Akt XI

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12.01.2020

Bang Chan

Überfordert saß Chan an der Bettkante und strich Felix tröstend über die blonden Haare. Bitteres Schluchzen verließ den Mund des Jüngeren, während er sich zu einer Kugel zusammengerollt hatte. Seine Augen waren gefüllt mit unzähligen Tränen. Was war nur in seiner gestrigen Therapiesitzung passiert, dass er so aufgelöst zurückgekommen war?

„Hey, es wird alles wieder gut, Lix.", hauchte Chan fürsorglich. Gestern hatte Felix wie versteinert gewirkt und hatte kein Wort von sich gegeben. Erst heute Morgen war er total aufgelöst und schluchzend aufgewacht. Ein Albtraum schien ihn verfolgt zu haben.

Behutsam schloss Chan den Kleineren in eine Umarmung und wiegte ihn wie ein weinendes Baby in seinen Armen. Fest presste sich Felix in das T-Shirt des Älteren und heulte den Stoff an der Schulter voll. Chan hatte irgendwann sein Gefühl für die Zeit verloren und wusste nicht mehr, wie lange die beiden in ihrer Zelle dagesessen hatten.

„Du weißt, du kannst immer mit mir über alles reden, wenn dich etwas bedrückt.", bot Chan hilfsbereit an. Er wusste, dass Felix eine arme Seele war und einfach nicht die nötige Charakterstärke hatte, um hier im District 9 sich durchzuboxen. Schniefend schüttelte der Jüngere seinen Kopf an der Schulter des anderen. Er wollte nicht darüber reden oder eher, er durfte nicht darüber reden. Chan war misstrauisch genug, um Seungmin zutrauen zu können, dass er etwas Krummes am Laufen hatte. Seungmin war nicht hier, um ihnen wirklich zu helfen.

„Hör zu, Felix. Es ist noch früh. Leg dich wieder hin und versuch noch ein bisschen zu schlafen.", schlug Chan vor und strich Felix noch einmal kurz durch die zerzausten blonden Haare. Mit rot angelaufenen Augen und laufender Nase blickte Felix hinauf und schniefte herzzerreißend. Langsam nickte er und löste sich von Bang Chan, um sich wieder in das Bett zulegen. Sanft deckte Chan den Jüngeren noch zu und setzte sich wartend auf sein Bett. Er beobachtete Felix bis dieser wieder eingeschlafen war.

Leise und heimlich schlich sich Chan aus ihrem Zimmer und sah sich suchend im Flur um. Es war noch recht früh, weshalb noch kaum Menschen sich in den Gängen herumtrieben. Chan lief einige Wege ab, bis er die Person fand, die er gesucht hatte.

Woojin.

Der Wachmann ging locker seine Morgenroutine durch und überprüfte ob niemand in der frühen Morgenstunde Lärm machte, schließlich war die Sperrzeit ab 5 Uhr morgens aufgehoben. Woojin drehte eher gelangweilt seinen Schlagstock an der Schlaufe umher. Chan hatte noch nie erlebt, dass der Ältere den Gegenstand willkürlich verwendet hatte, sondern nur zur Selbstverteidigung. Chan konnte es sogar nachvollziehen. Schon allein die Vorstellung, dass ein wahnsinnig gewordener Changbin oder Hyunjin ihn angreifen würden, reichte aus, um den beiden eine auf den Deckel geben zu können. Verdient hätten sie es bestimmt schon, zumindest Hyunjin. Bei Changbin war Chan selbst manchmal verwirrt, da dieser öfters aus der Situation heraus agierte. Hyunjin war da eher der Psychopath unter den beiden.

„Woojin?", sagte Chan ruhig und kam dem Wachmann entgegen, der eine Augenbraue verwundert, aber nicht überrascht, anhob.

„Bang Chan.", grüßte Woojin nickend und blieb stehen, „Was gibt's?"

Chan und Woojin waren sich immer gut gesinnt. Chan hatte nie Probleme gemacht und konnte sich deshalb immer gut mit dem Wachmann unterhalten.

„Ich hätte da eine Frage.", begann Chan und sah zu, wie Woojin kurz über seine Schulter blickte, um die Position der Überwachungskamera zu überprüfen. Leicht lehnte er sich an die gegenüberliegende Wand. In den Totenwinkel, wo sie niemand sehen würde. Chan stellte sich ebenfalls neben Woojin und lehnte sich an die Wand.

„Was willst du wissen?"

„Felix geht es seit seiner letzten Psychologiesitzung miserabel. Ich weiß, du darfst eigentlich nicht darüber reden, aber weißt du, was dort vorgefallen ist. Ich möchte ihm irgendwie helfen."

Woojin seufzte leise und steckte seinen Schlagstock in die vorgesehene Halterung an seinem Oberschenkel. Er verschränkte seine Arme vor der Brust und wirkte ernst.

„Die Kameras waren aus.", gab Woojin zu und blickte anschließend zu Chan, „Was ich dir aber verraten kann, ist, dass Changbin ebenfalls dort war und sie zusammen ihre Sitzung hatten. Du kennst Seungmin. Er hat bestimmt wieder eines seiner kleinen Psycho-Spielchen mit ihnen getrieben."

„Scheiße... Wieso darf jemand wie dieser Typ noch praktizieren?", fragte Chan rhetorisch und strich sich durch seine blassblonden Haare, die ihn gemeinsam mit seinem blassen Gesicht, manchmal wie eine lebende Leiche aussehen ließen. Hin und wieder fühlte er sich auch genauso.

Woojin blieb stumm. Es frustrierte Chan, weshalb er sich leise an den Wachmann wandte: „Das stresst. Hast du vielleicht..."

Woojin seufzte, starrte stur an die Wand gegenüber und zog etwas aus seiner Hosentasche heraus. Chan's Hand schloss sich um die von Woojin. Sofort spürte er das kleine Plastiktütchen an seiner Handinnenfläche und nahm es an sich, um es anschließend heimlich in seiner Hosentasche zu verstauen. Es war nichts neues. Eine Gewohnheit, wenn man es so betiteln durfte.

„Danke, Woojin. Du hast etwas gut bei mir.", meinte der Häftling und drückte sich von der Wand ab. Er schaute zu dem Wachmann, welcher ihn mit einem bemitleidenswerten Blick ansah.

„Chan?", fragte der Ältere ernst, „Für dich hat sich hier drin doch im Vergleich zu da draußen nie etwas verändert, oder? Du bist süchtig. Du verkaufst deinen Körper wie eine Nutte für den Stoff, der dich gerade so ein bisschen lebendig fühlen lässt."

„Autsch! Das tat mir sogar etwas weh.", gestand Chan und hielt sich seine flache Hand vor die Stelle, wohinter sich sein Herz befand. Ein schwaches Lächeln legte sich auf seine Lippen, aber erreichte nie seine Augen.

Es hatte sich wirklich nichts für ihn verändert.

Law Of Total MadnessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt