𝟖. 𝐌𝐚𝐭𝐭𝐡𝐞𝐨

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"Wollen wir etwas unternehmen?", fragte ich, als ich kurz zu meiner Schwester ins Zimmer kam. Sie saß mit Kopfhörern am Schreibtisch und schrieb etwas in ein Heft. Um sie herum lagen drei aufgeschlagene Bücher. "Huh?", meinte sie und legte ihre Kopfhörer ab. "Ich habe gefragt, ob wir etwas unternehmen wollen", wiederholte ich meine Frage. Sarah schien zustimmen zu wollen, dann fiel ihr Blick auf ihren vollbepackten Schreibtisch und sie seufzte. "Nein, ich kann nicht. Ich muss leider noch für meine Bioklausur üben", murmelte sie missmutig. Ich warf ihr einen mitleidigen Blick zu. "Oh, dann viel Erfolg beim Lernen." Sie nickte, setzte ihre Kopfhörer auf und widmete sich wieder ihrer Vorbereitung. Ich betrachtete sie noch kurz, dann verließ ich ihren Raum. 

"Ich gehe noch kurz auf den Weihnachtsmarkt", meinte ich zu meiner Mutter, die in der Küche stand und das Abendessen anfing vorzubereiten. "Schon wieder?", fragte sie nach und zog eine Augenbraue nach oben. Ich wich ihrem fragenden Blick aus und trat von einem Fuß auf den anderen. "Ja, ich muss etwas geliehenes wieder abholen", sagte ich. "Wem hast du was geliehen?", hakte sie nach und trank einen Schluck von ihrem Tee. "Ich habe einem Mitarbeiter bei einem Stand, bei dem eine Mitschülerin von mir arbeitet, meinen Schal geliehen", erklärte ich. Meine Mutter schwieg für eine Weile und musterte mich still. "Wie heißt er?", wollte sie schließlich wissen. "Fynn", erwiderte ich. Sie nickte und trank einen weiteren Schluck. "Um sieben gibt es Abendessen. Hab Spaß", verabschiedete sie sich schließlich. Ich drückte ihr einen Kuss auf die Wange, verabschiedete mich ebenfalls und verließ die Küche. 

Eine Busfahrt und einen fröstelnden Fußmarsch später erreichte ich den festlich geschmückten Weihnachtsmarkt, den man wegen den bunten Lichtern und der fröhlichen Musik schon aus der Ferne erahnen konnte. Es war Dienstagabend und nur wenige Leute, die sich nach der Arbeit noch einen Glühwein genehmigen wollten, waren anzutreffen. Ich schlenderte mit einem seligen Lächeln von einem Stand zum anderen, bis ich "Das Knusperhäuschen" erreichte. Zwei mir bekannte Gesichter kassierten gerade ein älteres Pärchen ab. Brav stellte ich mich an und wartete, bis ich dran war. Als die beiden mich erkannten, nickte Evelyn mir zu, Fynn lächelte erfreut. 

"Hi Evelyn", begrüßte ich die Rothaarige zuerst. Sie lächelte kurz. "Hey Fynn", wandte ich mich dem Blauäugigen zu, der mich ein verlegenes Grinsen schenkte. An seinem Hals erkannte ich meinen Schal, den er sich bis hoch zum Kinn umgewickelt hatte. "Hi Matteo, wie geht's?", fragte er mich schüchtern. Ich musste lächeln. Ich mochte seine schüchterne und ehrlich gesagt ganz süße Art. "Ganz gut, Schule ist ein bisschen stressig, aber sonst ist alles gut", beantwortete ich seine Frage. "Und wenn ich hier bin, geht es mir sowieso sofort besser", fügte ich hinzu und sah belustig zu, wie die Röte in Fynns Wangen stieg. "Uhm-ja, haha", kicherte er überfordert. 

"Magst du etwas bestellen?", mischte sich plötzlich Evelyn ein. Ich hatte schon die ganze Zeit gemerkt, dass ihr Blick zwischen mir und Fynn hin und her gewechselt war. "Nein, alles gut ich brauche nichts. Ich wollte eigentlich nur meinen Schal abholen kommen", meinte ich. Evelyns Blick schoss ruckartig zu Fynn. "Das ist Matteos Schal? Wieso hast du mir nichts davon erzählt?", fragte sie aufgebracht. Fynn strich sich verlegen eine braune Haarsträhne aus dem Gesicht. "Ich habe ihm letztes Mal meinen Schal gegeben, weil er gefroren hat", sprang ich ihm zur Hilfe. Evelyns Blick schien mich zu durchbohren. "Fynn? Wieso hast du-" "Evy, lass das", zischte dieser wütend. Ihm schien das Verhalten seiner besten Freundin peinlich zu sein, ich fand es ehrlich gesagt ganz amüsant, wie sich Fynns Wangen immer röter färbten und sein süßes Lächeln immer verlegener wurde.

Süßes Lächeln? Was dachte ich denn bitte? Schnell verscheuchte ich die Gedanken aus meinem Kopf.

"Hier Mats, dein Schal", riss der Blauäugige mich schließlich aus meinen verwirrten Gedanken und hielt mir meinen Schal hin. "Danke", erwiderte ich lächelnd. Ich mochte es, dass er mir einen Spitznamen gegeben hatte. Gab es für Fynn einen schönen Spitznamen? Fynnie? Funny? Fynniefunfun?

"Mach doch, du hast nichts zu verlieren", hörte ich Evelyn zischen. Unauffällig probierte ich ihrem Gespräch zu folgen. "Mann Evelyn, nein. Du weißt doch gar nicht was abgeht", wehrte Fynn energisch ab. "Aber du findest doch, dass-" "Ich muss wahrscheinlich gleich gehen, es gibt bei uns bald Abendessen", band ich mich wieder ins Gespräch ein. Beide schauten ruckartig auf. "Ja klar, guten Appetit. Und bis bald vielleicht", verabschiedete Fynn sich hastig. Ich nickte zustimmend und schenkte ihm ein freudiges Lächeln. Als ich mich aber umdrehte, um zu gehen, ertönte Evelyns Stimme erneut. 

"Ey Matteo warte!" Ich blickte zurück und schaute sie fragend an. "Hier, Fynns Nummer, damit ihr ein weiteres Treffen ausmachen könnt, da unsere Arbeitszeiten vielleicht verschoben werden. Wir wollen ja nicht, dass ihr euch verpasst", meinte sie, klimperte mit ihren Wimpern und hielt mir einen kleinen Zettel hin, den ich überrumpelt annahm. Als ich ihn auffaltete, sah ich, dass auf dem Papier eine Telefonnummer stand. Fynns Nummer. "Uhm, danke", sagte ich und wandte mich ab zum Gehen.

"Verdammt Evelyn, was soll das?", war das letzte, das ich hörte. 

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Frages des Tages: Was darf in der Weihnachtszeit nicht fehlen?

xoxo -F

Last christmasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt