Kapitel 24

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Ich hatte Ashton meinen Besuch nicht angekündigt, aber er schien nicht wirklich überrascht als ich bei ihm auftauchte. Ich kam immer irgendwann vorbei, oder er eben bei mir. Es war auch nicht das erste Mal, dass er mir nur in Boxershorts und T-Shirt öffnete, aber trotzdem konnte ich nicht aufhören zu grinsen.

Statt einer Begrüßung beugte ich mich ein Stück vor und küsste ihn. Er war wie eine Droge für mich. Sobald ich ihn küsste, schien alles um mich herum nur noch halb so schlimm zu sein. Alle Probleme, sei es meine Oma oder der Umzug, waren auf einmal gar nicht so dramatisch.

Doch sobald ich mich von ihm löste und ihm in die Augen sah, wurde mir mal wieder klar, dass nichts wirklich besser geworden war. Ich konnte sehen, wie sehr es ihn bedrückte, dass er bald nicht mehr hier sein würde. Er hatte mir erzählt, dass er früher öfter umgezogen sei und dass es ihn da wenig gestört hatte. Aber er hatte sich die letzten Jahre wohl an diesen Ort gewöhnt, er hatte seine Freunde hier und jetzt wurde er wieder rausgerissen aus diesem Umfeld. Es war beschissen.

Drinnen standen schon überall Umzugskartons rum und mittendrin eine gestresste Anne Marie, die irgendwie versuchte ein Chaos zu vermeiden.

„Hallo Charlie! Schön dass du vorbeikommst!" rief sie mir fröhlich zu und stapelte dann weiter Bücher in einen Karton. „Hi Anne", begrüßte ich sie, wobei ich versuchte ihr keinen hasserfüllten Blick zuzuwerfen. Ich wusste, dass sie das Beste für Ashton wollte, aber trotzdem fand ich es einfach nur scheiße von ihr.

„Oh hey Charlie!" kam Alex' Stimme aus der Küche. Ich hatte mich an den Gedanken gewöhnt, dass er und Anne ein Paar waren, aber jetzt wäre mir beinahe schlagartig übel geworden. Wenn Ashton, Harry, Lauren und Anne nach Sydney zogen, was war dann mt Alex? Ich musste ganz dringend mit Ash sprechen. Am besten allein.

Schnell packte ich ihn am Arm und zog ihn nach oben. Sobald er die Tür hinter sich geschlossen hatte, platzte es auch schon aus mir heraus: „Geht Alex mit?" Ashton sah mich kurz verwirrt an, dann schien er zu kapieren, was ich meinte. „Ja, natürlich kommt er mit. Er und Mom haben sich zusammen die Wohnung in Sydney ausgesucht", meinte er und ich hätte schwören können, dass mir alle Farbe aus dem Gesicht wich.

„Scheiße", flüsterte ich und ließ mich auf sein Bett fallen. „Das heißt dann wohl, dass er sein Studio hier verkauft oder?" Ashton erwiderte nichts, doch er senkte seinen Blick und das sagte schon alles. „Oh mein Gott! Alles, was ich hier liebe, geht! Du gehst, Alex geht, das Studio geht – alles geht! Was soll ich denn hier machen, wenn ihr alle weg seid?" Ich wollte wirklich nicht panisch klingen, aber irgendwie wurde mir jetzt auf einmal das Ausmaß bewusst, was dieser Umzug mit sich bringen würde. „Ich weiß", murmelte Ashton.

Ich hatte mir eigentlich fest vorgenommen, nicht total auszuflippen und Ashton das Gefühl zu geben, dass es wirklich so beschissen war. Aber daraus wurde jetzt wohl nichts mehr. Es war schon beschissen genug gewesen als ich wusste, dass Ash gehen würde, aber wenn jetzt wurde es noch viel schlimmer. Wenn Alex auch weg sein würde, mit wem sollte ich dann hier proben? Ashton war weg, der kam nicht mehr in Frage. Und um ehrlich zu sein wollte ich auch gar nicht mit jemand anderem proben, außer den beiden.

„Fuck, das ist doch alles scheiße!" rief ich frustriert, womit sich meine Das-ist-alles-gar-nicht-so-schlimm-Taktik wohl verabschieden konnte. „Ich weiß", meinte Ash erneut und ich sah ihn an. Er hatte sich schon damit abgefunden. Ihm war klar, dass er nichts mehr ändern konnte, also nahm er es so hin. So tickte er nunmal. Verdammt, er war schon immer der Vernünftigere von uns gewesen.

„Komm schon, steh auf. Du hast selber gesagt, dass wir das schaffen können!" forderte er mich auf und stellte sich vor mich. „Ich weiß, aber... das ist einfach alles beschissen", grummelte ich, woraufhin er nur die Hand ausstreckte und mich hochzog. Bevor ich fragen konnte, was das jetzt brachte, schloss er einfach seine Arme um mich und hielt mich ganz fest. Vor Ashton hätte ich niemals gedacht, dass ich mal so etwas brauchen würde. Aber es stimmte. Jeder Mensch brauchte ab und zu mal eine Umarmung, auch solche durchgeknallten wie ich.

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