16.01.2020
Han Jisung
Müde saß Jisung auf seinem Bett und starrte an die Decke, mal wieder. Er hatte nicht wirklich viel zu tun. Minho hatte ihn wieder alleine gelassen. Bestimmt würde er bald wiederkommen und ihn anschreien oder ankeifen. Nichts Neues. Nichts zum Abgewöhnen.
Jedoch war dieses Mal etwas anders. Jisung war neugierig. Als Minho den Raum verlassen hatte, war er gegen seinen Bettpfosten gestoßen, wodurch etwas unter seinem Bett zum Vorschein gekommen war. Etwas was Jisung neugierig machte. Es war eine kleine Kiste, unscheinbar und doch im Zimmer auffallend.
Jisung wusste, dass es nicht richtig war und er dafür viel Ärger bekommen würde, aber letztendlich hatte er es gewagt, aufzustehen und sich auf den Boden vor der Kiste hinzusetzen. Sollte er es wagen? Er musste doch mal etwas Neues sehen, Dinge erfahren und nicht nur einfach in seinem Zimmer vegetieren. Er machte doch sonst nichts anderes. Jisung ließ sich von seinen bemitleidenswerten Gedanken berieseln und hatte ständig Angst von Minho angefallen zu werden.
Vorsichtig streckte er seine Hände aus und nahm den Deckel der Kiste ab. Zum Vorschein kamen viele Zettel. Es waren Briefe, so wie es aussah. Verwirrt legte Jisung seinen Kopf schief und nahm einfach dreist den obersten Brief heraus. Er sollte das nicht tun. Er sollte es nicht lesen, aber letztendlich konnte er nichts gegen seine Neugierde unternehmen und entfaltete das Blatt Papier. Seine Seelenspiegel huschten über die geschwungene Schrift.
Annyeonghaseyo Hyung!
Ich habe mich sehr gefreut, dass du mir dieses Mal so schnell zurückgeschrieben hast. Dein letzter Brief hatte mich sehr beunruhigt und ich hatte schon Angst gehabt. Es freut mich, dass du dich langsam wieder etwas erholst.
Eomma will mich immer noch nicht zu dir lassen. Ich würde dich gerne wiedersehen. Ich vermisse dich sehr. Wie lange ist es schon her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben? Vier Jahre? Ich habe das Gefühl, dass die Zeit schnell vergeht, aber für dich muss sie unendlich langsam verstreichen, oder? Ich verspreche dir, dass wir uns bald wiedersehen. Du wirst erstaunt sein, wie groß ich mittlerweile geworden bin. Hehe...
Ach ja, du hattest mich ja gefragt, wie es bei mir auf der Arbeit läuft. Es ist alles gut. Die Detektei läuft gut, genauso wie die ganzen Zusammenarbeiten. Damit komme ich eigentlich zu deiner Bitte aus deinem letzten Brief. Hyung, du weißt, dass das eigentlich ziemlich kompliziert ist. Aber wie der Zufall es will, habe ich noch einen neuen Auftrag vor Kurzem hereinbekommen und ich kann ihn ganz gut mit deiner Bitte verbinden. Ich werde mein Bestes tun, um die Wahrheit herauszufinden. Es wird natürlich schwierig, also wundere dich bitte nicht.
Ganz nebenbei, ich kenne mich ja nicht so extrem mit Liebe und Beziehungen aus, -hoffentlich sterbe ich nicht einsam und verlassen als Jungfrau-, aber ich glaube es wäre das Richtigste, wenn du ihm deine Gefühle erklärst. Es muss auch seltsam für dich sein.
Ich glaube aber, da muss ich sowieso selbst noch ein bisschen Erfahrung sammeln, bevor ich dir nützliche Ratschläge geben kann. Gib nicht auf. Iss immer genug und denk daran: Lächeln und winken. Du kannst sie nicht alle töten.
Wir sehen uns. Hab dich ganz doll lieb.
Liebe Grüße, dein kleiner Bruder <3
Jisung ließ den Brief sinken und dachte verwirrt nach. Minho hatte einen jüngeren Bruder, der scheinbar sehr hinter ihm zu stehen schien. Ihre Mutter schien ihnen aber den Kontakt zu verbitten. Jisung konnte sich schon denken, dass sie bestimmt dachte, dass Minho einen schlechten Einfluss auf seinen Bruder haben könnte. Ein bisschen Sorge machten die geschriebenen Wort Jisung schon. So wie es aussah, ging es Minho vor kurzer Zeit nicht allzu gut. Was für eine Bitte hatte er an seinen Bruder geäußert? Von welchen Gefühlen sprach er?
„Na? Macht es dir Spaß in privaten Dingen anderer Leute herumzuschnüffeln?", ertönte die gehässige Stimme vom Türrahmen. Jisung zuckte heftig zusammen und zog seinen Kopf ein, als Minho die Tür hinter sich schloss und bedrohlich auf ihn zuschritt.
„I-Ich... Es... Es tut mir leid.", gab Jisung von sich und senkte seinen Kopf. Angst machte sich in ihm breit, als Minho ihm den Brief entriss und mit seiner rechten Hand ausholte. Fest kniff Jisung seine Augen zusammen und wartete auf den Schlag, welcher aber nie eintreffen sollte. Vorsichtig öffnete Jisung wieder seine Augen und bemerkte, dass Minho in Mitten seiner Bewegung angehalten war. Traurig lag sein Blick auf den Zeilen des Briefes in seiner Hand. Er ging einige Schritte rückwärts und setzte sich auf sein Bett. Behutsam als wäre der Brief etwas Zerbrechliches, faltete er das Papier wieder zusammen und legte es zurück in die Kiste, während er einen anderen Brief hervorholte und auch dort über die Zeilen las.
Jisung musterte Minho aus großen Augen. Er begriff nicht ganz, was gerade passiert war. Minho war wütend, -zurecht-, weil er einfach seine privaten Dinge angesehen hatte. Er wollte Jisung schlagen und für diese Frechheit bestrafen, aber er konnte es nicht tun. Jisung hatte schon öfters bemerkt, dass Minho gar nicht so unantastbar war, wie er sich ständig gab. Er war genauso ein Mensch, wie jeder andere hier und er hatte Gefühle. Seine Augen besaßen eine unendliche Traurigkeit, wenn er hören musste, dass andere ihn als Monster betitelten.
„Weißt du, mein kleiner Halbbruder hat eine Detektei und arbeitet oft mit der Sonderkommision der Polizei zusammen. Verkorkste Welt, oder? Sein großer Bruder ist aber ein Auftragskiller, der im Knast einsitzt. Er hatte es nie jemanden verraten und das verstehe ich auch. Er hat Angst seine Detektei zu verlieren, wenn das ans Tageslicht kommen sollte.", begann Minho in einem Plauderton zu erzählen und wirkte dabei irgendwie auf einmal ganz weit weg, „Er ist wirklich ein sehr guter Detektiv. Schlau, talentiert und kann Menschen gut manipulieren. So ein bisschen wie Seungmin. Wenn das hier nicht das wahre Leben, sondern ein Buch oder ein Film wäre, dann wären Seungmin und mein Bruder wahrscheinlich gegenseitige Kontrahenten. Beide weisen dieselben Stärken auf, kämpfen aber auf unterschiedlichen Seiten. Mein Bruder kann sich gut in Rollen versetzten. Er hätte auch ein Schauspieler werden können, leider neigt er dazu sich in seinen Rollen zu verlieren."
„Wofür benötigt er diese Rollen?", hakte Jisung nach und glaubte sogar Antworten auf seine Fragen zu erhalten.
„Wenn er Aufträge bekommt, bei welchen er Leute ausspionieren oder beschatten muss, dann tarnt er sich und wird zu jemand ganz anderen. Manchmal wirkt es so, als würde er es alles als Spiel sehen. Deshalb habe ich manchmal Angst, dass er so werden könnte wie ich. Unsere Mutter hasst mich und will nicht, dass wir deshalb Kontakt haben."
Jisung nickte leicht. Er hatte also richtig gedacht, als er sich Gedanken um die Familienverhältnisse gemacht hatte.
„Welche Bitte hattest du an ihn gerichtet?", fragte Jisung leise.
„Alles zu seiner Zeit... Ich will keine falschen Hoffnungen machen, wenn es nicht klappt.", antwortete Minho nur ruhig und packte auch den anderen Brief in die Kiste, welche er mit dem Deckel wieder verschloss. Einen letzten Blick legte Jisung noch auf die Kiste, als Minho sie nun für immer unter das Bett schob.
Niemand sollte je wieder einen Blick in diese Kiste werfen.
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Law Of Total Madness
Fanfiction„𝕎𝕚𝕝𝕝𝕜𝕠𝕞𝕞𝕖𝕟 𝕚𝕟 𝕕𝕖𝕞 𝕘𝕣öß𝕥𝕖𝕟 𝕦𝕟𝕕 𝔸𝕦𝕤𝕓𝕣𝕦𝕔𝕙 𝕤𝕚𝕔𝕙𝕖𝕣𝕤𝕥𝕖𝕟 𝔾𝕖𝕗ä𝕟𝕘𝕟𝕚𝕤 𝕊ü𝕕𝕜𝕠𝕣𝕖𝕒𝕤 𝔻𝕚𝕤𝕥𝕣𝕚𝕔𝕥 𝟡. 𝔻𝕒 𝕕𝕒𝕤 𝕙𝕚𝕖𝕣 𝕖𝕚𝕟𝕖 𝔾𝕖𝕗ä𝕟𝕘𝕟𝕚𝕤𝕚𝕟𝕤𝕖𝕝 𝕚𝕤𝕥, 𝕤𝕥𝕖𝕚𝕘𝕥 𝕞𝕒𝕟𝕔𝕙𝕖𝕟 𝕀𝕟𝕤...