𝟕. 𝐄𝐯𝐞𝐥𝐲𝐧

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"Hi, ich bin Sarah." Ich schaue auf. Ein schwarzhaariges Mädchen steht vor unserem Stand und lächelt mich freundlich an. "Evelyn, hi", erwidere ich. Sarah schaut sich die Plätzchen an, die unsere Klasse gebacken hat und nun auf dem Weihnachtsbasar verkaufen würde. Wieso kommt sie mir so bekannt vor...? "Ich bin Matteos jüngere Schwester", beantwortet sie meine unausgesprochene Frage freundlich, während sie zur einer Packung mit Zimtsternen greift. Aber natürlich! Matteos kleine Schwester, die Ähnlichkeit kann man definitiv nicht leugnen. "Stimmt, Matteo hat schon viel von dir erzählt. Möchtest du die Zimtsterne kaufen?", frage ich sie. Ihre grünen Augen blitzen auf, während sie begeistert nickt. "Ja, gerne." "Das macht zwei Euro", erwidere ich und nehme das Geld entgegen, das sie aus ihrem kleinen Geldbeutel hervorholt. Plötzlich fällt mir etwas an ihrem Handgelenk auf- ein Regenbogenarmband. "Hier, bitteschön", meint sie, als sie mir zwei Münzen in die Hand drückt und mich somit aus meinen Gedanken reißt. "Oh ähm, danke." "Tschau Evelyn, bis irgendwann mal", verabschiedet sie sich und schenkt mir ein Lächeln. "Tschüss Sarah", flüstere ich. 

"Ich teile euch jetzt in Gruppen ein, in denen ihr den Arbeitsauftrag bearbeiten werdet", riss mich mein Biologielehrer aus meinen Gedanken. Die ganze Zeit, in der er uns irgendwas erklärt hatte, habe ich in meinem Block herumgekritzelt und nachgedacht. "-Lea und Samuel, Jessy und Marlen und Matteo, dreh du dich bitte zu Evelyn um", teilte er uns ein. Matteo drehte sich sofort um und schenkte mir ein strahlendes Lächeln, das ich gequält erwiderte. 

Wieso musste ich jetzt mit dem Bruder des Mädchens, das ich nicht mehr aus dem Kopf bekam, zusammenarbeiten?

"Hi Evelyn." "Hi", murmelte ich und kritzelte weiter an meinen Zeichnungen rum. Stille. "Ähm... Weißt du, was wir machen müssen?", fragte Matteo mich nach einer Zeit. "Nein", antwortete ich knapp. Ich hörte den Schwarzhaarigen leise seufzen. "Tja, ich auch nicht", erwiderte er. Ich schaute kurz auf und nickte gleichgültig. Eigentlich verstanden Matteo und ich uns echt gut, wir waren freundlich zueinander und führten das eine oder andere Gespräche- jetzt wo ich Sarah wieder gesehen hatte, ging es aber nicht mehr so leicht. "Ich frage Maja danach einfach, ob sie uns ihre Lösungen gibt", meinte er schließlich. "Mach das", sagte ich. 

Es war kein Geheimnis, dass die schüchterne und begabte Maja einen dezenten- eher gesagt echt heftigen- Chrush auf Matteo hatte. Zu ihrem Pech erwiderte dieser es überhaupt nicht, außer nette Gespräche und Fragen nach Hausaufgaben bekam sie von ihm also nichts. 

"Wie lange arbeitest du schon auf dem Weihnachtsmarkt?", fragte Matteo plötzlich. Probierte er ernsthaft ein Gespräch aufzubauen? "Seit letztem Jahr", erwiderte ich und legte meinen Stift zur Seite. Es wäre fair, wenn ich Matteo schlecht behandeln würde, nur weil seine Schwester und ich eine schlechte Vergangenheit miteinander hatten. Und gegen ein bisschen Smalltalk sprach ja nichts. Im Gegenteil, ich freute mich, wenn ich mal mit jemanden ein Gespräch führen konnte. Zuhause passierte das ja nicht gerade oft...

"Ich habe bei dem Süßwarengeschäft "Schleckermaul" angefangen zu arbeiten, in der Weihnachtszeit brauchen sie aber paar Mitarbeiter für ihren Stand "Das Knusperhäuschen" beim Adventsmarkt", erzählte ich. Matteo nickte interessiert. "Und da arbeiten du und Fynn paar Mal in der Woche?" Nachdenklich betrachtete ich ihn. Er wusste noch den Namen von meinem Arbeitskollegen? Ich wusste nicht, ob das ein Zeichen war, oder ob Matteo einfach nur ein gutes Namensgedächtnis besaß. Beim nächsten Mal, wenn ich Fynn sehen würde, musste ich ihn ausquetschen. Seinen Blicken bei ihrem ersten Treffen zu urteilen, schien er den Schwarzhaarigen ja recht ansprechend zu finden.

"Ja, genau. Wir haben beide etwa zeitgleich angefangen bei dem Geschäft zu arbeiten." "Versteht ihr euch gut?", hakte der Schwarzhaarige weiter nach. Ich lächelte leicht. "Also anfangs fiel es uns echt schwer miteinander klar zu kommen, mittlerweile sind wir aber echt gute Freunde." Matteo lächelte ebenfalls. Ein Grübchen durchfuhr seine Wange. Genau das gleiche, wie Sarah es hatte. "Das ist ja schön", sagte er.

Ich überlegte. Die ganze Zeit ging das Gespräch von Matteos Seite aus. Nun müsste eigentlich auch ich eine Frage stellen. Mir fiel aber nur ein Thema ein, dass ich ansprechen könnte.

Sarah.

Sollte ich es tun? Wollte ich überhaupt etwas über sie wissen?

"Du warst doch mit deiner Schwester beim Weihnachtsmarkt, nicht wahr? Wie war gleich ihr Name? Sarah?" Ich spürte, wie mein Herz sich schmerzhaft zusammenzog, als ich ihren Namen laut aussprach. Matteos braune Augen blitzten freudig auf. "Ja, genau, Sarah! Sie ist zwei Jahre jünger als ich, aber trotzdem unternehmen wir viel", erzählte er freudig. Ich konnte aus seinem Gesichtsausdruck ablesen, wie wichtig ihm seine Schwester war. Wieder fühlte sich mein Herz an, als würde es gleich zerbrechen. "Das ist schön", brachte ich hervor. 

Die Pausenglocke machte sich laut bemerkbar. Schnell packte ich mein Zeug zusammen, verabschiedete mich von Matteo und verließ hastig den Raum. In dieser Stunde hatte ich erneut ein Teil meines Herzens verloren.

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Erneut ein kleiner Rückblick auf Sarahs und Evelyns Geschichte...

Frage des Tages: Seid ihr in Sachen Geschenke jemand, der recht früh alles beisammen hat oder auf den letzten Drücker noch etwas besorgen muss?

xoxo -F

Last christmasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt