Akt XXVIII

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01.02.2020

Lee Minho

Leicht benommen torkelte Minho die Gänge des Gefängnisses entlang. Vor wenigen Minuten hatte die Sperrstunde begonnen und somit auch der nächste Tag. Die Flure wurden nur noch durch vereinzelte Lichter erhellt. Minho war zuversichtlich, dass Jeongin es noch rechtzeitig zu dem Zimmer von Felix geschafft hatte, bevor die Türen verriegelt wurden. Alleine in seiner Zelle hätte Minho den Jüngeren niemals nach diesem Angriff gelassen.

Mühevoll bog Minho um die Ecke, während er seinen Kopf gesenkt und seine Hand vor seine Nase hielt. Man sollte bloß nicht auf den Überwachungskameras erkennen, dass er eine lädierte und blutende Nase hatte. Sowieso wunderte es ihn, dass noch keine Wachmänner zu ihm gerannt waren und ihn in eine Isolationszelle gestopft haben, schließlich wanderte er außerhalb seiner Zelle während der Sperrstunde umher. Nun gut, sein Ziel war klar und deutlich sein Zimmer. Jedoch hatte er wenig Hoffnung, dass Jisung ihn hineinlassen konnte, wenn die Tür verriegelt war.

Um die nächste Ecke biegend entdeckte er einen schmalen leuchtenden Türspalt im düsteren Flur. Leicht lächelte Minho, als er ein zusammen geknautschtes Kissen zwischen Tür und Rahmen sah. Jisung hatte es einfach rechtzeitig dazwischengeschoben, damit die Tür nicht zufiel und sich verriegelte.

Hastig hielt Minho die Tür auf, kickte das Kissen ins Innere und schob sich selbst auch in den Raum. Mit einem leisen Geräusch fiel die Tür wieder ins Schloss und erweckte so Jisung's Aufmerksamkeit. Der Jüngere wurde nur spärlich von der eingeschalteten Nachttischlampe erhellt. Sofort sprang dieser alarmiert auf, als sich Minho seufzend auf sein Bett setzte und den Kopf gesenkt ließ. Jisung nahm augenblicklich neben ihm Platz und blickte besorgt zu ihm. Minho konnte es nicht verhindern, dass zwischen seinen Fingern etwas Blut lief und als Tropfen auf den hässlichen Boden landete. Leise schrie Jisung auf, als er dies sah und stand sofort wieder auf. Nachdenkend drehte er sich erstmal im Kreis.

„Oh Gott... Oh Gott... Warum gibt's hier verdammt nochmal keinen Erste-Hilfe-Kasten?", nuschelte er aufgewühlt. Normalerweise hätte Minho dieses Verhalten sogar als süß und niedlich betitelt. Weniger süß und niedlich war es, dass der Jüngere nun etwas Stoff von einem Bettdeckenüberzug abriss. Es war nebenbei Minho's Überzug und es war auch sein Kopfkissen in der Tür gewesen. Warum nahm sich Jisung immer seine Sachen? Eine Antwort würde er wohl nie bekommen.

„Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht.", meinte Minho belegt und bekam eine dramatische Szene zu Gesicht, als sich Jisung mit großen Augen zu ihm umwandte.

„Nicht so schlimm?! Aus deiner Nase kommt unaufhörlich Blut?! Die ist bestimmt gebrochen!", gab Jisung theatralisch wieder, während er aus einer halbleeren Flasche Wasser auf das Stück Stoff goss.

„Übertreib mal nicht. Ich hatte schonmal eine gebrochene Nase. Das fühlt sich anders an. Außerdem ist Hyunjin ein Schwächling."

Leise seufzte Jisung und gab es auf, Minho einzureden, wie schlimm die ganze Sache doch war. Schmollend setzte sich der Jüngere wieder neben ihn und hielt das nasse Tuch hoch.

„Pfoten weg.", meinte Jisung und ließ keine Widerworte zu. Bei jedem anderen hätte Minho nicht gehorcht, aber bei Jisung wurde er schwach und wandte sich zu diesem um. Langsam nahm er seine Hand hinab und blickte zu dem Jüngeren auf. Deutlich konnte er in den schönen braunen Augen erkennen, wie es Jisung selbst wehtat, den Älteren verletzt zu sehen. Sanft begann dieser mit dem Tuch über die empfindliche Haut zu streichen und das Blut wegzuwischen. Minho schloss seine Augen und genoss die behutsame Behandlung, sowie die Wärme, die von dem Körper neben ihm ausging. Es war ein wirklich schönes Gefühl, welches Minho bereits jetzt vermisste, wenn er daran dachte, dass ihre gemeinsame Zeit nur befristet war.

Leise seufzte Minho als er auch noch sanfte Finger an seiner rechten Wange wahrnahm. Jisung war viel zu gut zu ihm. Minho hatte diese wundervolle Behandlung gar nicht verdient. Er merkte, wie das nasse Tuch ein letztes Mal unter seiner Nase entlangfuhr und anschließend verschwand. Stattdessen lagen nun beide Hände an seinen Wangen und heißer Atem traf auf seine Lippen. Vorsichtig öffnete Minho seine Augen, bloß um anschließend direkt in die strahlend braunen Seelenspiegel von Jisung zu blicken. Seine Wangen waren rosig und seine Lippen einladend.

„Darf ich... dich küssen?", hauchte er leise, als hätte er Angst die Stimmung mit seinen Worten zu unterbrechen. Statt zu antworten beugte sich Minho die letzten Zentimeter, die sie voneinander trennten, vor und legte langsam und behutsam seine Lippen auf die des Jüngeren. Ihre Augen fielen sofort zu und Jisung's Hände wanderten von den Wangen in den Nacken des Älteren, um ihn noch näher an sich zu ziehen, als würde ihm die momentane Nähe nicht ausreichen. Minho wollte so viel mehr, aber er wusste auch, dass Jisung immer noch ein unglaublich zerbrechliches und unschuldiges Wesen war. Mit seiner leidvollen Vergangenheit und den Schmerzen, die er hatte mit sich schleppen müssen, konnte Minho einfach nicht egoistisch werden. Er hätte Jisung so gerne gezeigt, wie schön es sein könnte mit jemand wichtigen intim zu werden.

Ganz vorsichtig legte Minho seine Hände an die schmale Taille des Jüngeren. Er war so unglaublich zart in seinen Armen, dass es Minho schon beinahe Sorgen machte. Sachte drückte er seine Lippen etwas fester an die von Jisung und vertiefte so den harmlosen und doch süßen Kuss. Umso mehr verwunderte es Minho, dass Jisung von sich aus, seinen Mund leicht öffnete, als wolle er ihn einladen oder locken, seine Mundhöhle zu erkunden. Wenn der Jüngere schon von sich aus die Initiative ergriff, würde Minho nicht ablehnen. Also ließ er langsam und forschend seine Zunge, in die noch für ihn fremde Mundhöhle gleiten. Jisung seufzte leise in den Kuss und verwunderte den Älteren für einen ganz kurzen Moment. Das hätte er nicht so früh erwartet. Nun gut, Jisung war höchstwahrscheinlich sehr empfindlich für solche Berührungen oder hatte er solche Küsse einfach noch nie in seinen Leben erhalten. 

Minho schnaufte leise. Seine Nase begann langsam anzuschwellen. Ganz zaghaft stupste er also die Zungenspitze des Jüngeren an, welcher ihm sofort entgegenkam. Minho spürte eine angenehme Wärme in seinem Inneren aufsteigen. Dieser Kuss brachte ihn zum Schmelzen und er hoffte, dass Jisung ebenfalls dieses Gefühl genoss. Und dies schien er auch, als er dieses Mal etwas lauter keuchte, da sich ihre Zungen nun etwas ungestümer gegeneinander bewegten. Einem Reflex folgend schlang Minho seine Arme stärker um den schlanken Körper und legte seine Hände auf den Rücken ab. Da die Position für Jisung scheinbar etwas unbequem wurde, schwang er ein Bein über Minho und setzte sich breitbeinig auf den Schoss des Älteren.

Minho musste zugeben, dass diese neue Nähe eine Spur Sinnlichkeit in ihren Kuss mogelte und ihn ein wenig wuschig machte. Jedoch gab es an der ganzen Sache ein kleines Problem. Minho merkte, wie seine Nase mittlerweile von der Verletzung ziemlich dicht machte und er kaum noch Luft in seinen eigenen Körper bekam, weshalb ihm auch ein kleines bisschen schwindelig wurde. Sanft löste sich Minho von Jisung und schob diesen an den Schultern ein klein wenig von sich. Langsam öffneten sich ihre Augen und die Lippen waren noch ganz kurz mit einem hauchdünnen Speichelfaden verbunden, welcher sich kurzdarauf löste. Verdammt, sah das heiß aus. Minho schlug sich imaginär auf den Hinterkopf. Das war der falsche Moment.

Jisung wirkte weggetreten und blinzelte einige Male, bis er sich wieder fokussierte. Fragend sah er zu Minho, welcher ihn verschmitzt angrinste.

„Tut mir leid, ich hab keine Luft mehr bekommen. Meine Nase schwillt gerade an.", gestand er entschuldigend. Jisung sah ihn mitleidig an und strich besorgt mit einer Hand über die Wange des Älteren.

„Schon gut. Können wir kuscheln...?", fragte Jisung ein bisschen beschämt nach.

„Klar."

„...und knutschen?"

„Alles, was du willst~ Aber gib mir ein paar Atempausen dazwischen.", entgegnete Minho ehrlich, legte seine Hände unter die Oberschenkel des Jüngeren und erhob sich mit diesem, um zu dessen Bett zugehen. Leise quiekte Jisung auf und schlang seine Arme wieder fest um Minho's Schultern.

Nun, Minho's Bett konnten sie schließlich fürs Kuscheln ausschließen. Kissen auf dem staubigen Boden. Bettdeckenüberzug zerrissen. Danke, Jisungie~

Law Of Total MadnessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt