12. Interviews

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Schließlich war Cindy an der Reihe und betrat als nächste die Bühne. Ich muss zugeben, sie sah toll in ihrem Kleid aus. Das Publikum applaudierte laut und Cesar reichte ihr die Hand. Mit einem Kuss auf ihre Fingerknöchel stellte er sie den Zuschauern vor und sie setzten sich auf das runde Sofa. Cindy wirkte ziemlich gelassen, aber es schien nur so. Ich kannte sie mittlerweile ewig und ich wusste, dass  sie spätestens jetzt realisiert haben müsste, dass sie vor allen Leuten auf einer Bühne stand und ihr jeden Moment einen Haufen Fragen gestellt werden. „Hallo Cindy, schön das du da bist!“, fing Cesar an, „Unser Peeta hier hat schon viel von dir geschwärmt.“ Ich warf einen Blick nach links und sah, wie Peeta vor sich hin grinste wie ein kleiner Schuljunge. Auch Haymitchs Lippen zierte ein leichtes Lächeln. Cindys Wangen waren so rot gefärbt, dass sie wie eine Tomate aussah. Nervös strich sie ihr Kleid etwas zu Recht. Aber irgendwie war es auch süß. „Ich freue mich auch hier zu sein!“, antwortete sie, aber wir beide wussten, dass kein einziges dieser Tribute gerne hier sein wollte. Genauso wenig wie wir. Wir schauten alle wieder gespannt auf den Bildschirm vor uns. „Also Cindy, zuerst einmal, siehst du wundervoll aus in deinem Kleid. Wie ich gerade schon erwähnt hatte, hat Peeta bereits seine Liebe zu dir gestanden. Sind deine Gefühle genauso stark für ihn?“, fragte Cesar starr den Blick auf sie gerichtet. Im Raum wurde es totenstill. Keiner der Zuschauer machte einen Mucks. Es fühlte sich so an, als würde sich keiner trauen weiter zu atmen. Alle Kameras waren auf Cindy gerichtet, die ihren Blick leicht gesenkt hatte. Oh nein! Bitte Cindy, sei jetzt nicht so dumm und denk zu viel über das Ganze nach. Sag einfach Ja! Ich merkte, wie Peeta’s Körper sich verkrampfte und er gespannt auf den Bildschirm sah. Er hatte Schiss, eindeutig. Er begann auf seiner Unterlippe herum zu kauen und rieb sich nervös die Hände. Komm Cindy, sag endlich was. Sie hob leicht den Kopf an und ein zuckersüßes Lächeln umspielte ihre Lippen. „Ja“, antwortete sie leise. Ich hörte Peeta laut ausatmen. Sein ganzer Körper entspannte sich wieder und er grinste von einem Ohr zum anderen. Aus dem Publikum kam großer Jubel und Applaus. „Herzergreifend! Ich glaube, du hast gerade jemanden sehr glücklich gemacht, meine Liebe. Warum holen wir ihn nicht noch einmal auf die Bühne?“, fragte Cesar an das Publikum gerichtet, welches laut in die Hände klatschte und jubelte. „Peeta, komm doch noch einmal auf die Bühne zu deiner Liebsten!“, fuhr Cesar fort. Neben mir wurde Peeta mit rot gefärbten Wangen von einem Crewmitglied zur Bühne geschleift. Er betrat die Bühne und setzte sich neben Cindy. Mehr bekam ich nicht mehr mit, da mit ein weiteres Crewmitglied zu einem der Schminktische zog, damit die Visagistin mein Make-up noch mal auffrischen konnte. Mit einigen fixen Handgriffen strich sie mit tausend unterschiedlichen Pinseln einige Male über mein Gesicht. Ich betrachtete mich im Spiegel und sah, dass Haymitch hinter mir stand. Er beugte sich zu mir herunter und flüsterte mit ins Ohr: „Du siehst wunderschön aus!“ Ich spürte seinen Atem an meinem Hals, was eine Gänsehaut bei mir auslöste. Seine Worte brachten mich zum grinsen. Er drückte mir einen Kuss auf die Wange und ich stand auf, da ich jeden Moment auf die Bühne musste. So jetzt geht’s los. Cindy und Peeta kamen gerade Händchen haltend von der Bühne und grinsten beide über das ganze Gesicht. „Na ihr beiden Turteltauben?“, sagte Haymitch schmunzelnd. Ich stupste ihm mit meinem Ellebogen in die Seite. Kann er die beiden nicht einfach in Ruhe lassen? „Nun begrüßen wir unser letztes Tribut für dieses Jahr. Bitte begrüßt herzlich mit mir Anna-Lena Hümmer!“, verkündete Cesar und Haymitch scheuchte mich mehr oder weniger auf die Bühne. Tja, wird schon schief gehen. Plötzlich spürte ich ein leicht übles Gefühl in meinem Bauch. Wird wohl die Aufregung sein. Mit zittrigen Knien betrat ich die Bühne. Ein heller Scheinwerfer war auf mich gerichtet. Verdammt, waren das viele! Cesar reichte mir die Hand und wir setzten uns auf das Sofa. „Da ist wohl jemand nervös“, stellte er fest. Sieht man so arg? „Ja, etwas“, antwortete ich. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die Halle war riesig und mindestens 5000 Zuschauer saßen vor mir und starrten mich an. „Also Anna-Lena“, wollte Cesar beginnen, doch ich unterbrach ihn: „Bitte nur Anna!“ Ich hasste es Anna-Lena genannt zu werden. Cesar räusperte sich kurz und fuhr dann fort: „Also gut. Anna, du und Cindy leben zusammen in einem Haus. Wie steht sie zu dir?“ Ich brauchte gar nicht lange überlegen. „Sie ist wie eine Schwester für mich. Wir sind zwar völlig unterschiedlich, aber das ist vielleicht auch besser so. Es gibt kein ‚Mein’ oder ‚Dein’, es gibt nur ‚Unser’“, antwortete ich lächelnd. Cesar rutschte etwas näher und fragte: „Gibt es in deinem Leben eine weitere wichtige Person?“ Ich wurde rot und mein Magen überschlug sich. Plötzlich hatte ich ein ganz komisches Gefühl im Bauch. Aber woran könnte das liegen? Ich hielt mir die Hand auf den Bauch. Mir wurde unglaublich schlecht. Was ist denn jetzt mit mir los? Cesar legte eine Hand auf meine Schulter und flüsterte: „Alles in Ordnung? Du siehst ziemlich blass aus…“ Ich schüttelte unauffällig mit dem Kopf. Anscheinend verstand er es sofort und meinte nun wieder an das Publikum gerichtet: „Ich denke, das war es dann für heute! Vielen Dank an unsere Tribute!“ Somit beendete er die Show und ließ Tausende verwirrte Zuschauer zurück. Er stand auf, reichte mir seine Hand und half mir hoch. Okay, ich müsste nur noch unbeschadet von der Bühne kommen. Ich hakte mich bei ihm ein und ging die letzten Meter von der Bühne. Unten angekommen, kamen schon, Cindy und Haymitch auf mich zu und sahen mich besorgt an. „Anna? Alles Okay?“, fragte mich Cindy und sah mich verunsichert an. Ich ignorierte sie und lief einfach weiter. Ich muss unbedingt auf die Toilette, damit ich dieses üble Gefühl los werde. Ich bemerkte noch, wie Cindy mir nachlaufen wollte, doch Haymitch hielt sie auf, worüber ich grad ziemlich froh war. Sie würde sich nur wieder überfürsorglich um mich kümmern wollen, aber ich brache jetzt erst einmal einige Minuten für mich.

Auf der Toilette angekommen, konnte ich es nicht mehr zurück halten und ich übergab mich. Es fühlte sich einerseits befreiend, andererseits auch widerlich an. Nach einigen Minuten, als ich merkte, dass es das fürs Erste war, richtete ich mich wieder auf und lehnte mich an die Kabinenwand. Scheiße, was war das? Ein leises Klopfen riss mich aus meinen Gedanken. „Anna, alles okay?“, hörte ich Haymitchs Stimme durch die Tür sagen. War der die ganze Zeit hier? Hat er mich gehört? Ich hielt mir den Bauch, da ich immernoch Schmerzen hatte und öffnete langsam die Tür. Haymitchs strahlend blaue Augen sahen mich fürsorglich, aber auch mitleidig an. Ich ging an ihm vorbei und lief zum Waschbecken, wo ich mein Gesicht und die Hände wusch. Ich fühlte mich schrecklich. Plötzlich spürte ich Haymitchs große Hände an meiner Hüfte. Ich sah in den Spiegel und bemerkte, dass er hinter mir stand. Er drehte mich um, sodass ich ihm in seine umwerfenden Augen sehen musste. „Was ist los?“, fragte er mich leise und legte seine Stirn an meine. „Ich hab keine Ahnung“, antwortete ich genauso leise. Der Moment war einfach perfekt, abgesehen davon, dass ich mir vor wenigen Minuten noch die Seele aus dem Leib gekotzt hab. Plötzlich hämmerte jemand fest gegen die Tür. „ANNA! Bist du da drin? Lass mich rein!“, schrie Cindy durch die Toilettentür. Ich sah Haymitch verwirrt an. „Hast du die Tür abgeschlossen?“, fragte ich mit prüfendem Blick. Er grinste leicht und meinte: „Ich wollte nicht, dass dich jemand in so einem Moment stört“ Irgendwie war es ja schön süß von ihm. Ich wollte ihn küssen, doch nach der Aktion lass ich das besser. Er drückte mir noch einen leichten Kuss auf die Wange und ich ging zur Tür. Sobald ich sie aufgeschlossen hatte, stürmte Cindy in den Raum, packte mich an meinen Oberarmen und begann, meinen ganzen Körper nach Verletzungen oder Ähnlichem zu durchsuchen. Sie drückte mich fest an sie und sagte: „Anna! Wie geht’s dir? Was ist passiert? Fühlst du dich nicht wohl? Ist dir schwindelig? Soll ich einen Arzt holen?“ Ich verdrehte die Augen und bemerkte jetzt auch Peeta, der an den Türrahmen gelehnt hinter ihr stand. Er sah mich entschuldigend an und meinte: „Sorry Anna! Ich wollte sie aufhalten, aber ich hatte keine Chance!“ Ich grinste ihn an und sah dann zu Cindy, die leicht verlegen zur Seite schaute. Ja so kenn ich sie!

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