15. Besserung

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Es waren mittlerweile schon fast 2 Tage vergangen, in denen sich Haymitch kein einziges Mal hatte blicken lassen. Ich kann immer noch nicht glauben, dass er so ein Arsch ist. Ich hatte wirklich gedacht, dass er anders sei. Aber am meisten tut mir Anna leid. Erstens, weil Haymitch sie einfach allein gelassen hatte und zweitens, weil sie jetzt alleine mit dem Kind ist. Ich hab ihr natürlich schon angeboten, ihr zu helfen, wann immer ich kann. Aber die Aussichten sind sowieso nicht so rosig. Noch 2 Tage und dann geht’s los. Morgen wird noch mal eine Art Ball stattfinden, bei der die Tribute versuchen, durch Gastfreundlichkeit und gutem Benehmen zu glänzen. Denn, wie Haymitch immer so schön gesagt hatte, hängt unser verdammtes Leben von den Sponsoren ab. Anna sitzt schon die ganze Zeit in ihrem Zimmer und weint. Sie lässt keinen rein und weigert sich, etwas zu essen. Wenn sie so weiter macht, wird sie bald verhungern.

Ich ging gerade mit einem Tablett, auf dem ein Teller mit heißer Suppe stand, zu Anna hoch aufs Zimmer. Vor ihrer Tür blieb ich kurz stehen und atmete noch mal tief durch. Bitte, iss endlich was… Mit einer Hand klopfte ich gegen die Tür und hörte sie laut schniefen. „Ja?“, fragte sie mit weinerlicher und heißerer Stimme. „Hey, ich bin’s. Ich hab dir Suppe mitgebracht. Willst du nicht langsam etwas essen?“, fragte ich sie mit ruhiger Stimme, in der Hoffnung, dass sie zusagte. Eine ganze Zeit lang blieb es still, weswegen ich noch mal fragte. Kurze Zeit später öffnete sie, in einer Decke eingewickelt und mit rot angeschwollenen Augen, die Tür. Der Rollo war unten und im Zimmer war es stockdunkel. Sie hatte dunkle Schatten unter ihren Augen, als ob sie seit dem Abend nicht mehr geschlafen hatte. Sie wischte sich gerade die letzen Tränen von den Wangen, als sie mich ansah. Sie nickte, als Antwort auf meine Frage und ging einen Schritt zur Seite, damit ich das Tablett in ihr Zimmer tragen konnte. Mit dem Ellebogen drückte ich auf den Lichtschalter. All ihre Sachen lagen auf dem Boden verteilt. Ihre Kleider, ihre Bücher, alles. Es hat sie wohl ziemlich erwischt… Anna wischte sich mit der Decke über die Nase und setzte sich schließlich wieder auf ihr Bett. Ich stellte das Tablett auf ihren Nachttisch und setzte mich zu ihr an die Bettkante. Anna nahm sich das Tablett und stellte es auf ihre verkreuzten Beine. Ich beobachtete sie genauestens. Sie stocherte mit dem Löffel in der Suppe herum. Ihre Haare waren verwuschelt und standen von ihrem Kopf ab. Ihre Haut war bleich, noch bleicher als sonst und ihre Augen fielen ihr fast zu. Ich merkte, dass sie leicht zitterte und nur mit viel Mühe den Löffel halten konnte. Ich konnte einfach nicht länger zusehen, also nahm ich ihr den Löffel aus der Hand, tauchte ihn in die Suppe und hielt ihn Anna vor den Mund. Etwas skeptisch sah sie auf den vollen Löffel hinab, öffnete aber letztendlich doch den Mund. So ging das dann etwa zwei Minuten weiter, bis sie mir den Löffeln wieder abnahm und allein aß. Ich währenddessen saß einfach nur still neben ihr und wartete, bis sie fertig gegessen hatte. Sie hob so gut wie nie ihren Blick.

