"Die Geschichte der mysteriösen Kriegerin"

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Es ist überwältigend. Marmorsäulen soweit das Augen reicht. Decken mit fein verziertem Stuck. Edel. Vornehm. Als würde ich einen Palast betreten. Nur langsam gehe ich weiter, während ich immer noch von dem Marmor und der Deckenverzierungen fasziniert bin.

Das Treppenhaus schlägt die Eingangshalle. Zwei riesige Gemälde hängen jeweils an den Seiten. Dazu ein funkelnder Kronleuchter. In den Ecken stehen Sessel, welche geradezu dazu einladen länger zu verweilen.

Ich laufe weiter und finde mich in einem großen Saal wieder. Die halbrunde Decke ist mit zahlreichen Fenstern verziert. Die Nacht ist so klar, dass ich den Sternenhimmel sehen kann. Ich kann meinen Blick nicht von der Pracht der Natur richten.

Nach wenigen Minuten löse ich mich von der Starre und sehe mir die Bücherregale genauer an. Meine Finger gleiten an den alten Bücherrücken entlang. So viel Wissen steckt in all den Büchern. Man würde Jahre brauchen, um das ganze Sortiment zu lesen.

Ich bleibe bei einem Buch hängen. Es ist ungewöhnlich. Kleiner als die anderen. Der Rücken ist schmaler. Vorsichtig ziehe ich es aus dem Regal. Neugierig drehe ich es in meinen Händen. Ein feiner Goldrand ziert das Cover. In verschnörkelter Schrift steht "Die Geschichte der mysteriösen Kriegerin".

Der Ledereinband sieht neu aus und der Goldschnitt lässt das Buch in einem Glanz leuchten. Ich kann es nicht aus der Hand nehmen. Es scheint so, als würde es mich magisch anziehen. Ich schlage die erste Seite auf und sehe, dass kein Bibliotheksstempel die Seite verunstaltet. Es gehört nicht hier her. Womöglich hat es jemand vergessen. Doch solange es niemand vermisst, ergreife ich die Chance und lese es. Danach werde ich es wieder an die Stelle zurücklegen. So wird niemand merken, dass das Buch fehlt. Hoffe ich zumindest.

"Thalia!", ruft eine Stimme hinter mir. Ich drehe mich um und sehe Alice. "Erschrecke uns nicht so. Wir haben nach dir gesucht."

"Tut mir leid. Ich war so fasziniert von all dem hier", ich zeige um mich, "da konnte ich nicht anders als alles genauer zu betrachten."

"Komm wir gehen zurück. Es ist schon spät und morgen gehen die Vorlesungen los." Ich nicke verständlich und laufe ihr hinterher, dabei bedacht das Buch zu verstecken. Draußen warten die anderen bereits auf uns. Als sie uns sehen, beginnen sie zu jubeln. So, als wäre ich seit einer langen Zeit verschollen.

"Da ist sie ja", ruft Cody und wirft seine Hände in die Luft. "Tut mir leid, dass ich euch Sorgen bereitet habe. Ich habe mich in der Schönheit der Bibliothek verloren."

"Das dachten wir uns", sagt Alice und winkt uns zu sich. "Komm, wir bringen dich noch zurück."

Als ich zurück in meinem Zimmer bin, atme ich tief aus. So viele neue Leute kennen zu lernen hat mich Kraft und Mut gekostet. Sie beheben sich schon wie Erwachsene, sind jedoch nur ein paar Jahre älter als ich. Macht studieren alt? Der Stress wird mir neue Hürden setzten, so viel steht fest.

Meine Zimmergenossin ist immer noch nicht aufgetaucht. Vielleicht kommt sie gar nicht. Vielleicht hat sie sich es anders überlegt. Ich hoffe es. So habe ich wenigstens einen Rückzugsort vom stressigen Alltag.

Ich ziehe meinen Schlafanzug an und gebe meiner Mutter ein Lebenszeichen. So macht sie sich wenigstens weniger Sorgen und wird schlafen können.

Mein Blick fällt auf das Buch, welches auf meinem Schreibtisch liegt. Ich schnappe es mir und mache es mir auf dem Bett gemütlich. Vorsichtig schlage ich das Buch auf. Der Name des Autors fehlt. Merkwürdig. Ich habe noch nie ein Buch ohne Autor gelesen. Wer hat es geschrieben? Und warum hat er seinen Namen nicht drauf geschrieben? Selbst ein Pseudonym reicht. Wie konnte dieses Buch überhaupt veröffentlicht werden?

Ich blättere weiter und finde eine Karte. Es zeigt das Königreich Andastra.

Ich schlage die Seiten um und sehe ein Bild

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Ich schlage die Seiten um und sehe ein Bild. Ein Junge mit blonden Haaren und braunen Augen, welchen der Farbe von zartbitter Schokolade ähneln, lächelt mich an. Das markante Kinn und die breiten Schultern stehen ihm. Er muss ein Prinz sein. Ich lese den Namen, welches in fein säuberlicher Schrift steht: Aiden. Prinz von Andastra.

Er sieht süß aus. Das muss ich mir selbst eingestehen. Für einen fiktiven Charakter. Wenn er real wäre, sähen die Chancen anders aus. Doch so eine Person existiert nur im Buch. Nie würde sich ein Junge mit dem Aussehen für mich interessieren.

Die Jungs in all den Büchern, welche ich gelesen habe, haben meine Erwartungen für einen Freund in eine unrealistische Höhe getrieben. Es ist das gleiche wie mit Schauspielern und Musiker. Sie sind unerreichbar für ein normales Mädchen.

Ich beginne die ersten Seiten zu lesen. Die Schreibweise zieht mich magisch an und lässt mich für einen Augenblick die Zeit vergessen. Es ist so, als würde die Zeit langsamer werden, bis sie plötzlich stehen bleibt.

Aiden hat einen Bruder und eine Schwester. Alenja und Kian. Sie leben zusammen mit ihrem Vater, Ulik im Schloss in der Nähe von Estal. Einem Ort an dem das Gras grüner als im gesamten Königreich ist und die Wälder vor Leben sprühen.

Die Bürger in den umliegenden Dörfern lieben ihren König und seine Familie. Er ist gütig und gerecht. Er kämpft für die Schwachen und beschützt jeden, der danach fragt. Ulik hofft, dass sein ältester Sohn Kian ihn ablösen wird. Dazu hofft er das alle drei seiner Kinder aus Liebe heiraten. Wie er es getan hat.

Ich merke nicht wie schwer meine Augenlider werden. Ich schüttle meinen Kopf, um einen klaren Gedanken zu fassen. Müde reibe ich mir die Augen. Ein Blick auf meine Uhr genügt um mir bewusst zu werden, dass es mitten in der Nacht ist. Ich habe die Zeit vergessen.

Das Buch ist zu gut, um es wegzulegen. Wie gesagt es zieht mich immer noch magisch an. Ich fühle mich wie Harry, der das Buch des Halbblutprinzen unter seinem Kopfkissen versteckt. Mit schweren Herzen lege ich es beiseite und versuche die wenigen Stunden, bis zur Vorlesung, im Traumland zu verbringen.

The Power of WishesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt