"Das heißt du bist ein Genie?"

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Die Sonne steht schon tief, als ich die letzten Sachen aus meinem Koffer in die Kommode verstaut habe. Erschöpft lege ich mich auf mein frisch bezogenes Bett. All die Aufregung und die Realität, dass ich wirklich hier bin, überschwemmt mich mit einem Schwung. Für eine kurze Zeit schließe ich die Augen und atme tief ein und aus.

Ich beschließe zur Eröffnungsfeier in der großen Aula zu gehen. Es kann nicht schaden andere Menschen zu sehen. Auch wenn wir alle auf engstem Raum zusammen sein werden. Dies wird von nun an mein Leben sein. Zumindest für eine begrenzte Zeit. Solange bis ich das Studium erfolgreich abgeschlossen habe. Ich hoffe, dass ich bis dahin es geschafft habe mich sozial weiterzubilden und keine Scheu haben werde mich mit anderen Personen zu unterhalten.

Mit meinem Plan in der Hand laufe ich über den Campus. Die Sonne lässt die Wände der Gebäude um mich herum feuerrot erstrahlen. Fasziniert gehe ich an ihnen vorbei und beachte nicht, dass ich in jemanden hineinlaufe.

"Oh! Tut mir leid", platzt es aus mir heraus.

"Ach nicht schlimm. Ich hätte auch aufpassen können." kommt es von meinem Gegenüber.

Ich schaue auf und erkenne ein Mädchen mit blonden kurzen Haaren. Sie sieht einige Jahre älter aus.

"Ich bin Alice. Wer bist du?" Sie sieht mich neugierig an. Dabei entgeht mir ihr guter Sinn für Mode nicht.

"Oh, nenn mich einfach Thalia."

"Ich glaube, dass ich doch noch nicht hier gesehen habe." Ihr Blick wirkt prüfend. So als würde sie nachdenken, ob ich ihr bekannt vorkommen würde.

"Stimmt. Bin neu hier", murmle ich in mich hinein.

"Das ist ja praktisch. Du bist wohl auf den Weg zur Feier, oder?" Sie zeigt auf die Campus-Karte.

"Wieder richtig."

"Gesprächig bist du ja nicht gerade." Ein herzliches Lachen entweicht ihr.

"Ich bin es nicht so gewöhnt mit Fremden zu reden", gebe ich ehrlich zu.

"Oh, dann tut es mir leid. Ich bin ziemlich offen gegenüber jeden."

"Schön." Ich schenke ihr ein kleines Lächeln.

"Brauchst du vielleicht Hilfe?"

"Wäre nicht schlecht." Ich überreiche ihr den Plan.

"Oh den brauche ich nicht. Komm ich führe dich hin." Sie geht los und winkt mir zu ihr zu folgen. Zögernd gehe ich neben ihr her. "Und was studierst du?" Ich sehe sie neugierig an.

"Marketing Management. Du?"

"Englische Literatur und kreatives Schreiben."

Ich schaue auf den Plan, um zu sehen, wo sie mich lang führt. Nach einer Weile kommen wir an der Aula an. Dankend sehe ich sie an. "Dann werde ich mal rein gehen."

"Ich komm mit dir mit. Drinnen sitzen ein paar Freunde von mir. Sie haben die ganze Veranstaltung geplant." Sie nimmt meinen Arm und zieht mich mit sich.

Drinnen sitzen jede Menge Menschen. Viele quatschen miteinander und zeigen aufgeregt um sich. Andere kichern und zeigen etwas auf ihrem Handy.

"Harper! Hier drüben!", ruft eine Stimme aus dem Hintergrund. Alice dreht sich suchend im Kreis und winkt dann einer kleinen Gruppe zu. Ihre Freunde. "Wir kommen zu euch!", ruft sie quer durch die Halle. Ein paar Leute drehen verwundert die Köpfe, doch das scheint sie nicht zu stören. Peinlich berührt gehe ich hinter ihr her.

Als wir bei ihren Freunden ankommen wird sie von ihren Freunden herzlich begrüßt. Ich stehe daneben und schaue mich um. Mir ist es unangenehm und andere zu beobachten gehört sich nicht.

