Akt IV

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05.01.2020

Bang Chan

„Hast du den Stoff? Ich will mich vergessen.", flüsterte Hyunjin leise und lehnte sich neben den Älteren an die Wand, welcher seine Augen geschlossen hatte.

„Weißt du wie es ist, nicht mehr schlafen zu müssen, weil du einfach total zugedröhnt bist?", meinte Chan und öffnete seine Augen.

„Nein, das Zeug macht mich müde.", entgegnete der Jüngere und blickte erwartungsvoll zu Chan. Er hob eine Augenbraue und streckte seine rechte Hand aus. Leise seufzte Chan und holte aus seiner Hosentasche ein kleines Plastiktütchen. Er drückte es in Hyunjin's Hand und schloss wieder seine Augen. Er wollte nicht mit dem Jüngeren reden. Er wollte einfach nur seine Ruhe.

„Danke.", war das einzige, was Chan noch von Hyunjin vernahm, als sich die Schritte wieder entfernten. Tief holte er Luft. Warum war es hier so stickig? Er wollte schlafen. Er war müde, aber sobald er tief schlafen würde, würden die Monster ihn wieder in seinen Albträumen verfolgen und das wollte er vermeiden. Er wollte nicht schreien und Felix aufwecken.

Er hörte wieder Schritte, die direkt vor ihm stehenblieben. Er roch einen bekannten Duft. Es musste Woojin sein, der sich vor ihn gestellt hatte.

„Bang Chan.", sagte der Wachmann ruhig, wodurch der Angesprochene seine Augen wieder öffnete und in das bekannte Gesicht sah. Genau musterte er den Älteren und wollte sich jeden Zentimeter einprägen.

„Warum bist du noch hier? Es ist gleich Sperrstunde. Du solltest in der Zelle sein.", meinte Woojin und deutete an, Chan zu seinem Zimmer zu begleiten. Ohne irgendwelche Widerworte folgte der Australier dem anderen. Sie sprachen nicht miteinander, was auch nichts Besonderes war. Das Wachpersonal war immer so, wobei Woojin noch zu der netten Sorte gehörte. Andere seiner Art zögerten nicht den Insassen zu zeigen, dass sie nicht nur die unterste Klasse aller Menschen waren, sondern nur noch irgendwelche Tiere, die man treten und bestrafen konnte. Menschenrechte kannte man nicht, zumindest nicht hier.

„Geh jetzt hinein und versuch zu schlafen.", meinte Woojin und öffnete die Tür. Im Zimmer war es komplett dunkel. Leicht nickte Chan und verschwand in der Dunkelheit. Die Tür fiel leise ins Schloss und Chan stand einfach da. Sollte er das Licht einschalten, um den Weg in sein Bett zu finden?

„Chan?", ertönte eine tiefe Stimme aus dem Nichts. Felix war wach. Natürlich war er wach. Es war noch nicht sonderlich spät und er würde nicht so früh einschlafen können. Es wunderte Chan sowieso, dass Felix in Zeiten großer Unruhe im Gefängnis noch ruhig schlafen konnte.

Chan kniff seine Augen leicht zusammen, als Felix plötzlich das Licht einschaltete und dann fiel Chan auch wieder auf, dass er dem Jüngeren gar nicht geantwortet hatte.

„Was ist mit dir? Hast du etwas genommen?", hakte der andere nach und setzte sich in seinem Bett auf. Seine blonden Haare standen wild von seinem Kopf ab. Leichte Besorgnis war in den Augen des Jüngeren zu erkennen. Chan dankte immer wieder den Göttern oder dem Schicksal, -je nach dem, was es auf ihn abgesehen hatte-, dafür, dass er Felix als seinen Zellengenossen hatte. Die beiden Australier verstanden sich gut und halfen sich gegenseitig. Felix hatte Chan schnell als guten Freund und Vertrauensperson ins Herz geschlossen. Der Jüngere war nicht für das Leben im Gefängnis gemacht. Chan hatte ihn erst nach Wochen ihres Kennenlernens gefragt, warum er einsitzen musste. Man fragte im District 9 ungern nach dem Grund des Urteils. Felix saß wegen Steuerhinterziehung ein. Soweit es Chan erfahren hatte, ging es um eine erheblich hohe Geldsumme. Felix war mittlerweile enttäuscht von sich selbst und bereute seine Tat, aber in diesem Gefängnis konnte sich der junge Australier nicht verstecken und wurde ebenfalls vom Wahnsinn verfolgt.

„Nein, bin gerade auf dem Trockenen. Hyunjin war nur eben bei mir.", erklärte Chan ruhig und setzte sich auf sein Bett. Er sah kurz zu Felix, fischte noch ein paar kleinere Plastiktütchen mit einem weißen Pulver aus seiner Hosentasche und ließ anschließend diese unter seiner Matratze verschwinden. Felix beobachtete das Tun des Älteren skeptisch und blickte ihn anschließend fragend an.

„Hast du dich im Zellenblock umgehört?", hakte er nach. Chan verstand sofort, worauf Felix hinauswollte.

„Changbin kommt erst aus der Isolationshaft heraus, wenn Dr. Kim das Einverständnis gibt. Er saß bereits drei Mal im letzten Monat. Die werden bald härter bei ihm durchgreifen, wenn er sich nicht mal in den Griff bekommt.", erklärte Chan ernst und entdeckte den Unmut in den Seelenspiegeln des Jüngeren. Felix war der Grund, warum Changbin immer wieder in die Isolationshaft musste. Andere Insassen sahen ihn als einfaches Opfer, um ihn zu schikanieren oder zu belästigen, was aber Changbin nicht zu ließ und dass auf eine äußerst aggressive und gewalttätige Art und Weise. Dem letzten Typen, der sich an Felix vergreifen wollte, hatte er nicht nur die Nase und einige Rippen gebrochen, sondern beinahe ins Koma geprügelt. Das Wachpersonal musste hart durchgreifen. Chan erinnerte sich ungern daran, wie schockiert er neben einem leichenblassen Felix gestanden hatte und das gesamte Szenario aus einer sicheren Entfernung beobachtet hatte. Er wollte es sich nicht einmal bildlich vor seinen Augen widerrufen.

„Ich hoffe, er ist bald wieder da.", gab Felix bedrückt von sich und starrte auf seine Bettdecke. Er gab sich selbst die Schuld für Changbin's Situation, weil er sich nicht selbst wehren konnte.

„Hey, mate. Mach dir nicht so viele Gedanken. Changbin wird bald wieder bei uns sein und dann wirst du ihn wiedersehen.", versuchte Chan Felix wieder etwas aufzumuntern und lächelte schwach, „Leg dich wieder hin und schlafen ein wenig. Du brauchst die Ruhe."

Nach diesen Worten löschte Chan einfach das Licht und das Zimmer wurde in Dunkelheit getaucht. Das Rascheln von Bettwäsche war zu hören.

„Was ist mit dir, Chan? Du brauchst doch auch mal Ruhe.", hakte Felix leise nach, als wolle er die Stille in der Zelle nicht stören. Chan blickte in die Leere.

„Ich bin ruhlos."

Law Of Total MadnessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt