➳16. Herr Doktor

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"Herr Doktor, ich hab da etwas im Kopf.

Ich weiß nicht, was es ist, aber es ist immer da.

Es hält mich vom Schlafen ab, es begleitet mich im Unterricht, wenn ich im Zug sitze, ist es besonders präsent, selbst in der Kirche lässt es mich nicht in Ruh.

Es flüstert mir Sachen ein, ständig, wenn ich laufe, wenn ich sitze, wenn ich liege, wenn ich springe, ich könnte Purzelbäume schlagen und es würde sich nicht abschütteln lassen.

Nichts hilft dagegen, keine Ibuprofen, kein Pfefferminz, keine Aspirin, kein Erkältungsbad.

Ich hab da etwas im Kopf und es geht nicht weg.

Ich habe alles versucht, habe tausende Ärzte gesprochen.
Sie haben alles untersucht, mit Röntgen, mit MRT und CT.
Mit den neusten Technologien und alten Verfahren, mit bewährten Methoden und neuen Experimenten.

Fachkundige wollten mir helfen, Therapeuten wollten mit mir sprechen, selbst die Empfangsdame hat mit mir gerätselt.

Doch keiner weiß, was es ist.

Herr Doktor, ich hab da etwas im Kopf und es geht nicht weg.

Können Sie mir helfen?"

"Hmm", macht der Doktor. "Hmm."
Dann schlägt er seine Akte zu.
"Mein lieber Patient, das, was sie da im Kopf haben und nicht weggeht, ist ein Wunsch."

"Wunsch", wiederholt der Patient andächtig, während er sich das Wort auf der Zunge zergehen lässt. "Wunsch. Was kann ich dagegen tun?"

"Nun, mein lieber Patient, Sie müssen sich den Wunsch erfüllen.
Arbeiten Sie für ihn, verlieren Sie ihn nicht aus den Augen, kämpfen Sie für ihn.
Erfüllen Sie ihn und er wird Ihren Kopf freigeben."

Der Patient bedankt sich, geht nach Hause, wo ihn seine Familie schon hoffnungsvoll erwartet.

Und das erste Mal seit Jahren kann er ihnen eine Antwort geben.
"Ich hab da etwas im Kopf, es geht nicht weg und heißt Wunsch.
Ich werde ihn erfüllen, dann lässt er mich in Ruh.
Ich glaube, er ist etwas Gutes."

One Shits äh ShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt