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Er hatte sich lange Zeit geweigert, Schlafmittel zu nehmen. Er hatte viel von Abhängigkeit über diese Medikamente gelesen. Aber vor einer Woche hatte sein Dad ihm einen Termin beim Arzt vereinbart und er hatte seinem Arzt seine Schlafprobleme erläutert.

Seit drei Wochen wachte er jede Nacht mehrmals auf, war putzmunter und konnte vor Nervosität nicht mehr einschlafen. Wovor er nervös war, konnte er nicht genau sagen. Es waren unruhige Gedanken.

Um vier Uhr morgens, wenn es draußen noch dunkel war, wünschte er sich, dass der Supermarkt schon geöffnet hatte, weil er kein Waschmittel mehr hatte und sich Schokolade kaufen wollte. Dass jemand wach war, der sich mit ihm treffen würde. Dass er seinen Dad anrufen und wissen wollte, ob es ihm gut ging. Dass er sein Studium wieder aufnehmen, sich vielleicht einen Nebenjob suchen sollte. Er musste sich auch langsam überlegen, welche Blumen er dieses Jahr wieder in den Garten setzten wollte, diese Aufgabe hatte sonst immer seine Mom übernommen, aber die war jetzt nicht mehr da, auch Katy war nicht mehr hier, er war auf sich alleine gestellt, also hatte er sich mitten in der Nacht an seinen Schreibtisch gesetzt, ein Blatt Papier hervor gezogen und aufgeschrieben, was er alles brauchte, hatte sich im Internet schlau gemacht, welche Pflanzen was benötigten (viel oder wenig Sonne, viel oder wenig Wasser und welchen Dünger er verwenden konnte) und welche Pflanzen gut zusammenpassten.

Irgendwann ging dann immer die Sonne auf und anstatt das Waschmittel und die Schokolade zu holen, wickelte er sich immer in eine Decke und setzte sich auf die Couch im Wohnzimmer, trank einen Tee und ließ den Shopping-Kanal laufen.

Die Schlaftabletten halfen, aber der Shopping-Kanal blieb.

So ein Gartenschlauch, der sich zusammenzog und weniger Platz einnahm, war schon praktisch. Genau wie der Staubsauger mit integrierter Moppfunktion. Gut, mit Lockenwicklern und ergonomischen Super-BH's konnte er nicht allzu viel anfangen, aber vielleicht mit diesem Vibrierenden kleinen Kunststoffblock auf den man sich draufstellen sollte und davon straffere Beine bekam.

Irgendwann bekam er Kopfschmerzen. Und bestimmt hätte er Drew an diesem Tag nicht die Türe aufgemacht, wenn er nicht durch die ganze Nachbarschaft gebrüllt hätte, dass Izzy ihn geküsst hatte.

„Daran musst du was falsch verstanden haben", sagte er, als er Drew einen Kaffee gekocht hatte. Er hatte nicht einmal mehr Cola zu Hause. Sein Dad überwies ihm zwar monatlich genug Geld, dass er alles Nötige und sogar etwas mehr kaufen und bezahlen konnte, aber er holte sich kaum das Nötigste.

„Was soll man da dran denn falsch verstehen?", fragte Drew aufgebracht. „Wenn dir ein Mädchen die Zunge in den Mund stecken will, was verstehst du denn dann?" Drew war so aufgebracht, dass er sich nicht einmal setzen wollte. „Ich dachte, ihr hättet was am Laufen."

Er schwieg in seinen Tee hinein. Er wusste nicht, was er mit Izzy hatte oder nicht hatte, denn im einen Moment hatte er das Gefühl, für sie wichtig geworden zu sein und im nächsten Augenblick war es, als wüsste sie nichts von seiner Existenz.

Drew rieb sich übers Gesicht. „Ich fühl mich schmutzig."

„Hast du sie nicht in der ersten Woche bei euch angegraben?"

„Ja, aber das war doch nur ein Scherz!", schimpfte er. „Das hab ich nicht ernst gemeint, ich wollte nur nicht, dass sich die beiden bei uns einnisten. Und jetzt haben sie es doch gemacht!"

Izzy hatte Drew geküsst. Das war das einzige, an das er denken konnte. Einerseits war er nicht allzu überrascht, andererseits stimmte es nicht mit dem Mädchen überein, das er so gerne hatte. Obwohl... doch. Es stimmte ganz und gar mit Izzy überein. Zumindest mit der Izzy, die plötzlich mit Justin abhaute. Die Izzy, die ihn an Halloween auf offener Straße anschrie.

The Edge of LifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt