Kapitel 17

180 17 9
                                    

17

Reflexartig schloss ich meine Augen und Billie Joe Armstrong säuselte im Hintergrund „You and I-I". Ich hatte schon wirklich viele Typen geküsst, aber bei keinem hatte es sich so angefühlt, wie jetzt. In mir breitete sich ein Feuer aus, ganz langsam. Es kroch durch meine Adern, die mit jeder Sekunde noch mehr zu kochen schienen. Zwischen uns hätte kein Blatt mehr gepasst, aber doch war es irgendwie noch nicht nah genug.

Keuchend schnappte ich nach Luft und starrte Ashton an. Der schien nicht minder überrumpelt. Ich trat einen Schritt zurück, um ein wenig klarer im Kopf zu werden. Eine Weile lang sahen wir uns beide schockiert an, bis er schließlich das Wort ergriff, „Dir ist schon klar, dass Peter Pan und Wendy sich eigentlich nicht küssen sollten oder?" Er grinste schief. Ich verdrehte die Augen, „Dir ist schon klar, dass mir das grade ziemlich scheißegal ist oder?" stellte ich eine Gegenfrage und versuchte möglichst lässig zu gucken, was mir wahrscheinlich gründlich misslang.

Was zur Hölle war das gerade?

Hatte ich gerade wirklich meinen besten Freund geküsst? Oder er mich? Ich konnte nicht mal sagen, wer von uns beiden angefangen hatte. Aber war das so wichtig? Wichtig war doch jetzt eigentlich nur, dass wir es überhaupt getan hatten oder? Und keiner hatte den anderen weggestoßen.

Aber was bedeutete das jetzt? Hatten wir gerade unsere Freundschaft kaputt gemacht? Würden wir es wieder tun? Wenn es nach mir ginge, dann schon. Warte was? Was dachte ich hier gerade??

Ich küsste keinen Typen zweimal. Ich fing mit niemandem zweimal etwas an. Okay, das mit Joe war ein Ausrutscher gewesen und jetzt hatte er ja eh Anna. Aber was bedeutete das in diesem Fall? Hieß das jetzt, dass ich in Ashton verliebt war? Es war anders als mit den restlichen Typen. Aber das konnte doch nicht sein? Ich war nicht verliebt! In niemanden! Und erst recht nicht in meinen besten Freund! Aber warum hatte es sich dann so verdammt richtig angefühlt?

„Charlie?" - „Hm?" ich zuckte zusammen. Oh Gott, Ashton war nicht so unkompliziert veranlagt wie Joe. Er würde nicht einfach sagen 'Okay war cool, lassen wir das Thema'. Er würde darüber reden wollen. Und er würde mich so lange nerven, bis ich mit ihm sprechen würde. Ich würde um ein verdammtes Gespräch nicht herumkommen. Verdammte Scheiße.

Bevor er auch nur einen Satz beginnen konnte schnappte ich mir seinen Arm und zog ihn aus der Turnhalle, vorbei am Buffet und vorbei an den fragenden Blicken seiner Freunde. Wenn er reden wollte, dann bitte. Aber nicht vor seiner gesamten Schule und auch nicht bei dem Lärm, der drinnen herrschte. Es war wohl das beste, wenn ich dieses Gespräch jetzt hinter mich bringen und es nicht erst vor mir her schieben würde. Was hatte ich mir da bloß wieder eingebrockt...

Sobald wir um die Ecke gebogen waren lehnte ich mich gegen die Fassade der Halle und atmete einmal tief durch, um mich auf das vorzubereiten, was er jetzt sagen würde. Aber bevor ich mich auch nur ein bisschen gewappnet hatte, drückte er mich gegen die Wand und presste seine Lippen erneut auf meine.

Ich war so überrumpelt, dass ich im ersten Moment einfach nur stumm da stand und nichts tat, doch dann schien ich aufzutauen. Die Hitze begann wieder durch meinen Körper zu strömen, dieses Mal schneller als zuvor. Alle Sorgen, die ich mir eben noch gemacht hatte, verpufften mit einem Mal.

Wo zur Hölle hatte er so gut küssen gelernt?? Auf Partys definitiv nicht, er war in seinem ganzen Leben auf gerade mal vier Stück gewesen. Das hatte er mir vor ein paar Wochen anvertraut. Ich hatte im ersten Moment gedacht, er wollte mich verarschen. Hatte er aber nicht.

Warum zur Hölle machte ich mir darüber eigentlich Gedanken?? Er küsste mich gerade, verdammt nochmal!

Ashton.

Little TalksWo Geschichten leben. Entdecke jetzt