"Was ist euer Begehr?"

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Ich spüre den Aufprall und die Kälte, welche sich schnell verflüchtigt. Ich halte unbewusst die Luft an und schaue mich um. Um uns herum erstreckt sich der weite Ozean. Nichts außer kristallklares Wasser. Ich kann unendlich weit schauen.

Kian drückt mit seinem Finger auf meine Kette. Verwirrt schaue ich ihn an, ehe ich verstehe, was er meint. Ich kann unter Wasser atmen. Zögerlich öffne ich meinen Mund und habe Angst, dass ich zu viel Wasser einatme und daran ersticke. Doch es passiert nichts. Kian hat recht behalten.

"Das ist unglaublich!", sage ich und erschrecke mich zugleich.

"So habe ich ebenfalls reagiert." Er lacht.

"Was machen wir jetzt?"

"Wir warten auf eine der Diener der Königin."

Ich schaue mich um und erkenne weit und breit nichts. Es fühlt sich immer noch merkwürdig an, dass ich Unterwasser atmen kann. Doch hier ist alles möglich.

Aus der Ferne sehe ich jemanden auf uns zu schwimmen. Doch nicht allein. Das Wesen wird von zwei Delfinen begleitet. Es ist ein Meermann. Seine weißen Haare sind nach hinten gegelt und über seinen durchtrainierten Oberkörper trägt er Ketten aus Muscheln und Gold. Die Schwanzflosse schimmert in Blautönen. Ich bin so erstaunt über seine Erscheinung, dass ich nicht bemerke, wie ich ihn anstarre. Schnell wende ich meinen Blick ab und sehe zu Kian, welcher sich ein Lachen verkneifen muss.

Der Meermann nickt ihm zu, ehe er sich umdreht und davon schwimmt. Die Delfine kommen auf uns zu. Ich schaue rüber und sehe, wie Kian sich an ihm festhält. Behutsam lege ich meine Arme um ihn und er mit mir im Schlepptau in die Tiefen des Ozeans hinab schwimmt.

Je weiter wir uns von der Oberfläche entfernen, desto bunter wird es um uns herum. Korallenriffe erwecken zum Leben und Leuchten in den grellsten Farben. Schwärme an Fischen schwimmen an uns vorbei. Eine Schildkröte schwimmt neben uns lang und ich kann nicht anders als alles mit Begeisterung zuzusehen.

Ich schaue auf und sehe das Ziel der Reise. Ein gigantisches Schloss aus Muscheln steht auf dem Meeresgrund. Daneben stehen kleine Varianten von Häusern, welche sich aufstapeln. Wie eine Stadt breitet sie sich aus. Große Korallen schmücken den Weg. Dazwischen schwimmen kleine Fische, Quallen und Delfine.

Je näher wir kommen, desto mehr Bewohner des Meervolkes kommen zum Vorschein. Es ist, als ob sie sich versteckt haben. Sie scheinen Besuch nicht zu mögen oder sind nicht an fremde Wesen gewohnt.

Mit offenem Mund betrachte ich die Umgebung und die Meerjungfrauen. So etwas gibt es wahrlich nur im Märchen. Ich kann nicht glauben, dass all das wirklich passiert. Ich träume nicht. Ich bin hellwach.

Die Meerjungfrauen sehen noch schöner und eleganter aus als ich es in Filmen gesehen oder in Sagen gehört habe. Sie tragen glitzernde Tops aus buntem Seegras oder Korallen. Die Muscheln sind in ihre Haare geflochten oder sie tragen sie als Halskette. Die Haare schimmern in rosa, lila, türkis oder weiß.

Als sie mich sehen, zeigen sie mit den Fingern auf mich und tuscheln miteinander. Haben sie noch nie einen Menschen gesehen?

Musik beginnt zu spielen. Mehrere Diener blasen in große Muscheln und kündigen die Ankunft der Königin an. Die Bewohner, welche nun in Scharen um uns herumstehen, drehen sich um und verbeugen sich.

Als die Herrscherin des Volkes heraus schreitet, verschlägt es mir den Atem. Sie gleicht einer Göttin. Ihre zierliche Gestalt wird von einem Schimmern begleitet. Die großen gelben Augen stechen aus ihrem blassen Gesicht hervor. Die weißen Haare sind kunstvoll hochgesteckt und auf ihrem Kopf ziert eine Krone aus Muscheln ihr Haupt. Die weiße Schwanzflosse ist ebenfalls mit kleinen zierlichen Perlen verziert und gleichen ihren Oberkörper.

Kian verbeugt sich galant vor ihr und ich tue es ihm gleich.

"Erhebe dich, Königssohn." Ihre Stimme klingt engelsgleich und melodisch. Fast schon als sei sie eine Sirene, welche die Männer in die dunklen Tiefen der Meere ziehen will.

Ich spüre ihre Hände auf meinen Schultern. "Du kannst dich ebenfalls erheben, Thalia."

Ich schaue auf. "Woher wisst Ihr meinen Namen, eure Majestät?"

"Das Orakel weiß mehr als du denkst. Du spielst eine entscheidende Rolle in den dunklen Zeiten, die sich in eurem Land verbreitet. Schneller als ihr denkt. Sie ist schon da und verbreitet ihr Gift im Herzen des Landes. Mit deiner Hilfe wird sich die wahre Macht im richtigen Augenblick zeigen."

"Wie meint ihr das?"

"Du wirst es noch herausfinden."

Sie wendet sich wieder zu Kian. "Was ist euer Begehr?"

"Königin Marina, wir benötigen eure Hilfe. Ihr wisst was auf uns zukommen wird. Ich habe es selbst bemerkt, dass im Palast und auch im gesamten Königreich etwas vor sich geht. Die Menschen auf dem Land vertrauen einander nicht mehr. Ein treuer Freund meines Bruders hat dies auf seinen Reisen in Erfahrung gebracht."

Fynn? Deswegen war er länger nicht im Schloss.

Königin Marina sieht ihn erschrocken an. "Lasst uns dazu ins Schloss herein gehen. Ich möchte meine Untertanen nicht in Angst versetzten."

Sie dreht sich um und deutet uns an ihr zu folgen. Wir schwimmen ihr hinterher und kommen in eine gigantische Eingangshalle, welche zugleich als Thronsaal fungiert.

"Hier sind wir ungestört", sagt sie und setzt sich auf ihren Thron, der aus tausenden von Muscheln besteht.

"Wie können wir die Gefahr unseres Landes abwenden?", fragt Kian und sieht sie hilflos an.

So habe ich ihn noch nie gesehen. Bis jetzt sah er immer selbstbewusst aus. Er muss wirklich sehr verzweifelt sein, wenn er Hilfe bei einem Volk welches Unterwasser lebt, sucht.

"Leider ist es dafür zu spät, mein Prinz. Die Gefahr ist schon längst bei euch. Sie versucht das Königreich durch einen Unschuldigen zu ihren Wünschen zu formen."

Mir fällt nur ein Name dazu ein. Lady Arwen. Die falsche Schlange versucht durch Aiden an den Thron zu kommen. Wie ich es mir gedacht habe. Der Zaubertrank lässt ihn gefügig werden, ohne dass er es bemerkt. Ich muss ihn unbedingt davon befreien.

The Power of WishesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt