Am fünften Tag begann sie sich Sorgen um die Krankenhausrechnung zu machen. Das Bett, das Izzy belegte, war bestimmt nicht billig und nahm obendrein jemand anderem den Platz weg, aber Izzys Ärztin und Dr. Perez, eine Psychiaterin, die ihre Ärztin hinzugezogen hatte, warnten eindringlich davor, Izzy gehen zu lassen, weil sie immer noch nicht wussten, was ihr fehlte.
Vermutlich war sie nach allem, was passiert war und dem massiven Schlafmangel einfach umgekippt, zumindest waren ihre Blutwerte nicht auffällig gewesen. Sie hatte sich den Kopf geschlagen und eine leichte Gehirnerschütterung gehabt, die sollte aber längst wieder in Ordnung sein und nichts begründete ihre absolute Apathie und Regungslosigkeit.
Sie weigerte sich, in die Schule zu gehen, bis sie wusste, was mit Izzy los war und war jeden Tag bei ihr. Wenn sie zu Hause war, konnte sie selten schlafen.
Nach acht Tagen wurde Izzy unruhig, wollte ihr aber nicht sagen, was los war.
Am dreizehnten Tag begann Izzy zu schreien. Sie schrie, dass sie es nicht mehr aushielt, nichts zu fühlen, warf sich in ihrem Bett hin und her und brüllte unter Tränen, dass sie wieder etwas fühlen wollte.
Die Krankenpfleger wollten Izzy sedieren, aber Dr. Perez lies es nicht zu.
„Wenn sie schreit, weil sie es nicht aushält, nichts zu fühlen, dann ist sie zu sedieren, eine gänzlich dumme Idee." Sie hätte fast über ihre Worte und ihren tadelnden Blick lachen können.
Noch nie hatte sie Izzy so gesehen. Ihre Stimme so verzweifelt gehört, ihre Augen so voller Schmerz.
„Ich will aufwachen!", schrie sie. „Ich will etwas fühlen! Ich kann nichts fühlen!" Sie hatte ihre Fäuste gegen die Wand geschlagen, hatte sich in den Arm gebissen, biss das Blut auf die weißen Laken getropft war, hatte sich die Nadeln aus ihren Armen gerissen und hatte mit Blut im Mund weiter geschrien. „Ich will endlich etwas fühlen! Warum kann ich das nicht fühlen!?" Sie hatte sich mit beiden Fäusten gegen den Kopf geschlagen und Dr. Perez hatte sie beobachtet, bis Izzy vor Erschöpfung wieder eingeschlafen war.
Ende der zweiten Woche wollte die Psychiaterin mit ihr sprechen. Eigentlich unter vier Augen, aber Adam bestand darauf, dabei zu sein.
„Und wie geht es ihr?", fragte Jason, als sie vor dem Gespräch noch einmal mit ihm telefonierte, um sich selbst Mut zu machen.
„Keine Ahnung", erwiderte sie leise, gegen die Wand des Krankenhausflurs gelehnt. „Sie redet ja nicht. Das... Schreien hat aufgehört." Sie stieß den Atem aus und rieb sich den steifen Nacken. Nie hätte sie gedacht, dass es jemals so weit kommen würde. Sie liebte Izzy mehr als alles auf der Welt und innerhalb weniger Stunden, so schien es, hatte sich ihr gesamtes Leben auf den Kopf gestellt und jetzt...
„Ich würde alles tun, damit es ihr besser geht."
„Ich weiß. Kann ich irgendetwas tun?"
„Sicher landen, damit nicht alles noch beschissener wird?", scherzte sie lahm, aber er lachte trotzdem.
„Dann hab ich ja die leichtere Aufgabe von uns beiden."
„Rufst du mich an, wenn du kannst?"
„Sicher." Er zögerte kurz. „Hannah?"
„Hm?"
„Mia wäre jetzt bei dir, wenn sie es wüsste."
Sie war überrascht, dass er es zur Sprache brachte. Natürlich hätte sie gerne jemanden hier gehabt, aber sie wollte nicht, dass Mia nur deshalb ihre Hand halten wollte, weil es ihr schlecht ging. Sie wollte, dass Mia wieder ihre Freundin sein wollte, weil sie es unabhängig von anderen Dingen wollte. Mia hatte sie fallen lassen, weil sie sich in ihren Bruder verliebt hatte. Wenn sie jetzt den Haufen an Scherben betrachtete, vor dem sie stand, dann fand sie Mias Reaktion einfach übertrieben und kindisch. Sie würde sich nicht bei Mia melden und sie darum bitten, ihre Schulter zum Ausweinen zu sein.
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The Edge of Life
Teen Fiction„Wir sind alle nur traurige Menschen mit glücklichen Gesichtern." Die Geschichte vier junger Menschen.