal sehen, mehr, als hätte ich all die Jahre nicht richtig hingesehen und als würden mir erst jetzt viele Dinge auffallen, die mir davor verborgen gewesen waren.

Es war ein befreiendes Gefühl, normalen Tätigkeiten nachzugehen, wie etwa der Spaziergang im Wald, ohne sich dauerhaft zu allen Seiten umsehen zu müssen, weil man einen Angriff oder etwas anderes erwartete. Mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen kehrten wir schließlich ins Schloss zurück. Wir hatten beschlossen, dass wir heute nur etwas Kleines in Legolas Gemächern essen würden und uns nicht in den großen Essensaal setzten würden. Es hatte sich schon herum gesprochen, dass der Prinz zurück war und wir alle wollten Legolas die Möglichkeit geben, einen Abend noch Teil der Gefährten zu sein, bevor er am nächsten Tag wieder der Prinz des Düsterwaldes sein würde. Auch ich wollte mir die Möglichkeit geben, noch einen Abend einfach nur Auriel sein zu können. Denn ich war mir zu hundert Prozent sicher, dass ich ab morgen oder übermorgen nur noch als Legolas' Verlobte oder seine Geliebte bekannt sein würde. Die Wachen, die während, Thranduils und meinem Gespräch im Thronsaal gewesen waren, würden nicht über das schweigen, was sie gehört hatten und alle, die Legolas' und meine verschränkten Hände gesehen hatten, sicherlich auch nicht.

Als unsere Gefährten an diesem späten Abend Legolas Gemächer verließen und ich mich für die Nacht fertig machte, kam das Ziehen an meinen Händen wieder. Doch diesmal war es stärker und ich stolperte im Bad einige Schritte nach vorne, sodass ich mit meine Hüfte an das Waschbecken stieß. Ein kleiner Schmerzensfluch entfloh meinen Lippen und ich hielt mir mit einer Hand meine schmerzende Hüfte, während ich die andere betrachtete. Woher bei den Valar kam dieses Ziehen? Und was sollte das überhaupt? Legolas musste wohl meinen Krach im Bad gehört haben, denn er kam herein und musterte mich mit zusammengezogenen Brauen. "Auriel, was ist mit dir los?", wollte er besorgt wissen und ich wusste, dass ich es dieses Mal nicht auf die Nervosität schieben konnte. Ich seufzte und strich mir die Haare aus dem Gesicht. Wahrscheinlich wäre es besser, ihm hier und jetzt die Wahrheit zu sagen. "Ich hatte auf unserer Heimreise eine Vision."

"Wieso hast du nichts gesagt?", erkundigte er sich und kam einige Schritte auf mich zu. "Ich wollte dich nicht beunruhigen", erklärte ich leise. "Wir waren auf der Heimreise und du hattest sicherlich schon andere Sorgen." "Und doch habe ich das Gefühl, dass du mir besser schon früher davon erzählt hättest", erwiderte Legolas und geleitete mich sanft zu dem großen Himmelbett, welches in seinem Schlafgemach stand. Ich setzte mich auf die Matratze, die unter meinem Gewicht sofort ein Stück einsank. Legolas setzte sich neben mich und wartete geduldig darauf, dass ich anfing zu reden. "In meiner Vision habe ich einen kahlen Raum gesehen, ohne Fenster und Fackeln", begann ich mich zu erinnern. "Es war trotzdem nicht ganz dunkel, denn in der Mitte des Raumes befand sich ein Sockel aus Obsidian, auf dem eine Glaskugel geruht hat, die schwach geleuchtet hat."

Erst jetzt, wo ich mich nochmal daran zurückerinnerte fielen mir in dem Bild viele kleine Sachen auf, die ich Gandalf nicht erzählt hatte. Wahrscheinlich war ich zu sehr abgelenkt gewesen von dem großen ganzen, als das ich mich auf die Einzelheiten hätte konzentrieren können. "Es war eine Gestalt mit einem Mantel im Raum. Die Gestalt war definitiv männlich, aber ich konnte nie das Gesicht sehen. Und dann hat er etwas gesagt, über etwas, das bald sein sein wird." Ich beschrieb noch was er gesagt hatte, wie die alte Frau in den Raum gekommen war und etwas gesagt hatte. Außerdem erzählte ich ihm auch von meinen Gedankengängen, die ich Gandalf nicht anvertraut hatte, von Adriel und meiner Flucht. Als ich geendet hatte, legte Legolas den Kopf schief. "Du hättest es mir erzählen können", beteuerte er und nahm meine Hand. "Du musst da nicht alleine durch." Ich lächelte ihn an. "Ich weiß... und da ist vielleicht noch etwas, das ich dir erzählen muss."

Und so erzählte ich Legolas von dem Ziehen in meinen Händen, von dem ich weder wusste, woher es kam, noch was es bedeutete. "Um ehrlich zu sein, macht es mir auch etwas Angst, weil mich das Gefühl nicht loslässt, dass... das alles mit meiner Vision zu tun hat", endete ich leise, während ich auf meine Hände hinab sah. Legolas seufzte. "Und das hast du alles einfach mit dir herum getragen?" Ich nickte. "Bitte versprich mir, dass du sowas in Zukunft nicht mehr machst, in Ordnung? Auch wenn ich in deinen Augen schon andere Sorgen habe oder du denkst, dass es zu viel für mich ist. Ich will nicht, dass du alles alleine durchmachst und in dich hineinfrisst." Ich atmete tief aus und sah ihn an. Legolas blickte erwartungsvoll zurück. "Ich verspreche es", murmelte ich schließlich. "Gut." Er lächelte mich an und zog mich in eine wärmende Umarmung. "Lass uns schlafen gehen", schlug Legolas vor. "Über die ganzen Sachen können wir uns auch noch morgen Gedanken machen, wenn wir wieder neue Kraft geschöpft haben."

𝙳𝚒𝚎 𝙼𝚊𝚌𝚑𝚝 𝚍𝚎𝚛 𝚃𝚛ä𝚞𝚖𝚎 - 𝙻𝚎𝚐𝚘𝚕𝚊𝚜 𝚏𝚏Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt