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Rose

Schweigend und mich nicht bewegend, starre ich an die Decke unseres Wohnzimmers. Meine Mutter, welche gerade einkaufen ist, hat mir den Auftrag gegeben, die Küche sauber zu machen, mein Zimmer aufzuräumen, die Wäsche zu machen, die Spülmaschine einzuräumen und die Blumen im Vorgarten zu gießen. Doch ich kann nicht.
Ich fühl mich krank und schwach. Aber das versteht sie nicht. Sie versteht mich nie.

Zögernd schalte ich den Fernseher aus, in dem sowieso nichts läuft, was mich ansatzweise interessieren würde.
Es ist später Nachmittag und wieder konnte ich den ganzen Tag nichts tuen, außer über Anthony nachzudenken. Der einzige Grund weshalb ich gestern vor ihm in Tränen ausgebrochen bin, ist, dass ich es hasse angelogen zu werden. Geheimnisse sind genau das, was ich nicht brauche. Geheimnisse vor jemanden zu haben, den man mag, zeigt nur wie wenig man demjenigen vertraut. Das habe ich bei meinen Eltern sehen müssen.

Aber er versteht mich nicht. Genauso wenig wie ich ihn. Wenn es auch um meine Familie geht, wieso verrät er es mir nicht einfach? Schlimmer als jetzt kann unsere Bindung sowieso nicht werden. Zögernd erhebe ich mich und starre ratlos auf die weiße Wand vor mir. War ich zu streng? Hätte ich ihm einfach mehr Zeit geben müssen?

Nun auf mich selber wütend, haue ich mit meinen schwitzigen Handflächen an beide Seiten meines Kopfes. Es ist so warm heute. Mein Körper, hört nicht auf zu zittern und mein Hände nicht auf zu schwitzen. Tief ein und ausatmend, entscheide ich mich dazu die Blumen als erstes zu gießen. Frische Luft wird mir bestimmt gut tuen.

Mit zusammen gezogenen Augenbrauen bücke ich mich, um meine Schuhe anzuziehen, doch der Schwindel, der dadurch auftritt, bringt mich dazu wieder aufrecht zu stehen. Was zum-

Vorsichtig und an der Wand stützend, bahne ich mir einen Weg zur Küche, wo ich langsam den Wasserhahn andrehe und meinen Kopf dort drunter halte. Sparend lasse ich die Flüssigkeit in meinen Hals laufen, während ich meine Augen entspannt schließe.
Okay, reiß dich zusammen Rose.

Wieder vor der Haustür stehend, öffne ich diese nun, will gerade einen Schritt in die Helligkeit wagen, da fällt mir die kleine Karte auf der Stufe vor unserer Haustür auf. Fragend schaue ich auf sie hinunter. Eine weiße Rose ist an ihr befestigt.
Zögernd hebe ich beides auf, schaue mir zuerst die Rose an, welche genau so aussieht wie die, die ich vor Tagen im Supermarkt gesehen habe.

Sie ist noch nicht ganz aufgeblüht, doch genau das macht sie wunderschön. Sie hat noch lange Zeit, bevor sie verwelkt und zusammen fällt.

Nun widme ich mir der kleinen, weißen Karte, welche mit einer kleinen Schleife an die Rose gebunden ist. Zitternd streife ich mir über meine Stirn und taumle ein paar Schritte zurück, bis ich die Wand wieder hinter mir spüre und ich sicher stehen kann.

Hastig drehe ich den Brief um, auf dem mit krakeliger Schrift Rose steht. Ein schmales Lächeln bildet sich auf meinen Lippen, als ich den Namen unten auf der Karte entdecke. Anthony.

Bitte komm zum Konzert. Ich werde dir danach alles erzählen. Tut mir leid das ich es nicht sofort getan habe. Bitte komm, ich werde auf dich warten. Ich werde immer auf dich warten.
-Anthony

Ich spüre wie meine Lippe leicht anfängt zu beben, während ich mir den letzen Satz immer und immer wieder durchlese.

„Ich werde immer auf dich warten."
Ich habe nicht auf ihn gewartet. Nein, denn ich habe ihn angeschrieen, ihn angebettelt es mir zu verraten, ohne darauf zu achten, ob er breit dazu war es mir zu verraten. Ich hätte warten sollen. Ich hätte auf ihn warten sollen.
Ich kann nicht bis zum Konzert warten. Ich muss es ihm sagen. Ich muss ihm sagen, dass es mir leid tut. Ich will ihn umarmen. Ihn küssen. Ihm verzeihen.

Die Dämmerung in dir Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt