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Rose

Es ist tatsächlich passiert.
Heute war mein letzter Schultag.
Mein aller letzter Tag.
Und jetzt?
Jetzt sitze ich mit meiner Mutter in einem schicken Restaurant, in der Hoffnung bald wieder gehen zu können.
Sie hat mich quasi gezwungen.
Sie meinte zu mir: „Rose, da heute dein letzter Schultag war, würde ich gerne mit dir essen gehen."

Sie weiß genau, dass ich es hasse.
Aber andererseits, ist es eine ganz süße Idee.
Aber als sie meinte: „Zieh dich mal schick an."
War diese süße Idee vorbei.
Jetzt sitze ich hier in einem engen, dunkelroten Kleid und friere mir den Arsch ab.
Seit wann ist es in Restaurants so kalt?
Wollen die das ich krank nach Hause komme?

„Für uns nur zwei Wasser bitte."
Ich verdrehe meine Augen.
Mal wieder kein Alkohol für mich.
Seufzend lehne ich mich nach hinten und überkreuze meine Arme ineinander.

Ich glaube sie nimmt meinen Tumor nur als Ausrede, damit ich bloß kein Alkohol trinke.
In Wahrheit will sie einfach nur nicht, dass ich so werde wie die anderen Jugendlichen in meinem Alter.

Eine Zeit lang mustert meine Mutter mich schweigend und mit einem nicht richtig deutlichen, aber strengen Blick, bevor sie zu Worten greift.
„Deine Haare sehen heute sehr hübsch aus."
Ich zwinge mich zu einem Lächeln und fasse automatisch eine der Locken an.
Tatsächlich hatte ich heute das Bedürfnis sie zu locken. Es sieht ganz gut an mir aus, finde ich.

Doch als ich nichts antworte, was sie sich anscheinend erhofft hat, sieht sie mich enttäuscht an.
Ich hasse diesen Blick bei ihr.
Er lässt mich fühlen als würde sie denken, ich bin extra so wie ich bin.
Manchmal glaube ich, sie hätte lieber eine andere Tochter.
Nicht nur manchmal.
Ich meine, wer will bitte ein todkrankes Kind?

„Wieso musst du immer genervt sein, Rose?"
Ich beiße mir nichtssagend auf meine Unterlippe und schaue an ihr vorbei, um ihren Kulleraugen zu entkommen.
„Ich versuche wenigstens eine Beziehung zwischen uns aufzubauen. Wieso du nicht? Willst du in dem Wissen sterben, kein gutes Verhältnis zu deiner Mutter zu haben?"
Jetzt sehe ich sie an.
Das macht sie immer.
Immer wenn es ihr nicht passt was ich mache, oder wie ich mich verhalte, spielt die die Sterbekarte aus.

Was soll ich auch darauf antworten?
Da ich es nicht weiß, schaue ich ihr einfach weiterhin tief in die Augen in der Hoffnung, dass sie nicht weiter redet, was zum Glück auch der Fall ist.
Seufzend schaut sie zur Seite und ignoriert mich nun, so wie ich sie.

Das Bringen unserer Getränke bringt mich wieder in die Realität zurück.
Dankend nehme ich den ersten Schluck und stelle das kalte Wasserglas vor mir auf den Tisch, während meine Mutter unser Essen bestellt.

Die Wartezeit auf unsere Hauptspeise vergeht genauso quälend wie die auf unser Trinken.
Keiner redet.
Keiner sieht den anderen an.
Und niemand will ein Gespräch aufbauen.

Nun greife ich nach der Gabel und fange an meine Spaghettis zu kosten.
„Wie schmeckts?", fragt meine Mutter gespielt fröhlich und schneidet ein Stück von ihrem Fleisch ab.
„Gut", antworte ich trocken und schaue sie lächelnd an, doch anstatt, dass meine Aufmerksamkeit auf ihr liegt, gehört sie ganz dem Jungen, welcher nur ein Tisch weiter hinter uns sitzt.

Spielerisch grinsend nimmt er seinen nächsten Bissen und schaut mir dabei tief in die Augen.
Schmunzelnd nehme ich meine nächste Gabel in den Mund und sehe wie Anthony sich gierig über die Lippen leckt.
„Was ist so witzig?", meine Mutter.
Ruckartig breche ich den Blickkontakt ab und sehe überfordert zu meiner Mum.
„Ähm was? Nichts nichts."
Mit ihren Augenbrauen zuckend mustert sie mich noch kurz, bevor sie sich wieder ihrem Essen widmet.

Ich spüre wie mein Magen verrückt spielt.
Nicht wegen dem leckeren Essen, sondern wegen diesem hübschen Typen, der nicht aufhört mich anzustarren.
Ich spüre wie die Schmetterlinge immer mehr und mehr werden und wie sie es nicht lassen können Loopings zu drehen.

Die Dämmerung in dir Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt