15

108 7 4
                                    

Sie hatte bereits ihre alte Schule anstrengend gefunden. Diese hier fand sie einfach nur zermürbend.

In ihrer alten Klasse hatte sie zumindest ein paar lose Freundschaften gehabt, Leute, die sie nicht verabscheut hatte. Hier kannten sich alle seit Jahren und sie war die Neue.

Auch nach ein paar Wochen gab es niemanden, der sich für sie interessierte und sie fürchtete sich bereits vor den ersten Partner- und Gruppenprojekten.

Gestern war sie noch lange wach gewesen und hatte Motive für ein Bild, das sie sprayen wollte, sobald Justin sie wieder einmal abholen würde, gezeichnet. Ihr Kopf war so voller Ideen gewesen, dass ihr schlafen unmöglich erschienen war.

Dafür war sie jetzt in der Schule unfassbar müde. Wenigstens hatte sie Mathe. Das einzige Fach, in dem der Lehrer, Mr. Teakin, erträglich war. Er redete gerade über die technische Verwendung von hyperbolischen Paraboloiden. Dieses Thema sollte erst nächstes Jahr behandelt werden, aber einer der Klassenklugscheißer war über den Begriff eines Paraboloids gestolpert und Mr. Teakin ging gerne auf Fragen seiner Schüler ein.

„Keiner?" Er grinste. „Dabei sehe ich sie euch doch immer während dem Unterricht heimlich essen."

Die Klasse lachte und der Junge, Felix, den sie schon in ihrer ersten Woche als den Klassenclown identifiziert hatte, warf Mr. Teakin eine Dose der Chips zu, die er geschickt auffing, öffnete und einen Kartoffelchip herausholte.

„Seht ihr? Die perfekte Form. Warum ist das so? Weil sie unfassbar stabil ist. Sie zerbrechen nicht so leicht, wie wenn sie gerade wären."

Sie legte ihre Fäuste übereinander auf den Tisch und ihr Kinn darauf. Sie schloss die Augen und hörte, wie Kreide über die Tafel glitt. Es kratzte und ihr fuhr ein unangenehmer Schauer über den Rücken.

Die ganze Stunde redeten sie darüber, warum Pringles die perfekte, unkaputtbare Form hatten. Sie gingen die Formel für das hyperbolische Paraboloid durch. Und als noch etwas Zeit war, beschrieb Mr. Teakin auch noch die Formel eines elliptischen Paraboloids.

„Elliptische Paraboloide sieht man häufig als stylische Überdachung von Gebäuden." Wieder lachten alle.

Die ganze Klasse hing an seinen Lippen, nur sie nicht. Gedanklich war sie schon beim nächsten Fach und beim nächsten und beim nächsten und dann in ihrem Bett, um zu schlafen.

Die Glocke kündigte die Pause an, sie öffnete sie Augen und alle packten ihre Sachen zusammen.

„Gut, die Hausaufgaben sind am Montag abzugeben, nicht vergessen!", rief er. Er gab ihnen die Hausaufgaben immer am Anfang der Stunde auf, damit er nicht darauf vergaß und sie am Ende der Stunde noch hektisch ansagen musste. Und auch, damit seine Schüler nicht ihre Pause damit vergeuden mussten, die Beispiele zu notieren. Er hatte noch nie seine fünfzig Minuten überzogen. Wenn es sein musste, hörte er mitten im Satz auf, das alleine genügte ihr, um ihn sympathisch zu finden.

Doch die Sympathiepunkte, die sie ihm zugestanden hatte, verschwanden, als er sie aufrief und bat, noch einen Augenblick zu bleiben. Sie bemerkte das Getuschel der übrigen Schüler, die sich auf den Weg nach draußen machten und vielleicht fragten, was Mr. Teakin wohl von ihr wollte.

Sie wusste genau, was er von ihr wollte. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen. Sie hatte die Hausaufgaben nie vollständig abgegeben, aber das war auch nie ihre Schuld gewesen. Entweder hatten sie heftige Schmerzen überkommen, sodass sie sich hatte hinlegen müssen, oder sie war zu müde gewesen oder etwas Anderes war einfach spannender gewesen.

Bisher hatte Mr. Teakin nichts dazu gesagt, nur einmal hatte er unter eines der schwierigeren Beispiele mit rotem Stift geschrieben: Interessanter Lösungsweg. Daneben hatte er ein Smiley gemalt.

The Edge of LifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt