POV. Auriel
Summend lief ich zwischen den Bäumen hindurch, in denen Eichhörnchen spielten und Vögel zwitscherten. Die hellgrünen Blätter wiegten sich leicht im Wind, der durch die obersten Äste rauschte und nur wenige Stellen auf dem Waldboden wurden von der strahlenden Sonne erreicht, die durch das Geäst schien und die Luft erwärmte. Nach Legolas und meiner Hochzeit war der Düsterwald wieder aufgeblüht und man nannte ihn wieder Grünwald. Thranduil hatte den Thron an Legolas übergeben und ich war nun Königin, was sich selbst jetzt, zehn Jahre später, noch komisch anfühlte. Doch ich liebte meine neue Rolle im Grünwald und das Volk hatte mich akzeptiert, wenn auch erst nach einiger Zeit.
Ich atmete den frischen Duft der Blumen ein, die ich in den Händen hielt und begann zu lächeln, als ich an die Zeit dachte, die ich seit einigen Monaten mit Legolas im Garten verbrachte. Wir hatten uns ein kleines Haus außerhalb des Palastes, aber innerhalb der Mauern bauen lassen und pflanzten nun alle möglichen Sachen dort im Garten an, wie auch die bunten Blumen in meinen Händen. Manchmal begleitete er mich auf meinen Spaziergängen durch den Wald, aber heute wollte ich alleine gehen, wie jedes Jahr an diesem Tag. Als ich die Lichtung betrat, auf der vor genau zehn Jahren so viel geschehen war, fiel mein Blick wie immer zuerst auf den noch kleinen Baum, in ihrer Mitte. Ich hatte ihn einige Tage nachdem Leo hier in der Nähe gestorben war gepflanzt. Im Halbschatten darunter, befand sich ein schwarzer Grabstein aus Marmor, der die Form einer kleinen Eule hatte.
Gimli hatte ihn auf meinen Wunsch hin gefertigt und sogar, auch wenn ich gar nicht danach gefragt hatte, kleine, rund geschliffene Amethyste als Augen eingesetzt. Ich kniete mich vor Leos Grab und ordnete die Blumen behutsam auf der Erde vor dem Grabstein an. Die in der leicht verdeckten Sonne funkelnden Steine schienen mich anzusehen und beobachteten jede meiner Bewegungen. Fast so, als würde Leo mir zusehen. Vorsichtig strich ich mit den Fingerspitzen über die marmornen Federn und stellte mir vor, dass meine kleine Freundin wirklich vor mir sitzen würde. "Weißt du, Leo, manchmal ist das Leben schon merkwürdig", murmelte ich. "Vor zehn Jahren hatte ich nicht gedacht, irgendwann dieselbe Liebe zu spüren, die meine Eltern geteilt haben. Aber jetzt... jetzt habe ich Legolas und bald bekommen wir schon unser erstes Kind." Ich lächelte und legte fast automatisch die Hand auf meinen leicht gewölbten Bauch.
"Die Heiler meinen, es wird eine sie. Legolas und ich haben uns überlegt, sie nach dir zu benennen. Aber vielleicht benennen wir sie auch nach Legolas' Mutter. Wer weiß?" Gedankenverloren wanderte meine andere Hand an meinen Hals, wo die Kette von Galadriel hing. Legolas hatte sie reparieren lassen und eine kleine, weiche Feder von Leo, anstelle des magischen Staubs, in den Anhänger gelegt. Einen kleinen Teil meiner Freundin trug ich also immer mit mir und ich war Legolas mit Tränen in den Augen um den Hals gefallen, als er sie mir zu unserer Hochzeit geschenkt hatte. Schon davor hatte sie einen hohen Wert für mich gehabt, aber jetzt war sie unbezahlbar geworden. "Denkst du, ich werde eine gute Mutter sein?" Meine Finger umschlossen den Anhänger der Kette. "Ich habe keinerlei Erfahrung. Was, wenn ich irgendetwas falsch mache und dem Kind etwas passiert?" Ich hatte das Gefühl, die kleinen Amethystaugen der Eule würden aufblitzen und dann glaubte ich, ganz leise Leos Stimme in meinem Kopf zu hören. Mach dir nicht so viele Gedanken. Du wirst ganz gewiss eine tolle Mutter sein.
Ich atmete tief durch und nickte dann. "Vielleicht hast du Recht." Ich wusste nicht, ob ich wirklich Leos Stimme hörte, wenn ich hier war, doch ich wünschte es mir so sehr, dass ich einfach so tat, als wäre es so. "Legolas ist ja an meiner Seite und Thranduil hat sicherlich auch Rat, wenn wir nicht mehr weiter wissen", murmelte ich. Meine Beziehung zum König hatte sich über die Jahre sichtlich verbessert und auch Legolas war seinem Vater wieder näher gekommen. Der kalte, unnahbare König war wieder aufgetaut und auch wenn Legolas und ich jetzt regierten, merkte man es deutlich. Er lächelte mehr, ging unter das Volk. Das waren Dinge, die er vorher nicht gemacht hatte. Die Zeit des Krieges hatte uns alle verändert. Er war schrecklich gewesen, Krieg war immer schrecklich, doch die Veränderung, die durch ihn hervorgerufen wurden, war dennoch manchmal positiv und kam den Beteiligten zugute.
Ich saß noch länger an Leos Grab und sah gedankenverloren vor mich hin, während ich in den Erinnerungen schwamm, die ich mit Leo teilte. Dass die Sonne schon tief gesunken war bemerkte ich erst, als sich eine warme Hand sanft auf meine Schulter legte und ich aus meinen Erinnerungen auftauchte. Legolas setzte sich stumm neben mich. Ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter und schloss meine Augen. "Wie ist es gelaufen?", wollte ich nach einigen Minuten der Stille leise wissen. "Erstaunlich gut", antwortete Legolas und fing an, mit meinen Haaren zu spielen. "Die jungen Elben haben sich schnell eingefunden und wir haben einige Briefe von Dörfern erhalten, aus denen noch weitere kommen wollen." Ich begann zu lächeln.
Vor etwa einem Jahr hatten Legolas und ich damit begonnen, Elben aus ganz Mittelerde, die bis dahin unter Menschen oder in ehemaligen Elbenterritorien gewohnt hatten, in den Grünwald einzuladen, damit sie unter Gleichgesinnten leben konnten. Nachdem Galadriel mit ihrem Mann Celeborn, Elrond, Gandalf, Bilbo, Frodo und vielen anderen Elben nach Valior gesegelt war, hatten die jüngeren Elben, die Mittelerde noch nicht verlassen wollten, unter Menschen gelebt und als einige Elben auf eigene Faust zu uns gekommen waren und gebeten hatten, in unserem Königreich leben zu dürfen, hatten wir uns entschieden, eine Einladung zu senden, die alle Elben einlud, im Grünwald zu wohnen.
"Das ist schön. Haben die Hobbits und Aragorn unsere Einladung für die Feier angenommen?" "Die Hobbits haben es bereits und ich bin mir sicher, Aragorn wird mit Arwen ebenfalls kommen", bestätigte Legolas. "Und dann können wir endlich dem ganzen Königreich verkünden, dass es bald eine kleine Prinzessin im Grünwald geben wird." Ich öffnete die Augen und bemerkte, dass mich Legolas mit liebevollem Blick ansah. Nachdem ich ihm einen kleinen Kuss auf die Lippen gedrückt hatte, fragte ich: "Hat Gimli schon gesagt, wann er kommt? Oder besser gesagt, mit wem?" Seit einiger Zeit verriet er nämlich in seinen regelmäßigen Briefen, dass er immer mehr Zeit mit einer Zwergin verbrachte, doch er wollte uns partout nicht sagen, wer sie war. Legolas lachte und schüttelte den Kopf. "Nein. Über das Thema, schweigt er immer noch wie ein Grab. Aber Sam hat gesagt, dass er mit Rosie und ihrer kleinen Tochter kommt."
Auf Sams Hochzeit waren wir kurz nach unserer eigenen gewesen. Er hatte eine wunderschöne und nette Hobbitdame geheiratet und vor zwei Jahren hatten sie ihre Tochter Elanor bekommen. Ich freute mich schon, die Kleine wieder zu sehen. Vielleicht hatten Rosie und Sam einige Ratschläge für Legolas' und meine kommende Elternschaft. "Das ist schön", murmelte ich und kuschelte mich etwas mehr an meinen Mann. "Aber es ist schade, dass Gandalf und Frodo nicht mehr hier sind und mit uns feiern können." "Das stimmt. Aber die Hauptsache ist doch, dass wir alle nach den Schrecken, die wir erlebt haben, glücklich sein können, wenn wir es auch nicht beisammen tun. Und ich bin mir sicher, dass Frodo und Gandalf in Valinor glücklich sind." Ich nickte leise und lächelte. Legolas hatte Recht. Und ich konnte mit Sicherheit sagen, dass ich glücklich war und mit Hoffnung und Zuversicht in meine Zukunft blickte. In eine wunderschöne Zukunft, mit unserem Volk, unseren Freunden, mit Legolas und mit unserer Tochter.
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𝙳𝚒𝚎 𝙼𝚊𝚌𝚑𝚝 𝚍𝚎𝚛 𝚃𝚛ä𝚞𝚖𝚎 - 𝙻𝚎𝚐𝚘𝚕𝚊𝚜 𝚏𝚏
FanfictionTraumwandler - schon seit Jahrtausenden leben sie unter den Bewohnern Mittelerdes. Sie besitzen eine besondere Gabe, die sie einsetzten sollen, um zu helfen und Gutes zu tun. Auriel, eine Elbin in Thranduils Königreich, weiß nichts von all dem. Sie...