Kapitel 2 - Die Begegnung

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Aurora musste sich in Bewegung setzten. Deshalb erhob sie sich und versuchte sich zu orientieren. Vorsichtig tastete die Prinzessin ihre Umgebung ab. Es war stockdunkel um sie herum. Wenn das mal kein Omen für ihr neues Leben war. Sie hatte Angst, es roch moderig, ihr war kalt und sie hatte nicht den blassesten Schimmer, wo sie sich befand. Sie stand im finsteren Nichts. In diesem Moment hätte sie viel dafür gegeben, zumindest eine Fackel in Händen zu halten. Sie hätte sie, ohne zu murren, auch selbst gehalten. Aber sie hatte keine. Auch wenn es in dem Gang eine Fackel geben sollte, so hätte sie nicht die geringste Chance gehabt, diese zu finden. Das war ihr klar und deshalb versuchte sie es auch erst gar nicht. Es war aussichtslos und das wäre nur vergeudete Zeit gewesen. Auch deshalb, weil sie nichts zum Anzuzünden dabeihatte und damit die Fackel wertlos gewesen wäre.

Ihr blieb keine andere Wahl, sie musste sich in der völligen Dunkelheit nur durch Tasten langsam vorwärts bewegen. Immer wieder hörte sie ein leises Fiepsen und war sich sicher, dass in diesem Gang Mäuse unterwegs waren. Womöglich waren es sogar Ratten, vor denen sie sich besonders ekelte. Die Prinzessin blendete solche Überlegungen aus. Sie wollte mutig sein und musste sich konzentrieren. Sie wollte hier raus und deshalb konnte sie im Moment keine Rücksicht auf ihre Ängste nehmen. Sie war keine Prinzessin mehr, sie war ein hilfloses Mädchen, das versuchen musste, allein zurechtzukommen. Sie konnte keine Bediensteten mehr herumscheuchen, sie musste alleine klarkommen.

Mit weit ausgestreckten Armen versuchte sie zu ertasten, wo die Wände verliefen. Zumindest wusste sie, dass es sich um einen Tunnel handelte. Schon bald war ihr klar, dass dieser in den rohen Felsen geschlagen worden sein musste, denn immer wieder stieß sie gegen Vorsprünge, Ecken oder Kanten. Ihre Hände waren sicher zerschunden. Mit den Füßen bewegte sie sich nur sehr langsam und vorsichtig vorwärts, um nicht zu oft und zu hart anzustoßen. Trotzdem ließ sich dies nicht vermeiden. An manchen Stellen tropfte Wasser herab. Ihr Kleid würde sicher schmutzig sein. Einmal bleib sie an etwas hängen und als sie am Kleid zog, hörte sie das typische Geräusch von reißendem Stoff. Na super! Jetzt hatte sie auch noch einen Riss im Kleid. Wie würde sie nur aussehen?

Ihr war zum Heulen zumute. Noch am Morgen hatte sie sich aufgeregt, weil die Köchin die Milch zu heiß aufgewärmt hatte. Als ob das ein Problem gewesen wäre. Sie hatte sich ja nicht einmal die Zunge daran verbrannt. Und jetzt? Jetzt kämpfte sie sich in einem finsteren Tunnel voran, hatte Angst um ihr Leben und niemand war mehr bei ihr. Sie war vollkommen allein.

Als sie sich nach einer gefühlten Ewigkeit einfach hinsetzte und ausruhte, wurde ihr klar, dass sie jedes Zeitgefühl verloren hatte. Es war etwa 10 Uhr am Vormittag gewesen, als sie der Krieger in den Tunnel geschubst hatte. Allmählich knurrte ihr Magen und sie verspürte Hunger. Daraus schloss sie, dass es bereits Mittag sein müsste. Sie hatte sich also bisher rund zwei Stunden in völliger Finsternis vorwärts gequält. Wie lange würde es noch dauern, bis sie endlich zum Ausgang gelangen würde?

Früher wäre sie am Verzweifeln gewesen und hätte sich bei ihrer Zofe beschwert. Aber diese gab es nun nicht mehr. Das war nun ihr neues Leben und in diesem musste sie tapfer sein und weitergehen. Das zumindest nahm sie sich vor und versuchte, sich Mut zuzureden. Sie würde es schaffen!

So erhob sie sich auch wenig später und setzte ihren Weg fort. Von außerhalb drangen schon lange keine Geräusche mehr zu ihr durch. Sie hörte nur ab und zu einen Tropfen, der auf den Boden fiel, das Tapsen kleiner Füße auf dem Steinboden sowie ab und zu ein leises Fiepsen. Erneut verging die Zeit und langsam sehnte sie sich danach, endlich den Ausgang zu erreichen. Dieses Vorantasten war anstrengender, als sie gedacht hätte. Zudem zehrte die Ungewissheit an den Nerven.

Sie atmete erleichtert auf, als sie nach Stunden endlich einen schwachen Schimmer in der Ferne ausmachen konnte. Als Aurora realisierte, dass es sich dabei um den Ausgang handeln könnte, wurde sie ganz euphorisch. Sie fasste neuen Mut und setzte den Weg entschlossener fort als zuvor. Mit der Zeit wurde der Schimmer stärker und sie konnte ganz leicht Umrisse wahrnehmen. Sie versuchte sich zu beeilen. Doch als sie dabei mit der Schulter hart gegen die Wand stieß und sich an der getroffenen Stelle ein Brennen breitmachte, wurde sie wieder vorsichtiger.

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