Kapitel 38

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Fassungslos starrte ich den Mann an, der mit mir aus Minas Morgul geflüchtet war. "Hallo Auriel. Tut mir Leid, dass ich einfach so verschwunden bin, aber ich konnte nicht anders. Du wirst noch verstehen warum", begrüßte er mich, als wären wir beste Freunde, die sich seit langem nicht mehr gesehen hatten. Ich wollte ihn fragen, was er hier machte, wieso er mich auf diese Lichtung gelockt hatte - denn das war zweifellos er gewesen -, aber kein Ton kam aus meinem Mund. Das Kribbeln in meinem Körper hatte mich gelähmt und ich konnte nichts weiter tun, als auf der Stelle zu stehen und ihm mit meinen Augen tausende Fragen auf einmal zu stellen. "Ich weiß, du hast wahrscheinlich einige Fragen... und ich werde mal so großzügig sein und sie beantworten."

Was war hier los? Adriel schieß plötzlich ein ganz neuer Mensch zu sein und ich war mir sicher, dass mir der Neue nicht gefiel. Er war unvorhersehbar und verströmte eine Aura, die Brutalität und Zielstrebigkeit signalisierte. Adriels Blick glitt über meinen Körper und es schüttelte mich, als mir bewusst wurde, wie viel von mir das Nachthemd preis gab, das ich trug. Und er sah es alles, schien sich daran satt zu kucken, sodass ich mich übergeben wollte. Ich fühlte mich entblößt und würde mich am liebsten vor Adriel verstecken, doch das ging nicht. Der hochgewachsene Elb lief wie eine Raubkatze auf mich zu und blieb schließlich kurz vor mir stehen. Vorher hatte ich es noch nicht richtig war genommen, doch jetzt bemerkte ich den leichten Geruch von Rauch, Feuer und Blut, der ihm anhaftete. Der Geruch drehte mir den Magen um.

"Also... welche deiner Fragen soll ich dir zuerst beantworten?" Ich schluckte und versuchte etwas zu sagen, aber immer noch wollten keine Worte aus meinem Mund kommen. Entweder wusste Adriel, dass ich nicht sprechen konnte und nutzte es aus, oder er wusste es und war dafür verantwortlich. Letzterer Gedanke war beängstigend. Denn dann hätte er mehr Kontrolle über mich, als ich je jemandem außer Legolas geben würde. "Ich denke", fuhr Adriel fort, "du würdest gerne wissen, wieso ich all das tue, nicht?" Ich wollte nicken, wollte wissen was los war und ihn gleichzeitig nicht reden lassen. Seit ich ihn auf dieser Lichtung wieder getroffen hatte, machte er mir Angst und seine Stimme wirkte hypnotisierend. "Du erinnerst dich doch sicher an meine kleine Geschichte, die ich dir erzählt habe. Nun, es könnte sein, dass ich dort eine Kleinigkeit ausgelassen habe. Denn meine Kräfte sind nicht für immer fort. Ich kann sie wieder holen und genau das habe ich auch vor. Wenn die Valar denken, sie könnten mich davon abhalten, meinem Schicksal zu folgen, haben sie sich geirrt."

Adriel lächelte und bei seinem Blick, lief mir ein Schauer über den Rücken. Er war doch verrückt geworden. "Ich bin nicht verrückt, falls du das denkst", sagte er im selben Moment, in dem mir der Gedanken durch den Kopf schoss. "Ich habe nur ein Ziel. Und im Moment, bist dieses Ziel du, meine Liebe." Wenn ich nicht schon erstarrt wäre, würde ich es spätestens jetzt sein. Was meinte er damit, dass ich sein Ziel war? "Oh, und bevor ich es vergesse: Mein richtiger Name ist Silan, nicht Adriel. Auf die schnelle ist mir nichts besseres eingefallen, deswegen habe ich einfach deinen Namen umgeändert. Ich hoffe du hattest nichts dagegen", fügte der Elb hinzu. Was? Mein Blick musste Bände gesprochen haben, denn Adri - nein Silan - begann leise zu lachen. "Du hast doch nicht wirklich geglaubt, dass ich dir meinen richtigen Namen verraten hätte. Ich weiß, dass du den weißen Zauberer kennst und ihm von mir erzählt hast. Dieser Greis hätte mich vor zwei Tagen fast gefunden. Hättest du meinen echten Namen gewusst, würde ich jetzt nicht vor dir stehen."

Was bitte meinte er damit? Ich war völlig ahnungslos und hatte bis eben nicht einmal mehr seinen richtigen Namen gewusst. Was wusste ich noch nicht? Das er einen anderen Namen hatte, fand ich nicht schlimm, aber wenn er mich bei mehr Sachen angelogen hatte, dann könnte mich meine Unwissenheit heute mehr kosten, als meinen Schlaf. Ich versuchte ihn zu fragen, was er mir noch an Lügen erzählt hatte oder was er mir vorenthalten hatte, aber meine Zunge schien immer noch an meinem Gaumen fest zu kleben. "Hmmm, was erzähle ich dir als nächstes?", fragte sich Silan selber und sah mich nachdenklich an. "Vielleicht willst du ja wissen, woher dieses Gefühl in deinem Körper kam, diese Sehnsucht nach etwas, von dem du nicht wusstest, was es war." Ich wollte ihm seine Zunge heraus reißen. Er nutze es vollkommen aus, dass ich nichts tun konnte und quälte mich mit meiner eigenen Unwissenheit, indem er eine so lange Pause einlegte, dass ich dachte, er würde nie weiter reden und mich einfach mit meiner ängstlichen Neugierde fallen lassen.

"Nun, dann will ich es dir erzählen. In der Zeit, in der ich meiner rechtmäßigen Kräfte beraubt war, lehrte Sauron mich Magie und Zaubersprüche. Einer davon stellte sich als sehr nützlich heraus. Und wenn du bist jetzt noch geglaubt hast, deine Kräfte könnten niemals eines Tages mir gehören, muss ich dich leider enttäuschen, denn der Zauberspruch ermöglicht mir genau das, meine Liebe." Mir wurde gleichzeitig heiß und kalt. Er konnte mir meine Kräfte stehlen? Er konnte sie sich zu eigen machen? Das war ganz und gar nicht gut. "Als du ohnmächtig geworden bist, habe ich dir eine verzauberte Flüssigkeit eingeflößt. Stück für Stück, gibt mir der Zauber deine Kräfte und du kannst nichts dagegen tun. In weniger als einer Stunde werden deine Kräfte mir gehören. Genauso wie dein Leben."

Der letzte Satz schockte mich noch mehr als alle Sätze davor. Und zwar nicht nur wegen der Tatsache, dass er gemeint hatte, mein Leben würde ihm gehören - was auch immer das hieß, sondern auch, weil ich nun wusste, wen ich in meiner Vision gesehen hatte. Es war Silan gewesen. Ich hatte seinen Plan gehört, ich hatte davon gewusst und war trotzdem nicht schlau genug gewesen, um zu erkennen, was ich gesehen hatte. Mit einem Mal wusste ich auch, was er damit gemeint hatte, dass mein Leben ihm gehören würde. Er würde mich opfern, er würde sich mein Leben nehmen, um sein eigenes Leben zu verbessern. Und deswegen würde mein Leben ihm gehören, wenn er mich opferte. Ich durfte jetzt bloß nicht in Panik verfallen. Irgendwie musste ich mich doch aus dieser Starre befreien können. Silan zog in aller Ruhe seinen Bogen und strich mit den Fingerspitzen über seinen Griff.

"Es muss nur noch eine Kleinigkeit passieren, bevor deine Kräfte vollends auf mich übergehen können. Und wenn alle dieser verzauberten Pfeile", er zog einen der einfachen Pfeile aus Silber aus seinem Köcher, "dein Fleisch durchdrungen haben, werden deine Kräfte endlich mir gehören." Er grinste überheblich und spannte den Pfeil ein. Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. Dieser Pfeil hatte während der Vision in meiner Schulter gesteckt und ich hatte fühlen können, dass er mir meine Kraft raubte. Wenn mich dieser Pfeil traf, war alles vorbei. "Irgendwelche letzten Worte, kleine Traumwandlerin?" Nein. Ich hatte keine letzten Worte. Nicht an ihn. Mein ganzer Körper wurde von Panik ergriffen, als Silan den Bogen spannte und die silberne Spitze des Pfeils direkt auf mein Herz zeigte. So wollte ich nicht sterben, so durfte ich nicht sterben. Und gerade als ich dachte, meine letzte Stunde hätte geschlagen, als ich mich gedanklich bei allen entschuldigte und mich verabschiedete, wurde Silan von einem schnellen, schwarzen Etwas gerammt und zu Boden geworfen.

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Soooo, da ist das nächste Kapitel. Ich sitz gerade mit einer Freundin in der Bahn nach München, weil wir da Keksteig essen wollen und wir mussten schon zwei Mal umsteigen. Hoffentlich können wir jetzt durchfahren. Was habt ihr heute noch vor?

𝙳𝚒𝚎 𝙼𝚊𝚌𝚑𝚝 𝚍𝚎𝚛 𝚃𝚛ä𝚞𝚖𝚎 - 𝙻𝚎𝚐𝚘𝚕𝚊𝚜 𝚏𝚏Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt