Vogelkadaver

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Zwei Tage waren seit dem Besuch im Keller vergangen.
Ich lag mit Fieber im Bett, das meinem kleinen Ausflug nach draußen zu verdanken war.
Anastasiya hatte mir gestern etwas gegen das Fieber gegeben und mir mitgeteilt, dass Dimitrij außer Haus war.
Sie hat gesagt, er würde mindestens drei Tage lang wegbleiben.

Mir sollte es nur recht sein.
Ich wollte ihn nicht sehen.
Die grausamen Bilder aus dem Keller verfolgten mich im Schlaf und ließen mich immer mitten in der Nacht schweißgebadet aufschrecken.
Ich sah das dunkelrote Blut durch den Raum spritzen und den Mann, der tot in seinen Fesseln lag.

Ich drehte mich zur Seite und sah nach draußen.
Leichter Regen flog an die Fensterscheiben und der Wind wehte um das Gebäude.
Ich seufzte leicht und schnappte nach Mansfield Park.
Der Roman lag noch immer auf meinem Nachttisch.
Ich hatte ihn noch nicht fertig gelesen, doch nahm mir vor, es jetzt zu tun.
Was anderes blieb mir ja nicht übrig.
Ich war ans Bett gefesselt.
Nach einiger Zeit tauchte ich in die Welt von Fanny Price ein und verlor mich zwischen den Zeilen.

*

Ein Klopfen ließ mich hochschrecken.
Ich war wohl zu sehr in die Handlung des Buches vertieft, ich habe ja nicht einmal gemerkt, wie die Sonne langsam anfing, unter zugehen.
Der Regen hatte inzwischen aufgehört und der Raum war in Stille getaucht. Nur mein schweres Atmen, dass meiner verstopften Nase zu Schulden kam, war zu hören.
Ein krächzendes "Herein" rollte mir über die Lippen.

Ich runzelte die Stirn, als sich die Tür noch immer nicht öffnete.
War ich etwa zu leise?
Ich räusperte mich.
„Die Tür ist offen!", sagte ich und begann dann leicht zu husten. Mir tat mein Hals weh.

Wieder klopfte es, diesmal etwas lauter, doch noch immer trat niemand ein.

Merkwürdig....

Ich legte das Buch zur Seite und schlug die dicke Bettdecke zur Seite.
Eine sofortige Gänsehaut zog sich über meinen Körper. Ich fröstelte.
Ich stieg vorsichtig aus dem Bett unf stemmte mich mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte, auf.

Nun stand ich mit wackeligen Beine auf dem kühlen Parkettboden.
Meine Knie drohten nachzugeben, als ich langsam auf den Eingang zuschritt.
Als es wieder klopfte, blieb ich stehen.
Ich bekam es langsam mit der Angst zu tun.

Als ich die Türe erreichte, legte ich meine Hand auf die kalte Klinke.
Mir schlug mein Herz bis zum Hals und ein unangenehmer Schauer rieselte mir über den Rücken.

Reiß dich zusammen, Harrison!

Ich atmete tief durch und öffnete dann anschließend die Tür.
Niemand war auf dem spärlich beleuchteten Gang zusehen.
Mein Blick fiel auf den Boden.
Was ich sah, ließ mir die Galle hochsteigen.

Ein Vogel lag mir zu Füßen.
Seine Flügel waren gebrochen und sein weißes Federkleid war blutgetränkt.
Ein kurzes Schwindelgefühl überkam mich und ich stolperte einige Schritte zurück.

Wieso lag ein Vogelkadavar vor meiner Schlafzimmertüre und wer hatten ihn da hingelegt?!
Tränen traten mir in die Augen.
Ich weinte um den Vogel, um dieses unschuldige Wesen und aus Angst.
Dann begann ich zu schreien, lange und laut.
Ich war mir ziemlich sicher, dass später mit einer heiseren Stimme im Bett liegen würde.

Ich sah Anastasiya um die Ecke biegen. Sie trug ein Tablett in den Händen, das sie jedoch sofort abstellte und auf mich zuggerannt kam, als sie mich auf dem Boden kauern sah.

Sie schlug sich die Hand vor den Mund, als sie den toten Vogel entdeckte.
Anastasiya nahm mich bei der Hand und führte mich wieder in das Zimmer, sie schloss die Tür hinter sich.
Sie steuerte das Bett an, auf das sie mich setzte.
Kalter Schweiß war auf meiner Stirn ausgebrochen.
„Bleib bitte im Bett liegen, Olivia. Dein Fieber scheint wieder schlimmer zu werden. Ich komme sofort wieder und bringe dir Tee und eine Suppe.", erklärte mir Anastasiya und ich nickte.

Frisson-sinful pleasureWo Geschichten leben. Entdecke jetzt