18. Viel besser

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Anna’s Sicht:

Ich zitterte am ganzen Körper. Meine Augenlieder fühlten sich bleischwer an. Ich versuchte meine Arme zu heben, jedoch vergeblich. Auch der Rest meines Körpers war schwach und bewegte sich keinen Zentimeter. Was ist passiert? Und wo zur Hölle bin ich? Ich spürte wie mich die Müdigkeit wieder zu übermannen schien und schon war ich wieder eingeschlafen.

„Wie lange soll es denn noch dauern?!“, hörte ich eine männliche Stimme brüllen. Sie kam mir bekannt vor, doch ich wusste nicht, zu dem sie gehörte. „Bitte beruhigen sie sich! Sie hatte einen Zusammenbruch und ihr Körper braucht etwas Zeit um sich zu erholen“, antwortete eine ruhigere Stimme. Ich wollte meine Augen öffnen, doch es ging nicht. „Und was ist mit dem Kind?“, fragte die männliche Stimme wieder. Warte? Ist das nicht Haymitch? Er ist hier! Warum ist er hier? Und warum fragt er nach dem Kind? Ich dachte, es interessiert ihn nicht? „Dem Kind geht es gut“, antwortete der andere und ich hörte ein erleichtertes Schnaufen. „Oh Gott sei Dank!“, erklang Haymitchs Stimme. Mein Herz setzte einen Schlag aus. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Er wollte das Kind! Ich hatte nur noch seine Worte im Kopf.
„Und was ist mit dem Kind?“ – „Oh Gott sei Dank!“

Ich strengte mich an und wollte so dringend meine Augen öffnen, oder irgendein Lebenszeichen von mir geben, doch mein Körper war noch zu schwach. Ich spürte, wie ich immer erschöpfter wurde, bis ich schließlich wieder in schwarz getaucht wurde.

Langsam öffnete ich meine Augen. Es war dunkel. Es roch nach Desinfektionsmittel. Ich war anscheinend im Krankenhaus. Ich blinzelte einige Male, um in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Ich lag in einem dieser weißen Betten und trug nur einen türkisen Kittel. Mein Kopf schmerzte, als ich versuchte meinen Kopf etwas zu drehen. Ich wollte meinen Arm anheben und an die schmerzende Stelle an meinem Hinterkopf fassen, aber ich konnte sie nicht anheben. Etwas überrascht sah ich meinen Arm entlang bis zu meiner Hand. Oh Gott! Ich erschrak, als ich Haymitch auf meiner Hand schlafen sah. Er hatte seine Arme verschränkt und hielt meine Hand fest in seiner. Sein Kopf war in seine Arme gebettet, er schlief. Vorsichtig drückte ich seine Hand, als er überrascht aufsah. Anscheinend schlief er nicht sonderlich fest. „Hi“, krächzte ich leise. Mein Hals war staubtrocken. Haymitch antwortete mit einem ebenso leisen „Hey“. Er sah ganz schön fertig aus. Er trug einen schwarzen Anzug, der überall Falten hatte. Die Krawatte hing gelöst an seinem Hemd. Seine Haare waren wirr durcheinander und es schien, als hätte er kaum geschlafen. „Ich hab Durst“, sagte ich mit brüchiger Stimme. „Natürlich, warte!“, sagte er mit ruhiger Stimme und drückte den Knopf an der Fernbedienung, die über dem Bett hing, um die Schwester zu rufen. Er hielt meine Hand fest und drückte sie gegen seine Wange. Ich konnte seine deutlichen Bartstoppeln spüren. Wie lange war er schon hier? Er lehnte seinen Kopf gegen meine Handfläche und schloss kurz die Augen. Ich schmiegte meine Hand an sein Gesicht und lächelte ihn leicht an.

Die Schwester kam ins Zimmer und trat ans Bett heran. „Hallo Anna-Lena. Schön, dass sie wieder wach sind“, begrüßte mich die brünette Krankenschwester. „Könnte ich ein Glas Wasser haben?“, fragte ich sie und sie nickte nur und ging zum Wasserhahn und brachte mir das Glas. Bevor sie es mir in die Hand drückte, meinte sie noch „Langsam trinken, nicht zu große Schlücke“. Langsam versuchte ich mich auf zu setzten, doch der Schmerz in meinem Kopf wurde schlimmer. „Warte!“, sagte Haymitch und drückte mich vorsichtig wieder auf die Matratze. „Haben sie vielleicht einen Strohalm?“, fragte er an die Schwester gewandt. Diese nickte und ging kurz aus dem Zimmer.

„Was machst du nur für Sachen…“, meinte Haymitch leise und nahm meine Hand wieder in seine. Ich legte mich zurück und sah an die weiße Decke. „Was war denn mit mir?“, fragte ich, ohne den Blick von der Decke zu wenden. „Der Arzt meinte, du hattest einen Nervenzusammenbruch… Es tut mir wirklich Leid“, sagte Haymitch mit brüchiger Stimme. Jetzt wand ich meinen Blick zu ihm, doch seiner war gesenkt auf unsere ineinander verschränkten Hände. „Was tut dir Leid?“, fragte ich etwas unsicher. Er ließ seinen Blick gesenkt und atmete kurz tief ein, bevor er weiter sprach: „Alles. Das mit unserem Streit, und dass ich einfach abgehauen bin. Das waren die schlimmsten Tage in meinem Leben… Natürlich will ich mich um das Kind kümmern, es kam nur so unerwartet. Aber ich kann verstehen, wenn du nicht willst, dass ich es mit dir großziehe. Nach all dem ist das verständlich…“ Überrascht über seine Ehrlichkeit legte ich meinen Zeigefinger unter sein Kinn und hob es leicht an. Er sah mich mit seinen blauen Augen an und ich konnte ihm einfach nicht länger böse sein. Ich zog ihn zu mir hoch und küsste ihn. Erschrocken riss er im ersten Moment die Augen auf, aber erwiderte den Kuss sofort. In dem Kuss lagen so viele Gefühle. Alle Ereignisse der letzten tage lagen darin. So viel Schmerz, Leid und Sehnsucht. Es war einfach unglaublich.

Wir lösten uns wieder von einander und er legte seine Stirn an meine. „Weißt du, dass du unglaublich bist?“, fragte Haymitch mit heißerer Stimme. Ich musste lachen, was er erwiderte. Die Tür ging plötzlich auf und die Schwester betrat den Raum. Als sie uns beide so nah beieinander sah, färbten sich ihre Wangen rötlich. Ihr war es anscheinend peinlich. „Ich… äh… wollte nicht stören… Hier“, sie gab Haymitch den Strohalm und verließ schnellen Schrittes das Zimmer wieder. Haymitch steckte den Strohalm in das Glas Wasser und hielt mir den Halm entgegen. Vorsichtig nahm ich einige kleine Schlücke. Es fühlte sich gut an, wie das kalte Wasser meine Kehle herunter rannte. Als ich fertig getrunken hatte, stellte er das Glas wieder auf den Kleinen Tisch neben mein Bett und fragte: „Besser?“ Ich nickte mit einem Grinsen und antwortete: „Viel besser!“

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