Kapitel 39

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Ich konnte meinen Körper wieder bewegen, sobald Silan auf dem Boden aufkam. Beinahe fiel ich, wegen der plötzlich widerkehrenden Kontrolle, fing mich aber augenblicklich wieder und tat das Einzige, was in meinen Augen richtig war - ich ergriff die Flucht. So schnell mich meine Beine tragen konnten rannte ich durch die Bäume, weg von der Lichtung und hin zum Palast. Doch schon nachdem ich die ersten Schritte getan hatte, ertönte ein Schrei und das Schlagen von Flügeln. Ich drehte mich nicht um. Ich ignorierte die spitzen Gegenstände, die mir in die Füße stachen und stürzte einfach nur vorwärts. Plötzlich wurde ich abrupt zurückgezogen und landete unsanft auf dem Rücken. Ich stöhnte und rappelte mich direkt wieder auf, um weiter zu rennen, doch ich konnte nicht mehr. Erneut war mein Körper gelähmt und ich konnte den Grund dafür hinter mir spüren, konnte spüren wie sich seine Augen in meinen Rücken bohrten. 

"Du kannst nicht vor mir weglaufen, Auriel. Deine Kräfte fließen bereits in mich über und sie mögen es nicht, weit von ihrem zukünftigen Herren entfernt zu sein." Wie lähmte Silan mich? Wie sorgte er dafür, dass ich mich nicht bewegen konnte? "Deine kleine Eule regt sich übrigens nicht mehr. Ihr kläglicher Versuch, dein Leben zu retten, ist wohl gescheitert." Meine kleine Eule... Leo. Nein. Nein, das durfte nicht wahr sein, sie durfte nicht... sie durfte nicht Tot sein. Eine unbändige Wut auf Silan machte sich in meinem Körper breit, als ich vollends realisierte, was er getan hatte. Er hatte Leo getötet. Er hatte sie einfach getötet. Die Wut pulsierte durch meine Venen, brannte sich durch jeden Teil meines Körpers. Und plötzlich erinnerte ich mich wieder an meine Waffe, dich ich im Traum zurückgelassen hatte. Eine Waffe, mit der ich Rache üben könnte. Rache an Silan. 

Ich schloss wie von alleine meine Augen und konzentrierte mich auf die Lichtung, bis weiße Punkte vor meinen Augen tanzten und ich plötzlich den Griff meines Schwertes in meiner Hand spürte. Mit all meiner Gedankenkraft befahl ich der Klinge in meiner Hand zu bleiben und riss mich von der Lichtung vor meinem inneren Auge los. Mein Herz schlug schneller und als ich meine Augen öffnete, konnte ich mich umdrehen und mit erhobenem Schwert auf Silan losgehen, als hätte er mir nie die Freiheit nehmen können, mich zu bewegen. Mein überraschender Angriff traf den Elben unvorbereitet, doch trotzdem war er nicht überraschend genug gewesen. Silan konnte sich gerade noch zur Seite drehen, sodass meine Klinge nur seinen Oberarm erwischte und einen tiefen Schnitt hinterließ, aus dem augenblicklich dunkelrotes Blut quoll. 

Ich verschwendete keine Zeit damit, mich über meinen kleinen Sieg zu freuen, sondern konzentrierte mich vollends auf den Elben, der die einzige, die meine Kräfte wirklich verstanden und mit der ich über alles hatte reden können, getötet hatte, als wäre sie eine lästige Fliege. Silan hatte bereits sein Schwert gezogen und zum Gegenangriff angesetzt. Sein Schwert schnitt durch die Dunkelheit, die unter den Bäumen herrschte und kam blitzschnell auf mich zu. Ich blockte seinen kräftigen Schlag mit meinem Schwert und wartete nicht, um meinerseits einen weiteren Schlag auszuführen. Mein Atem ging schnell, meine Füße schmerzten mittlerweile von den spitzen Ästen auf dem Boden, aber ich blendete all das aus. Ich wusste, ich konnte Silan besiegen. Das dachte ich zumindest für einen kurzen Augenblick. Ein mächtigeres Ziehen als zuvor durchfuhr meinen Körper und ließ mich unwillentlich einen Schritt auf den hochgewachsenen Elben zugehen. 

Sein Hieb, der mich eigentlich nicht getroffen hätte, hinterließ einen scharfen Schnitt an meiner Hüfte und ließ mich schmerzerfüllt aufkeuchen. Während meine Wunde mir Tränen in die Augen trieb, zeigte Silan keine Regung, wenn er seinen verletzten Arm bewegte, wie jetzt, als er einen weiteren Schlag ausführte, den ich nur mit aller größter Anstrengung abwehren konnte. Ich entfernte mich etwas von ihm, wurde aber nach nur wenige Minuten, in denen wir erbarmungslos miteinander gekämpft hatte, erneut zu ihm gezogen, als wäre er ein magisches Relikt, das alle Magie anzog. Und das war er in dem Fall auch. Meine Kraft, meine Gabe, wollte mich verlassen, wollte zu ihm. Ich wehrte einen weiteren Schlag von Silan ab und entfernte mich wieder von ihm. Dieses Verlangen, nah bei ihm zu sein, was mich langsam aber sicher befallen hatte, seit ich ihn auf der Lichtung gesehen hatte, ekelte mich an. Ich wollte alles andere, als nah bei ihm zu sein, doch paradoxerweise wollte mein Kopf es zur selben Zeit doch. Es lenkte mich ab und zusätzlich zu meiner Kraft, schwand meine Konzentration, was nicht zuletzt an der Wunde liegen könnte, die mir bei jeder Bewegung einen stechenden Schmerz durch den Körper jagte. Lange würde ich nicht mehr durchhalten, das wusste ich. 

𝙳𝚒𝚎 𝙼𝚊𝚌𝚑𝚝 𝚍𝚎𝚛 𝚃𝚛ä𝚞𝚖𝚎 - 𝙻𝚎𝚐𝚘𝚕𝚊𝚜 𝚏𝚏Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt