"Magie gibt es nicht wirklich"

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Das Rauschen der Dusche lässt mich die Realität vergessen. Ich entspanne mich und lasse die heißen Wassertropfen auf meinen Rücken fallen. Schon wieder träume ich von einem Leben in Andastra. Im Land der Fröhlichkeit.

Ich weiß, dass Aiden nicht real ist. Er ist nur ein Charakter in einem Buch. Eine Erfindung von einem Autor. Logisch, dass er der Schwarm der Mädchen ist. Mit seinem Aussehen und der Persönlichkeit bekommt jeder schwache Knie. Diese Anforderungen in der Realität, kann keiner gerecht werden. Das ist mir bewusst. Doch ich ertappe mich immer wieder dabei an ihn zu denken. Wie es wohl wäre mit ihm zu reden. Ihn kennen zu lernen. Die Person und nicht nur der Name. Immer weiter verwickle ich mich in diese Fantasie.

Erst als ich den aufsteigenden Dampf vor mir sehe, wird mir bewusst, dass ich noch in der Dusche mit laufendem Wasser stehe. Schnell drehe ich den Hahn zu und beginne mich abzutrocknen. Wieso muss ich immer zu den unpassendsten Momenten träumen? Reicht es nicht einfach nachts zu träumen und sich am Tag konzentrieren?

Mit roten Beinen, welchen den eines Krebs ähneln verlasse ich das Bad und begebe mich auf schnellsten Weg zurück in mein Zimmer. Meinen Schlafanzug habe ich vergessen und meine Sachen vom Tag wollte ich nicht frisch geduscht anziehen.

Frustriert lasse ich mich auf mein Bett fallen. Warum muss ich denn immer träumen? Es kommt unprofessionell rüber. Manchmal möchte ich diese Träumerei verbannen. Ich möchte in der Realität leben, doch diese sieht nicht immer schön aus. Deswegen flüchte ich mich oft in Fantasy Welten und verliebe mich in die Charaktere.

Am nächsten Morgen wache ich später als sonst auf. Ich muss erst geben Mittag im Hörsaal erscheinen. Noch im Halbschlaf drehe ich mich zur Seite und döse vor mich hin. Nur verschwommen nehme ich eine Person vor mir war. Doch das kann nicht sein. Ich träume noch. Wer soll schon in mein Zimmer kommen? Ich habe abgeschlossen.

Je schärfer das Bild wird, desto realer wird die Person. Hastig schrecke ich auf. Ich nehme meine Decke und wickle sie schützend um mich. "Wer sind Sie und was wollen Sie von mir?", mein Ton gleicht einem Befehl als einer Frage. Ich sehe ihn mit einem prüfenden Blick an. Er kommt mir bekannt vor. Als hätte ich ihn schon einmal gesehen.

"Aiden", sagt der Unbekannte und strahl mich mit einem Lächeln an, welches selbst der Sonne Konkurrenz macht.

Ich habe den Namen noch nie gehört. Nur gelesen. Ich schaue zum Buch, ehe sich mein Blick wieder auf ‚Aiden' fixiert. "Das ist nicht möglich."

"Doch. Sonst säße ich nicht hier."

"Beweisen Sie es mir!"

Er schaut sich kurz um. Dann steht er auf und nimmt mein Buch, welches auf meinem Tisch liegt und reicht es mir. Zögernd nehme ich es ihm ab und blättere zu den Seiten der Portraits der Königsfamilie. Das Bild ist verschwunden. Nur sein Name steht unter dem Rahmen.

"Wie?", mehr bekomme ich nicht heraus.

"Sie haben es sich gewünscht."

"Was?" Ich schaue ihn mit großen Augen an.

"Jeden Tag haben Sie dieses Buch gelesen", er zeigt auf meinen Schoß in dem das Exemplar liegt", und im Inneren haben Sie nach mir gerufen."

Meine Wangen färben sich rot. "Aber so etwas ist nicht real und kann auch nicht passieren."

"Mit Magie schon", antwortet er als würde es das normalste auf der Welt sein.

"Magie gibt es nicht wirklich. So etwas wird Kindern erzählt. Sie glauben dann daran und malen sich die wildesten Fantasien aus", versuche ich mich zu rechtfertigen.

"Glauben Sie denn daran?", fragt er mich.

"Ich habe mal daran geglaubt. Vielleicht glaube ich auch heute noch daran."

"Da haben Sie ihre Antwort."

Ich lege das Buch beiseite. "Angenommen ich glaube daran, dann sind Sie ein Prinz?"

"Richtig. Darf ich mich höflich vorstellen? Prinz Aiden von Andastra. Dem friedlichsten Königreich der bekannten Welt."

"Wissen eure Hoheit denn wo Sie sich befinden?"

Er scheint kurz zu überlegen. "Könnt Ihr es mir sagen, my lady?"

"Ihr seid in Boston."

"Boston? Ist das ein Königreich weit von meinem?" Er geht zum Fenster und schaut auf dem Campus heraus.

"Nein nicht ganz. Wie soll ich es Ihnen erklären." Ich suche nach den passenden Worten.

"Versuchen Sie es." Sein Blick wendet sich vom Fenster ab und sieht wider mich ab.

"Boston ist kein Königreich. Das ist die moderne Zeit. Das 21. Jahrhundert um genauer zu sein. Bei uns wählen wir eine Person, welche dann mit Abstimmungen die Entscheidungen für das Land treffen."

"Also so ähnlich wie eine Monarchie? Nur ihr wählt den König oder die Königin."

So ähnlich. Es gibt zwar Königshäuser auf der Welt, doch diese haben weniger politische Macht."

"Äußerst interessant." Aiden schaut kurz zu Boden, ehe er einige Schritte auf mich zu kommt. "Wie unhöflich von mir. Sie geben mir Antworten auf meine Fragen, dabei kenne ich noch nicht einmal euren Namen. Wie heißen Sie, my lady?"

"Thalia Newton. Ich bin bürgerlich."

Er geht vor mir auf die Knie, nimmt meine Hand in seine warme Hand und küsst meinen Handrücken. "Es freut mich eure Bekanntschaft zu machen."

Ich sehe ihn immer noch mit großen Augen an. "Sie müssen keine Förmlichkeiten an den Tag legen."

Er lässt langsam meine Hand los und richtet sich wieder auf.

"Das brauchen Sie bei mir ebenfalls nicht. Ich bin nur ein Prinz. Förmlichkeiten sind eine Tugend bei Hofe. Da ich mich an keinem befinde, halte ich es für angemessen, wenn wir eben würdig sind."

"Da stimme ich zu." Ich lächle ihn an. Immer noch unsicher ob ich noch träume oder ob es wirklich passiert. Mein Blick nimmt jeden Zentimeter seines Gesichts unter die Lupe. Die blonden Haare mit dem ausdrucksstarken Mittelscheitel, welche durch die Krone fest anliegen. Die braunen Augen, ähneln dunkler Schokolade und ich muss mich von ihnen losreißen ehe ich mich in ihnen verliere. Er sieht wirklich aus wie ein Märchenprinz.

"Stimmt etwas nicht?" Aiden reist mich aus meinen Gedanken.

"Ich kann es immer noch nicht glauben, dass du vor mir stehst. Versteh mich nicht falsch, doch es kommt mir immer noch wie ein Traum vor."

"Du kannst mich zwicken, wenn dir das Beweis verschafft", sagt er und hält mir seinen Arm vor die Nase.

Zaghaft und unsicher zugleich zwicke ich ihn. Anstelle eines Aufschreis, lacht er. "Siehst du, ich bin real. Es ist kein Traum."

Ich stehe auf und schaue mich im Raum um. "Was machen wir jetzt?", frage ich ihn und entferne mich ein Stück von ihm.

"Ich bin neugierig wie diese neue Welt funktioniert."

"Ich kann es dir zeigen, wenn du willst", ich schaue ihn von oben bis unten an, "Nur müssen wir andere Kleidung für dich finden". Ich deute auf sein Outfit.

"Was ist damit? Es ist die neuste Mode." Er schaut selbst an sich herab.

"In Andastra vielleicht. Doch nicht hier. Wenn dich die Leute so sehen, dann denken sie du gehst auf eine Kostümparty."

"Kostümparty?" Er sieht mich fragend an. Anscheinend gibt es das nicht in Andastra.

"Es ist eine Veranstaltung, ein Event bei denen sich alle verkleiden. Manche gehen als Tiere oder berühmte Persönlichkeiten. Verstehst du?"

Erkenntnis streift über sein Gesicht. "Also verkleidet ihr euch als jemand anderen und verhaltet euch so, weil es euch Freude bereitet?"

"Ja, so ungefähr."

"Können wir auf so ein Fest gehen?" Seine Augen blitzen vor Neugier auf. Wie ein Kind, welches all die Geschenke unterm Weihnachtsbaum findet.

"Wenn eines stattfindet können wir das machen."

"Welch große Freude!", ruft er heraus und zieht mich in eine enge Umarmung. Damit habe ich nicht gerechnet.


The Power of WishesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt