Rose
An die Decke starrend, spüre ich wie sich das Buch, welches meine Mutter mir mitgebracht hat, auf meiner Brust mit meinem Atem bewegt.
Zum hundertsten Mal lasse ich meinen Blick durch diesen kahlen, hell beleuchteten Raum gleiten und frage mich, so wie die Male davor, ob es einen Patienten nicht irre macht überall nur weiß zu sehen.Der Stuhl in der Ecke. Weiß. Die Gardinen, für das kleine Fenster. Weiß. Das Bett, die Bettdecke, das Kissen. Weiß alles ist weiß.
Für die Menschen, welche wirklich Monate in diesem Raum liegen müssen ist das doch eine Qual, oder nicht? Wenn ich erwachsen wäre, würde ich extra ein Krankenhaus errichten lassen, welches alle Farben außer weiß beinhaltet. Genauso wenig wie schwarz, denn schwarz ist viel zu düster. Die Menschen sollen Hoffnung haben. Denn mit Hoffnung und Glaube überlebt man.Nun muss ich mich wieder an den Artikel eines Arztes erinnern, welchen ich in einer Zeitschrift von diesem Krankenhaus gefunden habe. Als ich Hanna das erste mal getroffen habe, haben wir uns darüber unterhalten. Sie hatte ihn nämlich auch gelesen.
Ein Patient, genauer gesagt ein Kind, brauchte ein neues Herz. Natürlich wurde es dann operiert, doch nach der Operation meinte das Kind, dass es kein Herz von einem Menschen haben möchte, welcher vorher gestorben ist. Natürlich wurde ihm gesagt, das der Mensch nicht deswegen getötet wurde, doch es war ein Kind. Wenn ein kleines Kind sich etwas in den Kopf gesetzt hat, bekommt man es schwer wieder davon weg.Es ist nach der Operation gestorben. Der Arzt, welcher diesen Artikel geschrieben hat, denkt, dass es dazu gekommen ist, weil der Körper des Kindes das Herz nicht akzeptiert hat. Alles hat gepasst. Sie hatten den passenden Spender, nur das Kind hat das Herz im Nachhinein nicht akzeptiert. Ob es nun tatsächlich daran lag, ist fragwürdig.
Natürlich sagen andere das es kompletter Schwachsinn ist. Doch ein Teil von mir glaubt daran.Als ich den Text gelesen hatte, hatte ich für einen kurzen Moment Hoffnung, dass, wenn ich den Tumor in meinem Hirn auch nicht akzeptiere, oder will, verschwindet er. Naja, ich schätze das ist etwas vollkommen anderes.
Seufzend schlage ich das Buch zu, da ich mir nun seit mehreren Minuten die gleiche Seite durchlese und nichts mehr verstehe, nehme mir mein Glas Wasser und führe es zu meinem Mund. Seitdem Mum mit der Ärztin weggegangen ist, also vor ungefähr einer Stunde, habe ich ununterbrochen an Anthony gedacht.
Ich habe sofort nachgefragt, ob ich vielleicht eine Rose auf dem Weg zum Krankenhaus verloren habe, doch natürlich wurde dies verneint. Sie muss mir zuhause aus der Tasche gefallen sein.Schon wieder könnte ich mich selber schlagen. Als würde in mir jeden Moment ein Vulkan ausbrechen, kaue ich auf meiner Unterlippe herum und schaue aufs Neue durch den weißen Raum. Wäre ich nicht umgekippt, würde ich in diesem Moment in Anthony's Armen liegen. Ich würde ihm zuhören, würde vielleicht verstehen, wieso er so gehandelt hat. Ich würde vielleicht alles verstehen.
Doch leider sitze ich gerade nicht neben Anthony, sondern in meinem scheiß Krankenhausbett.Abhauen ist keine Option. Egal wie sehr ich Anthony sehen will, ich würde es nicht weit schaffen. Ich habe mich noch nicht genug erholt.
Ein genervter Seufzer kommt über meine Lippen, ich lasse meinen Kopf in den Nacken fallen, streiche mit meinen Händen über mein schwitziges Gesicht und kriege Anthony nicht aus meinen Gedanken.
Egal woran ich denke, ich sehe ihn. Egal wohin ich sehe, ich denke an ihn. Ich bin in einem Teufelskreis gefangen.Ein Klopfen an der Tür lässt mich zusammen schrecken. „Herein", gebe ich genervt von mir, starre auf meine kaputten Nägel, welche bei meinem Sturz abgesplittert sind und warte auf einen weiteren Vortrag über meinen Tumor.
Eben meinte sie, „Überanstrengung tut dir im Moment nicht mehr gut Rose." „Es könnte sein, dass deine Konzentrationsstörungen zunehmen." „Du must vielleicht damit rechnen, dass du dich vom Wesen her ein wenig veränderst."
Ich hasse Gespräche mit Ärzten. Die meiste Zeit übermitteln sie mir sowieso nur die schrecklichen Dinge, so als ob es etwas ändern würde, wenn sie mir alles ausführlich erklären. Nein, denn es macht mich nur noch weiter runter.
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Die Dämmerung in dir
Ficção Adolescente•pausiert• »𝐖𝐢𝐥𝐥𝐬𝐭 𝐝𝐮 𝐝𝐞𝐧𝐧 𝐬𝐭𝐞𝐫𝐛𝐞𝐧?« Krank verschließt sie sich immer weiter von der Außenwelt, in dem Wissen bald sterben zu müssen. Es ist schrecklich mit so einer Last zu leben und auch noch glücklich wirken zu müssen. Aber al...