„Wer ist das?"

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Wir setzten uns auf die freien Plätze. Kurze Zeit später erscheinen Diener im Raum und stellen jeden von uns einen Teller vors Gesicht. Es ist eine Gemüsesuppe. Möhren, Kartoffeln, Erbsen, Sellerie.

Genüsslich schlürfen, oder löffeln wir die heiße Brühe. Als wir die Teller geleert haben, werden sie sofort weggenommen und durch einen leeren ersetzt. Dafür wird vor mir einige Speisen aufgetischt. Schweinsrücken auf einem Salattablett. Dampfende Kartoffeln. Brokkoli und Schalen mit Soße. Dazu liegt ein ganzer Pfau in der Mitte der Tafel.

Wir warten bis sich der König seinen Teller mit all den Speisen gefüllt hat, ehe wir uns bedienen. Ich nehme von allen etwas. Nachdem ich die Speisen, welche ich schon kenne gegessen habe, widme ich mich dem Pfau zu. Neugierig inspiziere ich das Fleisch. Es sieht aus wie Hühnchen, duftet ebenfalls so. Also beiße ich genüsslich herein. Es ist etwas zäher als Hähnchen, doch hat es ebenfalls die gleiche Geschmacksart. Köstlich.

Ich bin eigentlich schon satt und möchte mich einfach nur zurücklehnen und verdauen, als der Nachtisch hereingebracht wird. Erdbeeren mit Schokoladen-Nusscreme. Sofort suche ich Aidens Blick, doch dieser wirkt abwesend. Ich genieße, trotz des Sättigungsgefühls, jeden Löffel bis nichts mehr übrigbleibt.

Pappensatt schaue ich in die Runde. Alle haben dieselbe Mimik. Vollgegessen. Mein Blick sucht wieder der von Aiden. Diesmal sieht er mich an. Soll ich ein Gespräch anfangen? Oder warten bis er eine startet?

Ich komme nicht dazu mir weiter Gedanken darüber zu machen. Der König erhebt sich und wünscht uns eine gute Nacht. Fynn, Alenja und das fremde Mädchen stehen ebenfalls auf und verlassen den Saal. Nun sind nur noch Aiden und ich übrig. Totenstille breitet sich über uns auf.

Ich lege die Serviette beiseite und stehe auf. Kurz bevor ich aus dem Zimmer gehe, ertönt Aidens Stimme. „Es tut mir leid, dass ich vorhin so abrupt den Raum verlassen habe. Wie wäre es, wenn wir morgen ausreiten? Nur du und ich?"

Ich drehe mich zu ihm um. Lange kann ich ihm nicht böse sein. Dazu habe ich auch kein Recht. Er wird seine Gründe dafür haben, die er mir vielleicht erklärt.

„Gern", sage ich. „Gute Nacht, Aiden."

***

Nachdem üppigen Frühstück gehe ich gemeinsam mit Aiden zu den Ställen. In Aidens Händen befindet sich ein prallgefüllter Picknickkorb und eine Decke. Arto erwartet uns bereits und hilft mir auf das karamellfarbene Pferd. Ich bin noch nie selbstständig geritten und war bis jetzt noch auf keinem Reiterhof. Wacklig will ich mich in den Sattel setzten, als Arto mein Bein über einen Knüppel legt. Verdutzt schaue ich ihn an. „Das ist ein Damensattel. Alle Damen reiten vornehm. So hat das Kleid mehr Platz und zerknittert nicht", erläutert er.

Mit zittrigen Händen greife ich nach den Zügeln. „Vertrau ihr. Sie weiß was sie macht." Arto scheint meine Unsicherheit zu sehen.

„Zur Not bin ich auch noch da und kann eingreifen", schaltet sich Aiden ein. Er wartet auf seinem Pferd vor den Ställen.

Langsam befehle ich meinem Pferd loszugehen. Es gehorcht mir und tritt zu Aiden vor.

„Ich wünsche euch einen sonnigen Tag", sagt Arto und wendet sich von uns ab.

Aiden reitet los. Ich versuche mitzuhalten. Gemeinsam reiten wir durch den Schlossgarten bis wir in einem Wald kommen. Er grenzt direkt an den Park und verbindet somit das Schloss mit der Natur. Auf unserem Weg durch das Dickicht begegnen uns Rehe, Hirsche, Wildpferde und kleine Eichhörnchen. Wir reiten weiter über weite Wiesen mit Wildblumen und ich frage mich, ob diese Blumen ebenfalls nachts leuchten, wie die im Schlosspark. Ab und an reiten wir an kleinen Holzhütten vorbei. Bei manchen stehen Hühner auf der Wiese und Kühe grasen gelassen die hochgewachsene Weide ab.

Ich versuche den Ritt zu genießen und mich mit meinem Pferd zu verstehen. Sie spürt meine Unsicherheit. Sie folgt Aidens Hengst. Manchmal hat es den Anschein, als würden sie sich absprechen.

Wir machen an einem kleinen See halt und lassen unsere Pferde auf der Wiese grasen. Ich breite die große Decke aus und lasse mich nieder. Aiden setzt sich zu mir und öffnet den Korb. Er holt zwei feine Porzellanteller, silbernes Besteck, Becher und etwas zu Essen heraus. Frische Erdbeeren, frischgebackenes Brot welches in einem Tuch warmgehalten wird, Käse, Weintrauben. Dazu holt er eine Flasche mit hellblauer Flüssigkeit hervor. 

Neugierig nehme ich sie in die Hand und betrachte sie genauer. So ein Getränk habe ich noch nie gesehen. Ob es Alkohol enthält? Oder ist es ein Saft? Doch von welcher Frucht?

„Was ist das für ein Getränk?", frage ich nach und gebe Aiden die Flasche wieder.

„Das ist Quellwasser", antwortet er.

„Einfaches Quellwasser?", hacke ich nach.

Er schüttelt den Kopf. „Es ist besonderes Wasser. Eine Mischung aus klarem Gebirgswasser mit Blütenstaub der Anam Glan Blume. Sie ist eine der wertvollsten, wenn nicht sogar die wertvollste Blume im gesamten Königreich." Er öffnet die Flasche. „Die Quelle führt nur in den Schlosspark. Nur die königliche Familie ist es erlaubt davon zu trinken. Ich habe mir eine Flasche aus der Küche geliehen."

Jetzt pruste ich los. So habe ich ihn noch nie erlebt. Leihen? Wirklich?

„Ist diese Blume magisch?"

„Ja, durch sie verblasst aller Ärger und Zorn, welcher im Inneren der Person ruhen. Wenn du in Frieden mit dir selbst bist, dann schmeckt es nur köstlich und hat keine Wirkung auf dich." Er schenkt uns etwas in die Becher ein und reicht mir einen.

Ich rieche zunächst an dem Getränk, ehe ich einen kleinen Schluck nehme. Ein süßer Geschmack rinnt meine Kehle runter. Bevor dir Flüssigkeit meinen Magen erreicht, spüre ich wie der Zorn, welchen ich unterbewusst gegen Aiden aufgrund seines Verschwindens, langsam verschwindet. Als würde es sich einfach in Luft auflösen.

„Wo wächst die Blume?", frage ich und stelle den Becher beiseite.

„Die Blume ist selten und wächst dort wo sich Einhörner aufhalten."

„Es gibt wirklich Einhörner? Bisher dachte ich, dass sie nur eine Legende sind", sage ich ehrlich und schaue in die Ferne.

„Sie sind real. Wenn du Glück hast, siehst du noch welche."

„Das wäre schön."

Er reicht mir ein paar Erdbeeren und steckt sich selber welche in den Mund. Ich schaue in den Korb und suche nach mehr der süßen Frucht, doch leider sind nur noch wenige übrig. Ich hole sie heraus. Dabei fällt mir etwas Glänzendes ins Auge. Es ist eine Münze, welche aus einem kleinen Stoffbeutel gefallen ist. Ich lasse sie zwischen meinen Fingern gleiten. Auf der einen Seite ist ein Bild eines Königs abgebildet. Auf der anderen Seite, sehe ich eine wunderschöne Frau.

Ich fahre mit den Fingern über das Profil. „Wer ist das?"

The Power of WishesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt