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Der Dezember rückte immer näher. Mit dem Dezember rückte Weihnachten näher und mit Weihnachten auch der bevorstehende Todestag seiner Mom.

Ihre verbleibende Zeit schien wie eine Sanduhr, die auf dem Nachttisch seiner Mom festgeklebt war und die er nicht umdrehen konnte. Jeder verbleibende Tag fühlte sich an, wie eine tickende Zeitbombe an seinem Körper.

Die Ärzte konnten nicht sagen, ob sie Weihnachten noch erleben würde, aber sie war seit acht Tagen nicht mehr aus dem Bett aufgestanden und jedes Mal, wenn er an ihrem Zimmer vorbei ging und durch die geöffnete Türe hineinsah, machte er sich darauf gefasst, seine Mom tot vorzufinden.

Die Tage verbrachte er damit, Katy von ihrer Angst und ihrer Trauer abzulenken, spielte Karten- und Brettspiele mit ihr, kümmerte sich um den Haushalt und telefonierte regelmäßig mit seinem Dad. Je näher und je unausweichlicher der Tod seiner Mom wurde, umso mehr fühlte es sich an, als würde seine Zeit mitablaufen. Als wäre er es, der noch vor Weihnachten sterben würde.

Vielleicht war das so, weil er sich ein Leben ohne seine Mom einfach nicht vorstellen konnte, auch, wenn sie schon seit einer geraumen Zeit nicht mehr so fröhlich und aktiv und gesund war, wie vor ein paar Jahren.

Aber sie war immer noch da.

Er hatte sich in den letzten Monaten viel mit dem Tod beschäftigt, vielleicht etwas zu viel. Mit dem seiner Mom, aber auch mit seinem eigenen.

Eines Nachts, als er bereits in seinem Bett gelegen hatte, hatte er gegrübelt und gegrübelt über das Sterben. Darüber, wie es sich anfühlen würde, tot zu sein. Nicht mehr zu existieren. Alles zurück zu lassen, was ihm gehörte und was er aufgebaut hatte. Er hatte immer gedacht, er würde achtzig Jahre alt werden. Es war eine Zahl gewesen, die ihn, in Bezug auf ein akzeptables Mindestalter, immer angelacht hatte. Aber was, wenn er gar nicht achtzig werden würde? Wenn er nur sechzig werden würde oder fünfzig? Seine Mom war jetzt fünfundvierzig. Was, wenn ihm nur noch zehn Jahre blieben? Oder fünf? Neun Monate? Eines?

Zehn Tage?

Was, wenn er mitten aus seinem Leben gerissen werden würde, einfach so, ohne all die Dinge getan zu haben, die er tun wollte? Verreisen. Kinder bekommen. Für Katy sorgen. Er wollte sich ein Haus bauen, ganz alleine. Und reisen, verdammt! Gott, er wollte verreisen. Er hatte noch nicht viel von der Welt gesehen, aber er war ja auch jung. Er hätte nicht gedacht, dass er in zehn Tagen sterben könnte.

Er hatte sich in seinen Gedanken verheddert und eine waschechte Panikattacke erlitten. Die erste in seinem Leben. Er hatte kaum richtig atmen können, hatte dieses schreckliche Engegefühl in seiner Brust nicht abschütteln können, hatte Tränen der Panik geschluchzt und nicht aufhören können, an das furchterregende, endlose Nichts zu denken, das ihn nach dem Tod erwarten würde. Er glaubte nicht an ein Leben nach dem Tod und das machte es nur schlimmer. Er wollte nicht sterben! Zeit, so wenig Zeit! Die Tage verflogen, die Wochen verflogen, er war schon neunzehn und konnte sich noch genau an seinen ersten Schultag erinnern und daran, dass ihm diese zwölf Jahre wie eine endlose Strecke vorgekommen waren und jetzt waren sie vorbei! Und jeder Geburtstag kam schneller und er hatte einfach nicht genug Zeit!

Fast eine Stunde hatte es gedauert, bis er sich von seiner Panikattacke erholt hatte und erschöpft eingeschlafen war.

Er hatte nicht mit seinem Dad darüber gesprochen, obwohl er mit seinem Dad alles teilte. Aber er hatte Angst, dass diese furchtbaren Gefühle alle wieder hochkommen würden, würde er noch einmal darüber nachdenken oder darüber sprechen. Noch nie hatte er so große Angst vor dem Tod gehabt. Wenn er doch nur wüsste, wie es sich anfühlte, zu sterben... Tot zu sein.

Ein paar Tage nach dieser grauenvollen Nacht besuchter er Drew. Sie warfen sich bei Drew zu Hause auf die Couch im Wohnzimmer, Julia brachte ihnen etwas zu trinken und ein paar Snacks und sie verbrachten den ganzen Tag mit einem Controller in der Hand vor dem Fernseher.

The Edge of LifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt