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„Du liebst ihn wirklich oder?" fragte ich erstaunt. Sie nickte ohne zu zögern.
Wow, also das war jetzt doch irgendwie überraschend. Ich hätte nie gedacht, dass Anna überhaupt in der Lage war sich richtig zu verlieben. Aber gut, das hatte ich mir zuerst auch nicht zugetraut.
„Du weißt vielleicht nicht wie sich das anfühlt, aber es ist einfach... Ich will das wieder hinkriegen!" sagte sie und ihr Tonfall war aufrichtig. Sie meinte es wirklich ernst.
Ich hätte einfach sagen können, dass ich ihr nicht helfen würde. Schließlich waren wir praktisch seit unserer ersten Begegnung verfeindet. Aber dadurch, dass ich sie verstand und dass ich dieses Gefühl kannte, entschied ich mich dann doch ihr zu helfen.
„Tauche einfach spontan bei ihm auf und sag ihm genau das, was du mir eben auch erzählt hast. Joe ist nicht dumm, er wird dich schon verstehen. Und wenn er es nicht tut, dann ist er ein Arsch und hat dich nicht verdient. Ich bin vielleicht nicht dein größter Fan, aber trotzdem solltest du nicht mit jemandem zusammen sein, der dich überhaupt nicht zu schätzen weiß." Ich war selbst ein wenig überrascht von meiner Antwort, aber es war nun mal die Wahrheit. Ich sollte Beziehungsberaterin werden.
Anna sah mich erstaunt, aber vor allem dankbar an, „Danke, ich hätte ehrlich gesagt nicht gedacht, dass du mir wirklich helfen würdest..." Ich auch nicht.
Wir schwiegen eine Weile. Dann fasste ich mir ein Herz und sprach sie auf ein Thema an, von dem ich nie gedacht hätte, dass ich überhaupt mal mit irgendjemandem darüber reden würde. Mir war aufgefallen, dass sie eindeutig ein Problem mit ihren Eltern und insbesondere mit ihrem Vater hatte. Genau wie ich. Und genau wie ich war sie absolut unzufrieden mit ihrer familiären Situation.
„Mein Vater ist auch nicht gerade ein Traum", begann ich und sie hob den Kopf um mich überrascht anzuschauen. „Er ist praktisch die ganze Zeit unterwegs und nur noch auf seine Arbeit fokussiert. Ich habe irgendwie gar keinen richtigen Kontakt mehr zu ihm und wenn ich ihn habe, dann schreien wir uns nur an. Mit meiner Mutter ist mein Verhältnis schon deutlich besser geworden, was vor allem Ashtons Verdienst ist, aber mein Vater... Ich fürchte, er hat sich seine Chance auf eine gute Vater-Tochter Beziehung verbaut. Im Moment ist er tatsächlich mal zu Hause und hat Urlaub, aber meine Mutter musste ganz schön auf ihn einreden bis er endlich zugestimmt hat. Ich wünschte nur, er wäre weiter weggeblieben. Er läuft die ganze Zeit entweder wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Wohnung, weil er etwas braucht, womit er sich beschäftigen kann, oder er hängt auf dem Sofa rum und trauert, dass er nicht im Büro sein kann. Ich glaube du und ich haben da so ziemlich das gleiche Problem, abgesehen davon, dass dein Vater reich ist", ich grinste schief und wusste selber nicht mehr so ganz, warum ich das jetzt gesagt hatte.
„Kann ich dich etwas fragen?" fragte sie, anstatt irgendetwas zu meinem Monolog zu sagen. Ich nickte. „Warum hasst du mich eigentlich so sehr?" Ich runzelte die Stirn. Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit dieser Frage. Aber sie war berechtigt. Warum hasste ich Anna eigentlich so sehr? Ich konnte mich gar nicht an eine Zeit erinnern, in der wir uns nicht gehasst hatten. Es war einfach schon immer so gewesen. Sie war einfach schon immer Miss Perfect gewesen, das Mädchen, was alles hatte und konnte und was sich um nichts sorgen musste. Und ich war neu und hatte nichts.
„Ich schätze... ich war einfach neidisch. Du warst immer besser als alle anderen und ich... ich bin mit meiner verkorksten Familie hier her gekommen und bis heute habe ich nur drei Personen kennengelernt, mit denen ich mich wirklich verstehe oder verstanden habe. Du dagegen hattest immer alles. Du bist beliebt, du siehst gut aus, jeder steht auf dich, du hast Geld, du hast immer gute Noten, du bist im Cheerleader-Team - einfach alles. Tja und ich habe das nicht."
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Little Talks
Fanfiction"Etwas außer Atem kam ich bei Alex an und wollte gerade die Tür öffnen, da hörte ich wie drinnen noch jemand spielte. Und es war verdammt gut. Das konnte eigentlich nur Alex selbst sein, aber er spielte nie wenn er alleine war. Ich stand noch eine...