Wenige Minuten später war der Teller leer, und auch Anna schien es schon etwas besser zu gehen. Ich stellte das Tablett wieder auf dem Nachttisch ab und sah sie an. Auch sie blickte mir in die Augen, wobei mir auffiel, dass das Blau ihrer Augen kaum mehr zu sehen war. Es war eher ein helles Grau. Ihr fielen schon wieder die Augen zu, weshalb ich sagte: „Leg dich hin und schlaf endlich etwas.“ Sie nickte nur und legte sich in ihr Bett. Doch so wie sie eben war, schaffte sie es nicht, sich alleine zuzudecken, ohne dass die Hälfte der Decke dabei auf dem Boden hing oder sie verkehrt herum lag oder sich darin verhedderte. Laut zeufzend stand ich auf, nahm die Decke und deckte sie gescheit zu. Anna drehte sich um und schlief anscheinend sofort darauf ein. Ich nahm das Tablett und ging wieder  nach unten, wo Peeta schon auf mich wartete.

Es war schon ziemlich spät geworden, weshalb wir uns auf das Sofa kuschelten und eine Decke über uns warfen. Ich war froh, dass Anna endlich wieder aß und sich auch etwas Schlaf gönnte. Peeta legte seinen Arm um meine Schulter und drückte mich fest an sich. Wie ich seine Umarmungen genoss. Es gab mir das Gefühl, nicht allein zu sein, aber das wird wahrscheinlich bald nicht mehr sein. Noch zwei Tage… Wie soll ich das jemals schaffen? Vielleicht sollte ich mich gleich am Anfang umbringen, denn früher oder später wird es soweit sein. Erst diese Sache mit Peeta und mir, jetzt das mit Hannamitch und dem Baby. Das wird mir einfach alles zu viel. Ich erinnere mich nur zu gern an die Zeit zurück, in der ich ohne jeglichen Sorgen durch die Welt gerannt bin, immer Spaß hatte und mich um nichts zu kümmern brauchte.

~Nächster Tag~

Ich wachte er sehr spät auf, da Peeta und ich noch den ganzen Abend lang rumgealbert hatten, weswegen es ziemlich spät wurde. Noch sehr verschlafen rieb ich mir die Augen und schlürfte in die Küche, wo bereits eine vor sich hinsummende Anna saß. Sie spachtelte eine Schüssel mit Kelloggs, aber ohne Milch. Bei diesem Anblick kam mir der schlimmste Fehler meines Lebens wieder in den Sinn, als ich Anna eine Schüssel MIT Milch hingestellt hatte und sie es nicht essen wollte. Seitdem hatte ich dazu gelernt und tat es nie wieder. „Guten Morgen“, begrüßte ich sie lächelnd. Anscheinend ging es ihr wieder besser, sie hatte geduscht, da ihre roten Haare noch nass waren. Auch ihre Augenringe waren nicht mehr so deutlich zu sehen wie gestern. Wow, ich war überrascht darüber, wie schnell sie sich wieder aufgerappelt hatte. „Guten Morgen“, erwiderte auch sie mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen. „Na? Gut geschlafen?“, fragte ich sie und ging auf die Kaffeemaschine zu. Ohne meinen Kaffee läuft am Morgen einfach nichts. „Ja, und selber?“, fragte sie mich und aß weiter ihr Frühstück. „Ja auch gut“, antwortete ich, lehnte mich an die Küchenzeile und trank einen Schluck. Plötzlich kam Peeta durch die Tür herein und begrüßte uns mit einem „Morgen Mädels“ Er kam auf mich zu und drückte mir einen kurzen Kuss auf die Schläfe, bevor er ebenfalls auf die Kaffeemaschine zu ging und sich eine Tasse voll holte. Er nahm sich noch eine Schüssel aus dem Schrank und aß ein Müsli mit Milch und setzte sich neben Anna an den Tisch. Es schien seit vielen Tagen mal wieder alles gut zu sein, aber die Frage war, wie lange das andauernd wird. Wir werden sehen.

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