Chapter 4

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Als ich heute Morgen dann aufwachte war es ruhig. Zu ruhig meiner Meinung nach, was mich zum Nachdenken brachte. Mein Vater hätte um diese Uhrzeit eigentlich schon wach sein müssen und Randale machen. Machte er nämlich ständig. Naja auch egal.

Ich stand auf und lief ins Badezimmer. Putze mir die Zähne. Flocht mir die Haare und zog mir meine graue Jogginghose an. Ich schmiss meine Sachen die ich fürs Training brauchte in die große schwarze Tasche, zog mir meinen Hoddie über und kletterte wie jeden Morgen auch aus meinem Balkon.

Samstag und Sonntag versuchte ich so wenig wie möglich zu Hause zu sein, denn es war nicht auszuhalten. Das war wirklich schade, denn ich war früher wirklich gerne zu Hause und vor allem fühlte ich mich auch wohl hier, doch mein Vater, der macht alles kaputt. Durch ihn versuchte ich immer wieder irgendwohin zu flüchten, diesen schrecklichen Dingen zu entgehen und versuchte ein anständiges und normales Leben wie alle andere Menschen auch zu führen. Teilweise gelang es mir, an einigen Tagen jedoch nicht sonderlich, egal wie sehr ich mich auch darüber bemühte normal zu sein und heute mal zum Beispiel nicht aus meinem Fenster zu klettern wie Spiderman.

Ich steckte mir meine Kopfhörer in die Ohren und lief jetzt erst mal zu der Trainingshalle.

Als ich das große und auch schon heruntergekommene Gebäude sah freute ich mich innerlich schon total. Ich ging auf die kleine Gruppe zu, die sich dort vor dem Eingang versammelt hat und machte die große schwere Tür auf.

Die kleinen stürmten rein und konfrontierten mich sofort mit Fragen. Ich stellte meine Tasche ab und schloss meinen IPod an die Musikanlage. Ich drehte die Musik voll auf. Denn Bass auf höchste Stufe, machte es am meisten Spaß.

Ich stellte mich vor die Gruppe und zeigte den kleinen ein paar Schritte zum Aufwärmen, die sie nach tanzen sollten. Danach brachte ich ihnen meine neue Choreo bei.

Ja. In meiner Freizeit brachte ich Kindern das tanzen bei. Es waren welche im Alter von 7 dabei, aber auch größere im Alter von 14 oder 15. Ich tat es gerne, denn ich selber tanzte mittlerweile seit schon über 12 Jahren und diese Kids kamen meistens aus schlechten Verhältnissen. Einige Kinder hatten Alkoholiker als Eltern, Drogenabhängige und gewalttätige Eltern. Väter die zum Beispiel im Gefängnis waren und jetzt meinten ihre Kinder verprügeln zu müssen. Ich wollte diesen Kindern einige schöne Stunden mit Freude und Spaß schenken. Sie aufheitern, sie wieder richtig lachend sehen. Sie aus ihren schrecklichen Verhältnissen holen für einen Moment, sodass sie alles vergessen konnten und das hier und jetzt genießen konnten. Ihnen die Möglichkeit geben sich auszutoben, herum zu albern und einfach mal unbeschwert Spaß zu haben, denn einige von ihnen kannten sowas nicht. Sie waren ängstlich, oft verschlossen. Doch mir vertrauten sie sich an.

Zwei Stunden vergingen wie im Fluge und das Tanztraining beendete ich dann somit.

Ich verabschiedete mich schweren Herzens von ihnen und wünschte ihnen noch eine schöne Woche und hoffte wirklich inständig ins geheim, dass alle Kids nächste Woche heile wieder zu mir kommen würden. Das ihnen nichts passiert und das ich mir nicht wieder einmal sorgen machen muss. Ein Junge 8 Jahre hatte ebenfalls bei mir getanzt. Ein liebenswerter Junge war er, tat keiner Fliege was zu Leide. Blonde Löckchen, eiskalte blaue Augen, immer wenn ich ihn sah musste ich an das typische Bild eines Engels denken. Ich erfuhr die Woche drauf, dass er von seiner Mutter erstochen wurde, einfach so. Ich kann mich jetzt noch an dieses Gefühl in mir erinnern, wie ich Gänsehaut bekam, ich war wie gelähmt, versuchte stark zu sein gegenüber den Kids, doch weinte trotzdem wie ein unaufhörlicher Wasserfall. Ich hatte es einfach nicht verstanden wie man so etwas verdammt nochmal einem Kind antun konnte. Ich hatte ihn wirklich lieb gewonnen. Er war ein bezaubernder Junge gewesen.

Ich packte meine Sachen nun zusammen, schloss die Halle ab und machte mich auf den Weg zur Bushaltestelle. Der Bus kam heute mal überpünktlich, was mich wunderte doch ich stieg ein.

Ich setzte mich ganz hinten in den Fünfer und legte den Kopf in den Nacken und schaute raus. Es dämmerte draußen schon und ich spürte wie mir die Augen leicht zu fielen. Ich schloss die Augen kurz und genoss meine Musik, die Bässe, den Rhythmus, den Text der mich zum Nachdenken brachte.

An der Endstation stieg ich dann aus. Ich ging auf eine alte Fabrik zu. Das war unser Treffpunkt. Also der meiner Clique.

Ich begrüßte alle und genoss es einfach mal mit den Jungs abzuhängen, ich hab es vermisst. All dieser Stress mit meinem Vater machte mir zu schaffen. Ich konnte all meine Probleme mit ihnen einfach mal für einen Moment vergessen und ich selbst sein. So wie ich wirklich bin und nicht so wie ich immer vorgebe zu sein.

"Oh mein Gott du kannst dir nicht vorstellen was mir die Woche passiert ist.", sagte ich aufgeregt und schaute Carlos in die Augen. Carlos war ein guter Freund von mir, denn ich schon seit zehn Jahren kannte. Steven und Lukas kenne ich ebenfalls so lange, aber die zwei waren umgezogen und deshalb auch nur übers Wochenende hier, sie schliefen dann die zwei Tage bei Carlos in der Wohnung. Während Steven und Lukas an einem Videospiel spielten konnte ich mich mit Carlos unterhalten.

"Was denn?", fragte er genauso aufgeregt wie ich und lächelte leicht. "Dieser eine... Nathan. Denn kennst du ja.", sagte ich. "Jaaa.", kam es von ihm dabei schaute er mich etwas verwirrt an. "Ich muss mit ihm ein ganzes Jahr lang ein Projekt zusammen machen." Er runzelte die Stirn. "Und dazu muss ich ihn auch noch zu meinen Außerschulischen Aktivitäten mitnehmen. Das ganze heißt "Das Gute im anderen sehen." Bahhh.", sagte ich. Carlos lachte plötzlich und ich schaute ihn etwas verwirrt an. "Aber ich denke das wird bestimmt nicht so schlimm.", kam es von ihm dann als er sich wieder beruhigt hat. Ich zog die Augenbraue hoch, verschränkte die Arme vor der Brust und schaute ihn ungläubig an. "Oh doch das wird es.", sagte ich. "Na dann viel Spaß.", rief Lukas mir belustigt zu, wobei ich nur die Augen verdrehte. Ja eindeutig, viel Spaß. Am Ende des Jahres habe ich graue Haare, das versichere ich euch. Dann bin ich Grandma Lexi.


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Aus Hass wird Liebe Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt