Kapitel 1

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„Stimmt! Ich glaube, heute Abend wird richtig schön", sagte Chloe verträumt und imitierte ihre Zwillingsschwester damit perfekt. Innerlich lachte sie sich eins ins Fäustchen. Ihre besten Freundinnen kauften ihr doch tatsächlich ab, dass sie Aliana war. Chloe liebte es, Streiche zu spielen, was auch der Grund dafür war, dass sie so gut mit James und Fred befreundet war.

Während Sophie und Melia weiter über den anstehenden Winterball redeten, dachte Chloe daran zurück, wie sie und James sich in ihrer ersten Woche in Hogwarts angefreundet hatten.

Etwas verunsichert betrat Chloe den Gemeinschaftsraum. Normalerweise war sie nie schüchtern, aber nun war sie zum ersten Mal alleine, ohne ihre Schwester bei sich zu haben. Diese war nämlich nach Ravenclaw gekommen und Chloe nach Gryffindor. Genau, dachte Chloe, sie war nach Gryffindor gekommen. Das hieß, dass sie mutig war! Und Chloe war mutig. Sie war immer die Draufgängerin gewesen, während Ally eher die Schüchterne war. Entschlossen straffte Chloe die Schultern und sah sich um. Sie war gut darin, auf andere zuzugehen. Sie würde schon Freunde finden! Frage war nur wer.

Ihr Blick streifte ein paar Gruppen älterer Schüler, bis sie schließlich an einem Mädchen und zwei Jungen in ihrem Alter hängen blieb. Die drei waren heute mit ihr eingeschult worden. Allerdings schien es nicht so, als ob sie sich gerade nett unterhielten. Einer der Jungen wollte dem Mädchen, das mit dem Rücken zu ihm stand, an den Haaren ziehen. Schnell griff Chloe ein. Sie war zwar zu weit weg, um dazwischen zugehen, aber sie war schließlich nicht um sonst eine Hexe. „Tarantallegra!", rief sie leise und richtete ihren Zauberstab auf den Jungen. Leider machte er genau in dem Moment einen Schritt nach vorne und griff in die schwarzen Locken des Mädchens. Chloes Fluch traf stattdessen den anderen Jungen, der danebenstand und seinen Freund kichernd beobachtete. Sofort begann er unkontrolliert zu tanzen. Er vollführte eine ausladende Drehung und stieß die anderen beiden um. Ups! „Finite!", sagte Chloe schnell und sofort hatte der schwarzhaarige Junge die Kontrolle über seine Beine wieder. Das Mädchen begann die beiden Jungen anzuschimpfen, was das sollte.

Schnell lief Chloe zu ihnen. „Hi, ich bin Chloe! Das ist doch auch euer erster Tag, oder?" Drei verwunderte Gesichter drehten sich zu ihr.

„Ja und der fängt super an! Erst zieht mir einer von denen an den Haaren und dann rennt mich der andere um wie ein Wildgewordener. Jungs halt... Ich bin Melia", antwortete das Mädchen nach einem kurzen Moment. „Ohh ich bin mir sicher, das war nicht böse gemeint. Oder Jungs?" Grinsend sah sie die beiden an. „Ja, tut mir leid! Ich bin übrigens Fred, Fred Weasley." „Und ich bin James Potter." „Und das soll uns jetzt beeindrucken, oder was?" Natürlich konnte Chloe mit den Namen Potter und Weasley etwas anfangen, so wie jeder in der Zauberwelt. Doch davon ließ sie sich nicht beeindrucken.

Trotz des anfänglichen Streits setzten die vier sich zusammen und begannen sich zu unterhalten.

„Übrigens, Kleine, den Fluch wirst du mir sowas von heimzahlen", flüsterte James Chloe in einem unbeobachteten Moment ins Ohr. „Welcher Fluch?", fragte sie unschuldig und sah ihn mit einem engelsgleichen Gesicht an. „Jaja, tu nur unschuldig!"

Am nächsten Morgen war Chloe mit pinken Haaren aufgewacht. Daraufhin hatte sie James Schnürsenkel verknotet und er hatte all ihre Socken verschwinden lassen. Eine Weile lang hatten sie sich gegenseitig Streiche gespielt, bis sie bemerkt hatten, dass es viel mehr Spaß machte, gemeinsam anderen Striche zu spielen. Von da an waren sie beste Freunde gewesen.

„Erde an Aliana!", rief Melia und riss Chloe somit aus ihren Gedanken. Es dauerte einen kurzen Moment, bis sie begriffen hatte, dass mit Aliana sie gemeint war. „Tut mir leid, ich war in Gedanken. Was gibt's?" Die beiden lachten leise. „Typisch Ally... Wir haben dich gefragt, ob du weißt, wo die anderen bleiben. Wir waren schon vor fünfzehn Minuten hier verabredet." Mit ‚hier' war das alte Klassenzimmer gemeint, das die Freunde als Lounge benutzten. Schließlich waren Ally, Sophie und Tyler in Ravenclaw und Melia, Fred, James und Chloe in Gryffindor.

„Nö, keine Ahnung." Chloe zuckte mit den Schultern. Dabei wusste sie ganz genau, warum „Chloe", also Ally, und Tyler noch nicht da waren. Sie hatte dem Pärchen extra eine falsche Uhrzeit gesagt, damit sie eine halbe Stunde Zeit hatte Aliana zu spielen. Dass James und Fred zu spät waren, war nichts Neues. Die Frage, wo sie blieben, erübrigte sich aber in dem Moment.

Die Tür wurde schwungvoll aufgerissen und die beiden betraten den Raum. „Moin Mädels!" „Ihr seid zu spät", kommentierte Sophie, ohne Freds Begrüßung zu erwidern. Der zuckte nur mit den Schultern und ließ sich auf den Sessel neben Melia fallen. „Wir mussten noch was erledigen." „Und was?" „Das ist noch geheim", mischte James sich ein und setzte sich zu Chloe auf die Couch.

„Außerdem haben wir doch nichts verpasst, oder? Ally und Tyler sind ja auch noch nicht da." Verwirrt sahen Sophie und Melia ihn an. „Ähm... Du sitzt neben Ally?" Doch James grinste nur und legte Chloe einen Arm um die Schultern. „Quatsch! Das hier ist Chloe, ihr Blindfische. Nicht wahr, Babe?" Erstaunt sah Chloe ihren besten Freund an. Wie zum Henker hatte James sie schon wieder erkannt?

„Ich hab nichts gesagt, seit ihr reingekommen seid. Ich hab sogar Allys Klamotten an. Woher weißt du bitte, dass ich es bin?" James grinste selbstgefällig. „Ich würde meine beste Freundin unter tausend Doppelgängerinnen erkennen!" Dann lehnte er sich ein Stück zu ihr und raunte: „Aber es war dein Blick, der dich verraten hat, als ich über unsere geheime Erledigung geredet habe." „Mist!", rief Chloe und seufzte. Sie schaffte es nie, James zu täuschen.

Melia und Sophia sahen immer noch verwirrt zwischen James und Chloe hin und her. „Chloe?" „Warum zum Henker hast du uns 20 Minuten lang vorgespielt, du wärst Ally?", fragte Sophie und schüttelte den Kopf. „Die Frage ist eher: Warum habt ihr nicht erkannt, dass ich es bin? Wir kennen uns seit sechs Jahren. Aber es war auf jeden Fall lustig!" Chloe zuckte nur mit den Schultern und grinste. Melia warf ein Kissen nach ihr. „Mach sowas nie wieder! Wie soll ich denn je mit einer von euch über die andere lästern?" Gespielt schockiert hielt Chloe sich die Hände vors Herz, als hätte Melia ihr ein Messer in die Brust gerammt. „Du lästerst über mich? Und ich dachte, wir wären beste Freundinnen..." James zog sie an sich. „Du hast ja noch mich."  Nun legte sich ein diabolisches Lächeln auf ihr Gesicht.

„Oh Jamsie, ich bin so froh, dass ich dich habe! Du musst mir unbedingt helfen!" Sie klammerte sich an seinen Arm. „Ich kann mich einfach nicht entscheiden, welches Kleid ich nachher anziehen soll. Außerdem bekomme ich diesen verdammten Eyeliner-Strich nicht hin. Kannst du ihn mir bitte ziehen? Und meine Haare! Die müssen auch noch gemacht werden. Oh, was würde ich nur ohne dich machen..." Mit einem panischen Blick versuchte James, von ihr wegzurutschen, doch Chloe kam ihm immer näher.

„Hilfst du mir mit meinen Haaren? Und der Lippenstift! Dunkelrot oder eher natürlich? Was steht mir besser?" „Hilfe!", rief James verzweifelt. „Rette mich doch jemand aus der Hölle!" Mit solchem Mädels-Kram konnte er einfach nichts anfangen. Doch die anderen sahen den beiden nur amüsiert zu.

Schließlich sah James sich gezwungen, sich mit einer Kitzel-Attacke gegen Chloe zu wehren. Erschrocken quietschte sie auf und versuchte nun ihrerseits, von ihm wegzukommen. Er hielt sie jedoch mit einem eisernen Griff fest und ließ nicht locker. „Jaaames!", rief Chloe zwischen ihren Lachanfällen. „Lass das! Stopp!" Doch er dachte gar nicht daran. „James Sirius Potter, wenn du nicht sofort..."

Allerdings ging in diesem Moment die Tür erneut auf und Tyler kam gefolgt von der echten Aliana, die Chloe wirklich eins zu eins glich, herein. „Was ist denn hier los?" Endlich ließ James von Chloe ab, die erleichtert aufatmete.

„Potter foltert mich!", beschwerte sie sich direkt. „Ich hab mich nur verteidigt!", erwiderte dieser. „Ach, ich frag gar nicht. Sind wir zu spät?", meinte Aliana resigniert. Solche Szenen war sie bereits gewöhnt. „Ja, so ungefähr eine halbe Stunde", antwortete Sophie. „Wo wart ihr so lange?" Irritiert sah Tyler auf die Uhr. „Aber es ist doch halb?" „Genau, wir waren um Um verabredet." Verwirrt blickten die beiden sich an. „Chloe hat gesagt um halb!" Nun richteten sich sechs vorwurfsvolle Blicke auf Chloe. Abwehrend hob diese die Hände. „Upsi?" „Oh Mann, Chloe!", rief Melia aus. „Du sagst deiner Schwester extra eine falsche Uhrzeit, damit du so tun kannst, als wärst du sie?" „Du hast so getan, als wärst du ich? Wir hatten uns doch darauf geeinigt, dass wir nur einvernehmlich Rollen tauschen!", beschwerte sich Ally. „Wehe du hast irgendwas in meinem Namen angestellt!" „Keine Sorge!", beschwichtigte Chloe ihre Schwester. „James hat mich sofort enttarnt." „Sofort nachdem du uns 20 Minuten lang reingelegt hast...", mischte sich Melia gespielt beleidigt ein. „Tut mir leid?"

Der WinterballWo Geschichten leben. Entdecke jetzt