verschrecktes Lamm

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Ein großer, schmerzhaft aussehender Knutschfleck spiegelte sich im großen Spiegel, als ich mich vor ihn stellte.
Ich fuhr mir mit der Fingerspitze ganz vorsichtig über die Stelle und sog zischend die Luft ein.
Da, wo Dimitrij mir seine Zähne in den Hals gerammt hat, pochte es unangenehm und tat weh.

Dreckskerl!

„Damit du nicht vergisst, wem du gehörst.", äffte ich ihn genervt nach.
Jeder konnte den Fleck sehen.
Ich errötete.
Was sich wohl Wladimir und dieser Adam dachten, als sie in den Esssaal kamen?

Ich schüttelte den Kopf.
Darüber wollte ich jetzt nicht nachdenken.
Eher über das Verhältnis zwischen Dimitrij und seinem Bruder.

Dimitrij schien nicht wirklich erfreut über die Anwesenheit von Adam.
Und auch Wladimir sah nicht wirklich glücklich aus, als er mit ihm in den Saal gekommen ist.
Was wohl zwischen den Männern vorgefallen war?

Ich werde Dimitrij einfach ausfragen, wenn ich ihn wieder sehe. Ob er mir aber was erzählt, ist eine andere Frage.

Ich ging aus dem Badezimmer, zu der breiten Fensterbank, auf die ich mich setzte.
Ein Blick nach draußen verriet mir, dass er Herbst vor der Tür stand.
Es wurde kälter, die Tage kürzer und die Landschaft färbte sich in einen Traum aus gelb, orange und braun.
Ich mochte den Herbst.
Er war gleich nach dem Winter meine liebste Jahreszeit.

Als ich noch jünger war, bin ich immer in den Garten gegangen, habe alle Blätter, die auf der Erde lagen auf einer Stelle gesammelt.
Als dann ein hoher Blätterhaufen entstanden ist, habe ich mich lachend in ihn geworfen.
Als ich dann spätabends wieder ins Haus kam, dreckig und verschwitz, habe ich nur missbilligende Blicke von meinen Eltern geerntet.
Doch das war mir in diesen Momenten egal.
Es war mir egal, dass ich nie das Kind war, das sie sich gewünscht haben.
Es war mir egal, dass ich in ihren Augen nichts weiter als eine Enttäuschung war.
Ich war einfach glücklich.

Ich denke, ich hatte sogar eine recht schöne Kindheit. Wenn man davon absah, dass sich meine Eltern nicht richtig um mich gekümmert haben, so wie ich es eigentlich verdient hätte und wenn man von Logans Übergriffen absah.

Ich hatte meine eigene, kleine Welt in der ich immer wieder Zuflucht gesucht habe.

Ein Seufzen kam mir über die Lippen, als ich an Logan dachte.
Ob ich ihn wirklich geliebt habe?
Ich weiß es nicht, vielleicht war es auch nur eine alberne Schwärmerei einer Jugendlichen, die nie wirkliche Liebe und Zuneigung erfahren hat.
Ich hatte gedacht, in Logan so etwas wie meine große Liebe gefunden zu haben, bis sich dann herausstellte, dass er nichts weiter als ein widerlicher Mistkerl war, der sich an Minderjährigen vergriff.

Ich lehnte meinen Kopf an die kühle Fensterscheibe und sah auf den wunderschönen Garten.
Seitdem ich hier war, hatte ich noch keinen Fuß nach draußen, an die frische Luft gesetzt.
Stattdessen war ich eingeschlossen, in diesem Haus gefangen.
In Chicago war ich frei, konnte machen was ich wollte und ich konnte hingehen wohin ich wollte.
Hier nicht.

Dimitrij meinte zwar, ich sollte in meinem Zimmer bleiben, doch der Drang, endlich wieder kühles Gras unter meinen nackten Füßen zu spüren war zu groß und ich widersetzte mich ihm.

Heute bin ich mal nicht sein braves Mädchen.

Ich ging zur Tür und öffnete sie leise, spähte hinaus, ob die Luft rein war und trat dann aus dem Zimmer.
Die Gänge waren leer, doch ich war noch immer leise und vorsichtig.
Es könnte gut möglich sein, dass mir jemand entgegen kam.
Das wollte ich um jeden Preis verhindern.
Was Dimitrij wohl mit mir anstellt, wenn er herausfindet, dass ich mich ihm widersetzt habe?
Beim Gedanken daran, begann mein Unterleib zu kribbeln und ich bekam rote Wangen.

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