Kapitel 20

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Charlie:

Zwei Tage war es jetzt her.

Zwei Tage seitdem er gegangen war.

Zwei Tage in denen ich nur noch an ihn gedacht hatte.

Zwei Tage in denen ich mich immer noch nicht entschieden hatte.

Zwei Tage seitdem wir das letzte Mal miteinander gesprochen hatten.

Und ich vermisste ihn verdammt doll. Als meinen besten Freund, aber auch irgendwie auch anders. Da war noch mehr. Mir war klar, dass er recht gehabt hatte. Ich empfand mehr für ihn als bloß Freundschaft. Aber was sollte ich mit dieser Erkenntnis anfangen? Was hieß das für mich, für uns?

Er hatte sich seit Sonntag nicht mehr gemeldet. Und ich hatte ihm ebenfalls nicht geschrieben. Auch wenn es mich ständig in den Fingern juckte. Nur wusste ich nicht was ich schreiben sollte. Wie würde er reagieren? Sollte ich einfach so tun, als wäre nie etwas geschehen?

Nein. Uns beiden war klar, dass es nicht so war wie vorher. Wir hatten es getan und jetzt mussten wir eben die Konsequenzen tragen. Allerdings wusste ich nicht, was genau die Konsequenzen waren.

Und was hatte er mir sagen wollen, als er meinte 'er hätte schon länger Zeit gehabt um sich darüber Gedanken zu machen'? Wollte er mir klar machen, dass er schon länger mehr für mich empfand? Ich wollte nicht lieben sagen. Denn ich liebte ihn nicht. Ich glaubte nicht daran, dass man jemanden von Anfang an lieben konnte. Das war Schwachsinn. Man konnte niemanden lieben, den man kaum kannte. Man musste jemanden erst richtig kennenlernen. Es musste doch irgendwie Stufenweise gehen. Aber auf welcher Stufe befand ich mich dann? Und auf welcher befand sich Ashton? Denn wir kannten uns zwar, aber eben nur auf freundschaftlicher Ebene. Ich brauchte drigend einen Ansprechpartner. Dummerweise war nur mein bester Freund gerade das Problem. Und er war leider auch mein einziger richtiger Freund. Verdammt.

„Charlie, kommst du runter? Das Essen ist fertig!" rief Mom von unten. Wir waren heute bloß zu zweit zu Hause, Mia war für die nächsten zwei Tage bei Oma, und Dad... Na ja, der war mal wieder auf Geschäftsreise. Ich fragte mich, warum er und Mom überhaupt noch zusammen waren. Er war eh nie da und zwischen ihnen herrschte nur noch dicke Luft. Selbst Mia merkte das. Wenn Beziehungen so endeten, dann wollte ich definitiv keine.

Ich legte meine Sticks beiseite und lief runter. Jetzt erst viel mir auf, dass ich gar nichts gespielt hatte. Ich hatte bloß stumm vor meinem Schlagzeug gesessen und nichts gemacht. Nur Löcher in die Luft gestarrt.

Frustriert schlurfte ich in die Küche. Mom hatte bereits den Tisch gedeckt und war gerade dabei die Schalen mit Suppe zu füllen. Ich ließ mich auf meinen Stuhl fallen und beobachtete Mom, wie sie die Kelle in die Suppe tauchte und ihren Teller auffüllte. Dabei sah sie mich an. „Was ist los, Maus?" fragte sie und ich konnte eine Spur Besorgnis in ihrer Stimme ausmachen. „Nichts", murmelte ich und steckte mir schnell einen Löffel in den Mund. Böser Fehler, die Suppe war noch kochend heiß. „Au verdammt!" fluchte ich und sprang auf um mir ein Glas Milch zu holen.

„Hör auf mich anzulügen, ich weiß, dass etwas nicht stimmt", fing Mom erneut an und ich stöhnte genervt auf. Ich wollte nicht darüber reden!

„Es ist was mit Ashton oder?" hakte sie vorsichtig nach. Ich schwieg und starrte grimmig meinen Löffel an. War es so einfach zu erraten? War ich so leicht zu durchschauen?

„Ich nehme das mal als ein ja", beantwortete Mom sich ihre Frage selbst, „Hör zu, ich will dich zu nichts zwingen, aber manchmal ist es besser, wenn man darüber spricht und nicht alles in sich hinein frisst. Und du kannst immer mit mir reden..." Ich schwieg weiterhin. Doch der Knoten in meiner Brust hatte sich bei ihren Worten nur noch enger zusammengezogen. Vielleicht sollte ich wirklich einfach mal mit ihr reden... Sie bemühte sich ständig um mich und versuchte zu mir durchzudringen. Vielleicht sollte ich sie einfach mal lassen?

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