Little Talks

Kapitel 1

Teil 1

1

„Wann kapiert er endlich, dass sie ihn nur benutzt?" missbilligend warf ich Joe einen Blick zu. Er unterhielt sich gerade mit Anna und schien sich köstlich zu amüsieren. Grundsätzlich hatte ich nichts dagegen, wenn die beiden sich gut verstanden und Spaß hatten. Aber Anna war nun mal jemand, der immer so tat als würde er sich mit jedem super verstehen, aber dafür keine 'richtigen' Freunde hatte. Sie pickte sich immer wieder jemanden raus, den sie dann für eine gewisse Zeit zu ihrem besten Freund auserkor, nur um ihn dann ganz plötzlich fallen zu lassen. Sie war wie eine Freundschaftsbitch. Und jetzt hatte sie sich eben Joe ausgesucht. Nur mochte ich Joe wirklich gerne, weshalb ich nicht wollte, dass sie ihre Taktik auch bei ihm durchzog. Denn eigentlich kannte Joe sie auch gut genug um zu wissen, dass ihre Freundschaft nur gespielt war. Versteht mich nicht falsch, ich war nicht in Joe verliebt oder so, nein, ich mochte ihn einfach als Kumpel. Er war einfach immer gut drauf und man konnte mit ihm herumalbern oder nachts stundenlang schreiben. Offensichtlich hatte auch Anna jetzt diese Seite an ihm entdeckt.

„Ach lass ihn doch, er wird's ja merken oder?" antwortete Chloe auf meine Frage und schob sich ein Stück Muffin in den Mund. Ich tat es ihr gleich, ließ aber Joe und Anna nicht aus den Augen. Gerade hob er sie hoch und rannte mit ihr auf den Eingang der Cafeteria zu, während ihr perfektes und perlendes Lachen über den Schulhof klang. Ich verdrehte genervt und irgendwie auch neidisch die Augen. An Anna war alles perfekt, nicht nur ihr Lachen. Und das war vielleicht auch das Problem bei Joe. Genau wie alle anderen Jungs war er halt einfach ein Junge und konnte bei einem perfekten Mädchen, welches mit ihm befreundet sein wollte, nicht nein sagen. Zugegeben, ich wäre auch gerne ein klitzekleines bisschen perfekt. Nur ein bisschen. Dummerweise war ich weit entfernt davon. So eine Scheiße.

„Gehen wir wieder rein? Ich kann diesen Anblick leider nicht ertragen, wenn ich meine Box Eiscreme und die Taschentücher nicht dabei hab", grummelte ich und rappelte mich von der Wiese auf. Chloe nickte, warf das letzte bisschen Muffin den Vögeln zu und schnappte sich ihren Rucksack.

Chloe und ich hatten uns in der High School kennengelernt und waren seitdem so etwas wie beste Freundinnen. Zumindest was die Zeit in der Schule anging. Ansonsten unternahmen wir nicht so viel zusammen. Eigentlich unternahm ich in meiner Freizeit mit niemandem etwas. Ich war immer alleine unterwegs. Irgendwie traurig oder? Die einzigen Menschen, mit denen ich meine Freizeit verbrachte, waren gezwungenermaßen meine Eltern und meine kleine Schwester. Und wie gesagt, bei denen blieb ich auch nur, wenn es sein musste. Ja, unser Familienverhältnis war nicht wirklich das beste.

„Meinst du er kommt noch zur Erkenntnis oder ist es schon zu spät?" fragte Chloe und öffnete die Tür zum Gebäude B. Hier fanden die Naturwissenschaftlichen Fächer statt. Unsere Schule hatte drei Gebäude. Okay, vier - wenn man die Cafeteria mitzählte. In Gebäude A waren die sprachlichen Fächer, wie Englisch, Französisch, Latein, Spanisch und so weiter, je nachdem was man wählte. In Gebäude B waren wie gesagt die Naturwissenschaftlichen Fächer, wie Mathe, Chemie, Physik... Und in Gebäude C waren die Kunsträume und Fächer wie Geschichte, Politik und Erdkunde. Außerdem hatten wir natürlich noch Sporthalle und -platz, aber die waren extra auf einem anderen Gelände untergebracht. Keine Ahnung warum.

„Ist wahrscheinlich schon zu spät. Sie hat ihn voll in der Zange. Hoffentlich rennt er ihr nicht hinterher, wenn es 'vorbei' ist mit der Freundschaft, so wie Zac", entgegnete ich und öffnete meinen Spind. „Oh Gott, du hast recht. Das war mega peinlich!" stöhnte Chloe und verzog das Gesicht bei dem Gedanken daran. Ja, Zac hatte es tatsächlich fertiggebracht einem Mädchen wie Anna nachzulaufen, auch wenn es 'nur' um eine Freundschaft ging. Aber genug davon, diese ganze Geschichte war nur Hintergrundwissen! Und die folgende Doppelstunde Physik soll euch auch erspart bleiben. Sie war nicht wirklich spannend. Vielleicht auch, weil ich einfach nichts kapierte...