"Leute, dass ist Thalia. Sie ist neu hier."

Ich schaue hektisch auf. Die Gruppe sieht mich lächelnd an. "Hey", sage ich und gehe langsam zu ihnen. "Wie gefällt es dir bis jetzt?", fragt ein braunhaariges Mädchen mit welligen Haaren. Ihre hellbraunen Augen blitzen vor Neugier hinter den Brillengläsern.

"Ähm...bis jetzt habe ich nur mein Zimmer gesehen."

"Da hast du ja noch einiges zu tun. Wir können dich hinterher über den Campus führen, wenn du willst."

Ich überlege. Kaum bin ich hier, schon mache ich neue Bekanntschaften. Aufs College zu gehen, verändert wirklich das Leben. "Gern."

"Ich bin übrigens Ella. Ella West. Business Management." Sie streckt mir ihre Hand entgegen.

Freut mich dich kennen zu lernen." Ich schüttle ihr die Hand.

"Setz dich zu uns."

Ich setzte mich auf den freien Platz und schaue in die Gruppe. "Wer seid ihr beiden?", frage ich die beiden Jungs, zwischen denen ich mich gesetzt habe.

"Tut mir leid. Ich bin Cody Martin und studiere seit ein paar Jahren Zahnmedizin", antwortet er und fährt sich durch seine braunen, schulterlangen Haaren.

"Und ich bin Austin Black. Kannst dir einfach merken", der andere Junge zeigt belustig auf seine ebenfalls schwarzen Haare. "Studiere Lehramt mit den Fächern Physik und Chemie."

Ich muss lachen. "Ich denke, das kann ich mir gut merken."

Während der Vorstellung konzentriere ich mich auf die verschiedenen Präsentationen. Acapella, diverse Sportgruppen, Theater. Ich weiß, dass ich mich nicht in diese eintragen werde. Gemeinschaftsveranstaltungen sind nicht mein Steckenpferd.

Nach einer Stunde ist der Spaß vorbei. Die Massen strömen aus der Aula und lassen einen leeren Raum zurück. Nur vereinzelt sitzen noch neue Studenten auf den Stühlen. Womöglich haben sie auch noch keinen Anschluss gefunden. Das ich zwischen den schon lange Studierenden sitze ist ein reiner Zufall. Verursacht von meiner Träumerei.

"Los, wir haben noch viel vor."

Ein zweites Mal werde ich am Arm gepackt. Diesmal von Ella. Ich lasse es einfach zu. Insgeheim bin ich froh, dass ich nicht viel reden musste und schon neue Bekanntschaften gemacht zu haben.

"Da du Literatur studieren wirst wäre es sinnvoll, wenn wir in die Bibliothek gehen. Dort wird es dir bestimmt gefallen", sagt Alice und geht voran. Ella läuft neben mir, während Cody und Austin hinter uns herlaufen. "Wo kommst du eigentlich her?"

"Burlington. Das ist ein kleiner Ort nicht weit von Kansas City."

"Den Ort kenne ich nicht. Ich komme aus Philadelphia."

"Danvers", kommt es von Cody.

"New York City", ruft Alice zu uns, ohne sich umzudrehen.

"Austin hat es am nächsten. Er kommt hier von der Gegend."

"Also lebst du nicht im Wohnheim?", frage ich und schaue hinter mich. "Nö. Es spart uns auch eine Menge Geld.", antwortet er und lacht.

"Ich habe ein Stipendium bekommen."

Alle bleiben stehen und sehen mich mit offenen Mündern an.

"Bitte was?", kommt es von Ella.

Ich sehe sie unsicher an. "Ja, ich habe mich beworben und ich wurde ausgewählt."

"Das heißt du bist ein Genie?", fragt Cody nach und legt einen Arm um mich.

Ich schüttle den Kopf. "Nein. Ich habe mich in der Schule angestrengt und gelernt. Mehr nicht."

Wir kommen an der Bibliothek an und ich entferne mich von Cody. Gemeinsam gehen wir durch die Türen. Als wir die große Eingangshalle betreten, komme ich aus dem Staunen nicht heraus.






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