Kapitel 31

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Ashton wohnte jetzt im Stadtteil Hawkesbury, welcher zu Sydney gehörte. Es war mit dem Auto in etwas über einer Stunde zu erreichen, aber da wir beide weder einen Wagen, noch einen Führerschein besaßen, führten wir jetzt praktisch eine Fernbeziehung. In der Woche konnten wir uns nicht sehen, schließlich hatten unsere Eltern keine Zeit uns zu bringen und öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen wäre schlichtweg zu teuer gewesen auf die Dauer. Also konnten wir uns nur an den Wochenenden sehen, denn dann hatte eigentlich immer irgendein Elternteil Zeit. Ich ging dafür sogar so weit, dass ich Dad ansprach.

Mein Handy begann zu klingeln und ich zog es aus meiner Tasche. Es war Ashton. „Hey Charles", meinte er, nachdem ich ihn begrüßt hatte, „Ich kann dieses Wochenende nicht, Alexis hat ein paar Kumpels und mich eingeladen. Aber nächste Woche komm ich vorbei, okay?" Vollkommen überrumpelt brachte ich nur ein knappes „Okay" raus. Ich hatte Mühe mein Temperament zu zügeln und nicht gleich nachzufragen, wer zur Hölle denn jetzt Alexis war. Ja, ich war eifersüchtig. Aber ich hatte doch auch jedes Recht dazu oder? Ashton war mein Freund und wenn er mir jetzt erzählte, dass er sich nicht wie geplant mit mir treffen könnte, weil er mit einem anderen Mädchen verabredet war, dann wurde ich sauer. War er lieber bei ihr als bei mir? Und wenn ja, warum? Ich spürte, dass ich gleich platzen und ihn anmotzen würde, wenn ich nicht gleich auflegte. Aber leider hatte Ash anscheinend nicht vor, so schnell wieder aufhören zu reden. „Sie meinte, ihr Dad hat diese Hütte unten am Wasser und man könnte da super abhängen. Und es gehen alle hin, also..." Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten. Es ging einfach nicht. Nicht, wenn er mir von einer anderen vorschwärmte und mich dafür quasi abschob.

„Also dachtest du dir, dann fährst du lieber mit zu ihr, anstatt mich zu besuchen hm? Aber mach dir keinen Kopf, ich komm hier schon zurecht. Ist ja nicht so, dass ich mir die letzten zwei Wochen schon den Kopf darüber zerbrochen habe, was wir machen könnten. Ich hab mich auch kein bisschen darauf gefreut, dich wiederzusehen – nach drei Wochen. Ist okay, geh zu Alexis und hab deinen Spaß. Ich werd' mich dann vor den Fernseher hauen und mir schlechte Reality-TV Serien reinziehen. Ach nee warte! Ich geh ja auf Annas Geburtstag! Gut, dann halt eine weitere Veranstaltung ohne dich. Wirklich, ich hab gar kein Problem damit. Fuck! Ich klinge wie eine dieser verdammten Freundinnen, die niemand haben will!" Und dummerweise werden diese Freundinnen auch ganz schnell zu Ex-Freundinnen. Bevor ich noch mehr Müll labern und die unausstehliche Hexe spielen konnte, legte ich auf und atmete tief durch. Ich sollte mir nicht so viele Gedanken machen, aber... Ich vermisste ihn einfach verdammt doll.

Seit einem halben Jahr ging das jetzt schon so und ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass dieses Gespräch eben eine Ausnahme gewesen wäre. Denn das war es nicht. Ashton hatte neue Freunde gefunden und mit denen traf er sich natürlich auch, genauso wie ich mit Joe und Anna. Das führte allerdings dazu, dass wir uns inzwischen vielleicht nur noch einmal im Monat trafen.

Mit Chloe hatte ich nur noch selten Kontakt. Sie war für ein paar Monate in Amerika gewesen, in einem kleinen Dorf in der Nähe von San Francisco, wo sie an einem Schüleraustausch teilgenommen hatte. Seit sie wieder da war und festgestellt hatte, dass ich wieder mit Joe und sogar mit Anna befreundet war, war sie ziemlich auf Distanz gegangen und hing jetzt mit zwei Mädels namens Felicity und Dory ab. Ich konnte bei dem Namen 'Dory' einfach nicht ernst bleiben. Jedes Mal kam mir der Fisch aus Findet Nemo in den Kopf. Es war komisch, aber ich verstand warum sie nicht mehr viel mit mir anzufangen wusste. Ich gehörte jetzt zu den Beliebten. Durch Anna war mein Ruf ganz schön gestiegen. Ich hätte eher erwartet, dass sich die Meute von Anna abwenden würde, wenn sie mit mir abhing, aber tatsächlich akzeptierten sie mich lieber.

Ich wusste nicht so ganz, was ich mit der Situation anfangen sollte. Einerseits hoffte ich, dass es zwischen Ash und mir wieder besser werden würde, aber andererseits... So wie es jetzt aussah, würde es dazu vielleicht nicht kommen. Und ich hatte definitiv keine Lust an ihn gebunden zu sein, wenn wir doch eh kaum noch etwas miteinander zu tun hatten.

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