𝟏𝟐. 𝐌𝐚𝐭𝐭𝐡𝐞𝐨

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Gedankenverloren starrte ich auf den leeren Chat. Ich hatte mittlerweile Fynns Nummer eingespeichert und stand nun vor dem nächsten Problem- was sollte ich schreiben? Seit Evelyn mir den Zettel mit seiner Nummer in die Hand gedrückt hatte, dachte ich nur darüber nach. Einfach hi sagen? Erklären, dass ich Matteo war? Gleich eine Konversation aufbauen oder einen Witz machen?

Plötzlich hörte ich, wie die Haustür geöffnet wurde und unten etwas krachte. Sarah war wieder da. Mit einem Lächeln auf den Lippen stand ich auf, um zu ihr zu gehen. Meine Schwester wusste sicher, wie ich Fynn anschreiben könnte. Als aus meinem Raum trat, huschte sie an mir vorbei und nur einen Moment später knallte ihre Zimmertür. Verwundert blickte ich von meinem Display mit Fynns und meinem leeren Chat auf. Was war das denn? Sonst begrüßte meine kleine Schwester mich immer, wenn sie nach Hause kam- jetzt ignorierte sie mich und schmiss Türen zu. Irgendwas stimmte nicht. 

Langsam ging ich zu ihrem Zimmer und presste mein Ohr an die Holztür. Ich vernahm ein ersticktes Geräusch- weinte sie? Vorsichtig klopfte ich an der Tür und öffnete diese einen Spalt. "Verpiss dich!", schrie Sarah mit erstickter Stimme. Erschrocken wich ich zurück, steckte dann aber doch meinen Kopf in den Raum. "Sarah? Ist alles o-" "Ich habe gesagt, dass du dich verpissen sollst!", fauchte sie. Verwirrst starrte ich sie an. Meine Schwester saß auf ihrem Bett, eines ihrer Kissen fest an sich gepresst. Die schwarzen Haare verwuschelt, die Augen sahen verweint aus. Noch immer rannen ihr Tränen wie Sturzbäche die Wangen hinab. Sie probierte einen Schluchzer zu unterdrücken. 

"Hey...", murmelte und ging vorsichtig auf sie zu. Behutsam setzte ich mich neben sie auf ihr Bett und drückte sie an mich. Kurz danach fing sie laut an zu weinen, ihr Körper bebte und immer wieder entfuhren ihr laute, verzweifelte Schluchzer. Ich spürte, wie mein Herz brach. Was war passiert, dass Sarah so am Boden zerstört war? Nach mehreren Minuten beruhigte sie sich, ihr Atem wurde gleichmäßig und auch die Tränen schienen leer geweint zu sein. Ich löste mich von ihr und schaute sie liebevoll an. "Sarah...Was ist passiert?", fragte ich sie. "Ich-" Sie räusperte sich. "Ich mag es dir nicht sagen." Enttäuscht starrte ich sie an. Was war passiert, dass sie es mir nicht erzählen wollte? 

"Okay. Du weißt aber, dass du mir immer alles sagen kannst?" Sie nickte schnell. "Wirst du mir sagen in welche Richtung es geht? Ist jemand gestorben?" Sie schüttelte den Kopf. "Ist es etwas, das man nicht mehr rückgängig machen kann?" Sie zuckte mit den Schultern. "Tut dir etwas weh? Körperlich oder seelisch?" "Mein Herz fühlt sich an, als würde es gerade in tausend Stücke zersplittern", wisperte Sarah mit erstickter Stimme. Ich umarmte sie und gab ihr einen Stirnkuss. "Hat dich jemand verletzt?" Meine Schwester nickte langsam und schluchzte leise auf. "Ach Sarah...", murmelte ich mitleidig. Liebeskummer war scheiße. Und dass es meine Kleine treffen musste, tat auch mir weh. Ich wusste, dass sie letztes Jahr für mehrere Wochen wegen jemandem schlecht gelaunt war, darüber sprechen wollte sie damals aber nicht. Irgendwann war ihre Trauerphase vorbei und kam nicht mehr zu Thema. Jetzt aber, wo ich einen ihrer Zusammenbrüche mitbekam, wollte ich ihr helfen. 

"Wer ist es?", fragte ich sie. Sie schüttelte weinend den Kopf. "Du möchtest nicht darüber reden? Okay, das akzeptiere ich. Ich möchte nur, dass du weißt, dass du immer mit mir reden kannst. Immer. Und bitte mache dich wegen dieser Person nicht fertig. Dieser Junge oder dieses Mädchen hat dich nicht verdient, wenn er oder sie dich so fertig macht." Ich sah, wie ich mit meinen Worten ein kleines Lächeln auf Sarahs Lippen zauberte. "Danke Mats", meinte sie nach einer Weile. Ich wuschelte ihr einmal durch die Haare. "Weißt du... Es ist kompliziert. Und obwohl sie mich verletzt hat, mag ich sie irgendwie noch. Aber sie mag nicht mal mit mir reden", meinte sie leise. Ich nickte mitfühlend. 

"Es ist okay zu trauern. Aber es tat mir echt weh dich so zu sehen- nur wegen einem Mädchen." "Sie ist nicht irgendein Mädchen", warf Sarah ein. Ich lächelte sanft. Es war schön meine kleine Schwester verliebt zu sehen. "Es ist süß dich verliebt zu sehen", sprach ich meine Gedanken aus. Das Lächeln auf ihren Lippen erlosch. "Ich wünschte, es wäre nicht so. Ehrlich gesagt rede ich mir ein, dass ich nicht in sie verliebt bin, damit ich den Schmerz verringern kann. Ich denke mir, dass wir vielleicht einfach nur Freunde sein könnten. Nicht dass ich glaube, dass das klappen würde..." Sie schwieg kurz. "Aber ich glaube sie möchte nicht mal mit mir befreundet sein." Es herrschte Stille. Dann atmete sie tief durch, machte ihre Haare zu einem Dutt, wischte die letzten Tränen weg und schaute mich schließlich lächelnd an. "

Aber genug von meinen Problemen. Wolltest du mich nur begrüßen oder gibt es noch etwas anderes?", fragte sie mich interessiert. Da viel mir wieder das Fynn-Problem ein. "Ähm ja." Ich kramte mein Handy hervor, während ich erzählte. "Du erinnerst dich sicher noch an den Kumpel von Evelyn, Fynn. Auf jeden Fall..." Ich öffnete den leeren Chat und hielt ihn Sarah vor die Nase. "...habe ich seine Nummer bekommen und weiß jetzt nicht, was ich schreiben soll." Meine kleine Schwester hob ihre Augenbraue. "Du hast seine Nummer bekommen?" "Ja. Von Evelyn." "Wieso?" "Damit wir uns schreiben und ein Treffen ausmachen können. Wieso sollte man sonst die Nummer von anderen Leuten haben?" 

Sarah schaute den Chat, dann mich für eine Weile an. Ich sah, wie es nachdachte. Aber über was? Schließlich nickte sie. 

"Okay, gut. Wozu brauchst du denn jetzt meine Hilfe? Schreib einfach "hey, hier ist Mats" und baue dann eine Konversation auf." Ich nickte. Ja, Sarah hatte Recht. Einfach "hey" schreiben, ganz einfach. Wieso hatte ich mir solche Gedanken gemacht, was ich schreiben sollte? "Super, so mache ich das, danke", meinte ich lächelnd und stand auf. Als ich gerade aus ihrem Zimmer gehen wollte, drehte ich mich nochmal um. "Sarah? Du weißt, dass du immer mit mir reden kannst?" Sarah lächelte. "Ja, ich weiß. Danke Mats." Ich verließ ihr Zimmer und machte mich dran, Fynn eine Nachricht zu schreiben.

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Sarah ist am Boden zerstört und Matteo macht sich Gedanken, was er Fynn schreiben soll.

Frage des Tages: Habt ihr jedes Jahr einen Weihnachtsbaum? Wenn ja, wann stellt ihr ihn auf?

xoxo -F

Last christmasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt