Er wusste nicht mehr, ob er überrascht sein sollte, dass Izzy plötzlich am Vormittag vor seiner Haustüre stand. Sie hatte es schon so oft getan und es war immer unerwartet gewesen, dass er schon beinahe wieder damit hätte rechnen können.
„Deine Haare", sagte er, als er sie sah. Sie waren viel dunkler, fast schwarz, und ihr hing ein Pony in die Stirn. Er wäre nicht so weit gegangen, dass er behauptet hätte, sie nicht zu erkennen, aber es war durchaus ungewohnt.
„Ich weiß, das war eine beschissene Idee...", brummte sie und drängte sich wie selbstverständlich an ihm vorbei ins Haus.
Bonnie war erst vor einer Stunde gegangen und er war verdammt froh, dass sie nicht hier war, denn so konnte er Izzy ins Haus lassen. Mit Bonnie hier, hätte er Izzy die Türe nicht einmal geöffnet. Das Letzte, was er gebrauchen konnte, war, dass sich die beiden in seinem Haus begegneten und er womöglich sein seltsames Verhältnis zu Izzy Bonnie erklären musste und sein seltsames Verhältnis zu Bonnie Izzy erklären musste.
Bonnie hatte hier übernachtet und sie hatten zusammen gefrühstückt, aber sie übernahm im Krankenhaus heute die Mittelschicht.
„Ich wünschte, ich könnte bleiben", hatte sie ihn über den Tisch hinweg verliebt angelächelt und er fühlte sich schuldig, weil er nicht dieselben Gefühle für sie zu empfinden schien. Zumindest noch nicht. Eigentlich hoffte er, dass er es bald würde. Bonnie war gut für ihn. Eine Freundin, die man sich nur wünschen konnte.
Aber immer wieder platzte Izzy in seine Gedanken. Oder in sein Haus.
Ohne sich Jacke oder Schuhe auszuziehen stürmte sie in die Küche und riss ein großes Stück Küchenrolle ab.
„Was machst du da?", fragte er.
Als er näher kam, sah er, dass sie ihr Handy in der Küchenrolle eingewickelt hatte.
„Izzy?"
„Mein Handy ist mir in der Schule ins Waschbecken gefallen, als ich mir die Hände gewaschen habe", murmelte sie ausweichend. „Eine Weile hat es noch funktioniert. Meine Schwester hat mich ein paar Mal angerufen, aber jetzt ist es tot."
Ihre Bewegungen waren hektisch und unruhig und er betrachtete sie genauer, aber sie war fest darauf konzentriert, die Küchenrolle auf ihr Handy zu pressen. Eine fleischrosa Stelle blitzte zwischen den schwarzen Haaren hervor, die sie sich scheinbar bemüht ins Gesicht fallen ließ und er schob die Strähnen zur Seite, doch Izzy zuckte heftig zurück, stieß seine Hand weg und sah ihn aufgebracht an.
„Was soll das?", fauchte sie.
„Hast du dir wehgetan?"
„Fass mich nicht einfach so an!"
„Du hast einen Kratzer an der Wange." Nicht nur einen. Er hatte drei gesehen. Keine schlimmen Kratzer, eher zwei rote Striemen, die sich von ihrer Haut abhoben, mit zwei klitzekleinen, offenen Stellen, an denen Stecknadelkopfgroße rote Punkte leuchteten.
„Ich kratze mich im Schlaf."
Die Kratzer sahen viel zu frisch aus, als dass er ihr das abgekauft hätte, aber sie drehte sich schon wieder zu ihrem Handy und wickelte es aus der Küchenrolle, hielt aber Abstand zu ihm. Frustriert versuchte sie ihr Handy anzuschalten und drückte nacheinander alle Knöpfe, Mal länger, Mal kürzer.
„Fuck!" Das Display blieb schwarz und sie schlug die Faust auf die Küchenplatte.
„Ganz ruhig." Das letzte Mal, als er sie so aufgebracht erlebt hatte, war wohl an Halloween gewesen und das Fiasko von damals wollte er nicht unbedingt wiederholen. „Sicher, dass dein Handy nicht einfach leer ist?"
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The Edge of Life
Teen Fiction„Wir sind alle nur traurige Menschen mit glücklichen Gesichtern." Die Geschichte vier junger Menschen.