8. Es ist wirklich passiert...

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"Hallo, ich bin Effie. Ihr werdet bereits erwartet!" sagte sie stets höflich und lief vor uns los und wir folgten ihr.

Wir liefen einen langen Gang entlang, ich eingehackt bei Peeta, Anna bei Haymitch. An den Wänden waren riesengroße Bilder. Sie zeigten die Gewinnertribute der letzten Jahre. Auch an Haymitchs Portrait sind wir schon vorbei gekommen. Nach einiger Zeit hörte ich Anna hinter mir irgendwas sagen: "Psssssst! Cindy!!!!" Okay, das kann nur Anna sein. Dadurch, dass sie erstens nicht gerade geflüstert hat und zweitens, da wir in einem langen, leeren Gang standen, bekam es jeder mit. Effie, die zu jedem Bild einige kurze Worte sprach, stoppte ihren Redeschwall und drehte sich ebenfalls zu Anna um. Peeta und Haymitch taten es ihr gleich. Ihr Kopf wurde sofort rot und sie sah peinlich gerührt zu Boden. Ich musste lachen, da ich irgendwie wusste auf was sie hinaus wollte. Augenverdrehend drehte ich mich zu ihr um und sah sie an. Sie hatte ihren Kopf mittlerweile wieder angehoben und sah mich mit verwirrtem Gesichtsausdruck an und zeigte nach vorne auf Effie, die, wieder in ihren Geschichten vertieft, weiter sprach. Ich zuckte mit den Schultern, anscheinend hatten wir beide denselben Gedanken: Die hat sie nicht mehr alle!

Vor uns öffnete sich ein großes Tor und wir kamen in einen großen Raum. Alles war festlich geschmückt und es standen runde Stehtische an jeder Ecke.  Es war einfach gigantisch. Alle trugen schrille Kleider, hatten schräge Frisuren und unterhielten sich mit den anderen. Auch die anderen diesjährigen Tribute waren anwesend. Eine von ihnen erkannte ich sofort. Es war Sirena aus Distrikt 2. Peeta hatte mir mal von ihr erzählt, da Haymitch gemeint hatte, wir sollten uns vor denen in Acht nehmen. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie mit gefälschten Karten spielen. Bei diesem Gedanken wurde mir mal wieder klar, wie hoffnungslos verloren ich bin. Meine Knie fingen an zu zittern und ich konnte kaum atmen. Das alles ist aussichtslos! Wie soll ich das bitte hinbekommen? Ich zuckte zusammen, als ich plötzlich eine Schultern neben mir spürte. Langsam drehte ich meinen Kopf zur Seite und bemerkte Anna, die sich neben mich gestellt hatte. Ihr Blick war starr nach vorne gerichtet. Anscheinend hatte sie genauso viel Schiss wie ich. Neben ihr stand Haymitch, der in der anderen Hand ein Glas Whisky oder Ähnliches hatte. Ihm schien diese ganze Sache wenig auszumachen. Anscheinend genoss er diese Art von Leben mit vollen Zügen.

"Willkommen Tribute!" unterbrach Effie uns, die auf der Bühne vor einem Mikrofon stand. Auch die anderen Tribute und Gäste unterbrachen ihre Gespräche und wandten sich zur Bühne. Sofort kehrte Stille ein und ich befürchtete, dass jemand mein Herz rasen hören konnte. Ob es den anderen genauso geht wie mir? Es war mucksmäuschenstill. Man hätte eine Nadel auf dem Boden aufkommend hören können. Peeta, der auf der anderen Seite neben mir stand, wirkte auch etwas nervös, obwohl man es ihm kaum ansah, im Gegensatz zu mir. In diesem Moment wünschte ich mir nichts lieber, als niemals heute morgen aufgewacht zu sein. Ich wäre lieber tot, als hier. Mein Griff um Peetas Arm verkrampfte sich immer mehr und ich hatte das Gefühl ganz alleine hier zu sein. Das aber auch nur solange, bis er mir seine andere Hand auf meine legte, was mich etwas beruhigte. Ich sah zu ihm auf und er lächelte mich aufmunternd an. Er kam mit seiner Hand immer näher an mein Gesicht, bis ich bemerkte, dass er mir eine Träne von der Wange gewischt hatte. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich weinte. Es schien so, als wäre er gerade der Einzige, der mir wirklich helfen kann. Ich legte meinen Kopf auf seiner Schulter ab und schloss kurz meine Augen um mich zu beruhigen. Er schlang seine Arme um mich und drückte mich an ihn. Seine Hand fuhr langsam meinen Rücken auf und ab, was bei mir einen wohligwarmen Schauer verursachte. Ich sah wieder auf und hörte weiter gespannt zu.

"Hiermit begrüße ich sie alle herzlich zu den alljährlichen Hungerspielen! Wie sie alle wissen, werden sie in den Spielen ihr Geschick, ihre Intelligenz, ihre Kraft und auch ihren Mut beweisen müssen. Es kommt nur einer lebend aus diesen Spielen heraus." bei diesen Worten stockte mir der Atem. Erst jetzt realisierte ich, dass es wirklich passiert war. Ich war eines der Tribute und müsse bald um mein Leben kämpfen...

Ich wurde durch einen lauten schrillen Schrei aus meinen Gedanken gerissen. Ich drehte mich zu dem Geräusch um und sah Anna, die auf den Knien zusammengebrochen auf den Boden saß. Ihr Gesicht lag in ihren Händen vergraben und ihr ganzer Körper zitterte. Sie scheint es wohl auch erst jetzt realisiert zu haben. Bevor ich irgendwas hätte tun können, hatte sich Haymitch neben sie gekniet und nahm sie in den Arm. Auch eines der anderen Tribute, ich glaube aus Distrikt 10 oder 11, hatte ihr beruhigend die Hand auf den Rücken gelegt. Lautes Schluchzen war zu hören. Es war markerschütternd und ich wusste nicht, dass man so schmerzlich weinen konnte. Es zerriss mir regelrecht das Herz sie so leiden zu sehen. Hätte ich einen Wunsch frei, würde ich sie hier raus holen. Sie war immer die Stärkere von uns, doch selbst für sie ist das alles zu viel. Haymitch strich ihr mit der Hand über ihre Haare und flüsterte ihr beruhigende Worte ins Ohr, die ich leider nur ansatzweise verstand. Ich hörte etwas heraus wie "wird schon", "wirst nicht sterben" und "beschütze dich".

Anna's POV:

Es ist wirklich passiert. Ich war in den Hungerspielen. Ich werde um mein Leben kämpfen müssen. Ich konnte nichts sehen außer Schwarz, da ich meine Hände immer noch vor mein Gesicht hielt. Nicht eine Träne konnte ich mehr zurück halten. Ich war immer noch an Haymitchs Brust gelehnt und konnte einfach nicht aufhören. Zu groß war der Schmerz, zu groß war die Angst. Ich spürte, wie zwei starke Hände mich hochgezogen und schon wurde ich wieder an ihn gedrückt. Er hatte mich wieder im Arm. Das war vielleicht besser so, denn ich bezweifle, dass ich auch alleine hätte stehen können. Bei ihm fühlte ich mich geborgen und sicher, und genau das brauchte ich jetzt in dem Moment. Ich legte meinen Kopf auf seiner Brust ab und zog seinen Duft ein. Er roch einfach himmlisch. Ich vergaß alles um uns herum. In dem Moment gab es nur noch mich und ihn. Doch das machte alles nur noch schlimmer, schließlich bin ich eines der Tribute und werde mich bald verabschieden müssen… vielleicht sogar für immer.

Meine Sicht:


Mittlerweile hatte Haymitch Anna wieder etwas beruhigt. Effie hatte gerade die letzten Worte gesprochen, als sich wieder alle ihren Gesprächen widmeten und lautes Gerede zu hören war. Doch ich vergaß einfach alles um mich herum. Ich wusste es ist bald soweit. Bald werde ich den Hungerspielen dabei sein. Ich habe da doch kaum Chancen... Eine Hand an meiner Taille riss mich aus den Gedanken. Peeta. "Hey, alles okay?" fragte er mich mit besorgtem Blick. Ich nickte nur etwas und er beließ es dabei, worüber ich froh war. Ich war gerade nicht im Stande dazu, vernünftig zu Antworten. Es käme wahrscheinlich nur schwachsinniges Gebrabbel heraus. Nun kam auch wieder Effie auf uns zu gelaufen und meinte, dass die Tribute sich nun fertig für den Auftritt machen müssten.

Anna und ich sahen uns verwirrt an. Sie hatte anscheinend genauso wenig Ahnung wie ich. Peeta nahm meine Hand und begleitete, oder besser gesagt zog, mich durch die Menge. Ab und zu drehte ich mich um, um zu schauen, ob Anna und Haymitch noch hinter uns waren. Dabei bemerkte ich die herablassenden Blicke der anderen. Entweder lag es an dem Vorfall von gerade eben oder es ist die Tatsache, dass Peeta und ich, und Anna und Haymitch zusammen händchenhaltend durch die Menge gehen.

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