I chose the water that i'm in (1)

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Schritt für Schritt. Linker Fuß, rechter Fuß, einen vor den anderen. Schritt für Schritt. Du hast es dir selbst ausgesucht... Du hast selbst entschieden diesen Weg zu gehen. Du selbst wolltest dir wieder beweisen, dass du es kannst. Du allein trägst die Verantwortung für das, was du hier fühlst.
Du hättest es einfacher haben können. Einen anderen Weg, heller, breiter, besser. Du allein bist abgebogen. Du allein musst diesen Weg jetzt gehen. Du allein darfst die Beherrschung nicht verlieren.

Stimmt, ich war abgebogen. Es zog mich einfach an. Es schrie: "Ich bin eine Abkürzung." Meine Faulheit hatte mich hier her getrieben. "Es wird schon gehen.", sagte ich mir selbst. Ich wusste was kommen würde. Die herannahenden Gedanken waren noch weit weg und doch fast angekommen. Der Ort hier war mir nicht fremd, jedoch hatte ich schon früh den Anschein, er wechsele dennoch immer wieder seine Gestalt. Ein Eintauchen in eine andere Welt.
Mancher mag es vielleicht nicht glauben, nicht verstehen oder es anders sehen. Mag es hier leichter haben, mag nicht drüber nachdenken, mag es genießen. Für mich ist es ein Gang, so schwer wie ein Gang durchs Feuer.

Die Natur bietet uns vielfältige Umgebungen. Helle, freie Flächen, bewachsene Wegränder, Laub- und Nadelbäume, Sträucher und Gräser. Der Mensch hat Wege geschaffen, die Natur versucht zu zähmen, Lichter gestreut um die Dunkelheit zu vertreiben. Genauso vielfältig ist die Natur des Menschen. Jeder Mensch hat seine eigenen Merkmale, seine Wünsche und Träume. Hat Sehnsüchte und Laster. Jeder Mensch hat einen inneren Dämon...
Jeder hat einen inneren Dämon... der in den tiefen Tälern der Seele darauf wartet, uns in seinen Bann zu ziehen.
Mein Dämon ist soeben zum Leben erwacht.

Den Weg einzuschlagen... das hatte ich selbst entschieden. Nasses Moos dämpft meine Schritte, hier und da knackt ein Stück Holz unter meinen Füßen. Ich blicke mich noch einmal um. Die Straße ist noch in Sichtweite, man könnte.....
Schluss damit. Es war deine Entscheidung. DU wolltest schneller ankommen.
Ein Tannenzapfen klatscht hinter mir auf den Nassen Waldboden, ein weiterer knirscht unter meinem rechten Fuß. Es wird bald Dämmern. Links und rechts liegen vereinzelnd umgekippte Bäume auf dem Boden, sie waren kürzlich beim Orkan schwach geworden. Man hat sie der Natur überlassen. Zwischen den Bäumen ragen die vier Türme des Hochbehälters hervor. Dunkel, ein von Menschen geschaffenes Bauwerk. Direkt vor mir der Zaun der Wasserquelle und der Überlauf des Behälters. Das Plätschern des Wassers übertönt das Knacken des Holzes und der Tannenzapfen.
'Es übertönt die Schritte des Bösen. Wie nah mag es schon sein?', der Dämon in mir grinst. 'Schau dich doch um, wenn du mir nicht traust.', funkeln seine Augen. Warum sollte dort etwas sein? Um nur darauf zu warten, mich zu holen? 'Wer weiß das schon?', mein Dämon lacht.
Hinter mir liegt der Weg, den ich bisher gekommen bin. Um mich herum nur die Bäume und Sträucher. Der Hochbehälter in Sichtweite.

Schritt für Schritt. Bleib nicht stehen. 'Es wird bald dunkel. Sieh auf die Türme. Sehen sie nicht unheimlich aus? Und der Wald in dem du dich befindest... lauter hohe Tannen mit einem dunklen Nadelkleid. Und die kleineren dichten Tännchen. Perfekt für ein Versteck, findest du nicht? Schau dich nur um, du würdest es eh nicht entdecken, wenn es auf dich lauert.' Mein Dämon wird größer. Er baut sich in mir auf.
'Wie niedlich. Glaubst du wirklich, du kannst nach einem Ausweg suchen? Wie leicht es doch ist... einfach geradeaus zu gehen? Dein ganzer Körper spürt, was du denkst.' Ich spüre es. Ich bestimme, was du denkst!'
Immer weiter gehen. Solange ich die Kontrolle behalte kann mir nichts passieren. Ich darf dem Dämon nicht nachgeben. Dennoch hat er sein Ziel fast erreicht. Die Muskeln warten gespannt auf den Start, der Kopf legt die Filmrolle ein. Die Augen schweifen umher, suchen nach Auswegen und Anzeichen, erfassen jede Bewegung. Trotz dem leise hinter mir liegenden Plätschern analysieren meine Ohren jedes Geräusch.

Wieder schwingt mein Kopf hin und her. Rechts schauen, links schauen, hinter mich schauen. Rechts schauen, links schauen, hinter mich schauen. Hab ich schon hinter mich geschaut? Kurz ärgert es mich selbst, dieses Verhalten. Im nächsten Moment meinen meine Ohren etwas erfasst zu haben. Sofort schaltet jede Zelle auf Alarm. Die Augen suchen nach einem Hinweis, das Hirn spielt einen Film, des es nicht geben kann. Ein einziges Wort blinkt in meinem Kopf und der Dämon schreit es förmlich in mich hinein: 'Lauf!'
Ich darf die Kontrolle nicht verlieren. Es versucht in meinen Kopf einzudringen. Es hat meine Gefühle übernommen. Wenn es mein Denken besiegt, hat der Dämon gewonnen.

Nur keine Panik... Schritt für Schritt. Einen Fuß vor den anderen. Wie ein Mantra kreisen die Gedanken um die zurechtgelegte Strategie. Die Waldluft tief in die Lungen einzuatmen, das Gehirn, die Muskeln und mein Herz mit neuem Sauerstoff zu versorgen. Nochmal hinhören, um die Ruhe zu genießen. Es ist noch hell, bis zum Sonnenuntergang dauert es deutlich länger, als ich zu meinem Ziel brauche. Was auch immer meine Ohren gehört haben, es war ein Geräusch der Natur.

'Hoffe ich für dich.', mein Dämon blinzelt mich an. Wie eine eisige Hand im Nacken schiebt er mich voran. Stehen bleiben und die Natur genießen? Keine Chance. 'Wenn die Beute stehen bleibt, ist das Todesurteil schon gesprochen.'
Ich möchte ihn anschreien. "Sei still, verreck meinetwegen in der Hölle aber lass mich endlich in Ruhe!" Aber der Dämon ist stärker. Er lacht mich hämisch an und zeigt mir meinen schwächsten Punkt. Die dunklen Gedanken sind angekommen, und haben wie anhängliche Wolken die dunklen Gefühle mitgebracht. Das Selbstbewusstsein kauert in der Ecke wie ein geschlagener Welpe.

Selbst wenn der Dämon als stiller Begleiter von meinen Gedanken ablässt, liegt seine eisige Hand immer in meinem Nacken. Mein Körper ist in voller Bereitschaft. Das Herz bereitet alles für eine Höchstleistung vor und pumpt sich schonmal warm. Muskeln spannen sich an und erschlaffen, nur um sich direkt wieder anzuspannen. Die Augen bleiben wachsam und scannen jeden Millimeter.
Lediglich die Ohren kann ich ausschalten. Hören was ich hören will. Musik. Mag sein, dass mein Dämon Recht hat, ich könne das Böse dann nicht hören. Aber wenigstens kann ich für ein paar Minuten meine Gedanken lenken.
Mein Kopf dreht sich weiter... Rechts schauen, links schauen, hinter mich schauen. Mein Dämon ist noch immer anwesend. Leise säuselt er mir ins Ohr.

Erst an einem helleren Ort wird er leiser werden. Wird kleiner werden und bald wieder in seinem Tal meiner Seele verschwunden sein. Bis dahin darf ich die Kontrolle nicht verlieren. Weiß ich doch genau wie es endet. Nicht nur einmal war ich, vom Dämon getrieben, über Wurzeln gestolpert, im Matsch ausgerutscht und mit brennenden Lungen und Tränen in den Augen etwas entflohen, was sich nur in meinem Kopf abgespielt hat.
Jedes Mal versucht mein Dämon es erneut. Ich weiß dass er kommen wird. Spüre ihn wachsen, höre ihn lachen. Nehme bewusst in Kauf, dass er wieder versuchen wird, meine Gefühle zu kontrollieren, mein Denken zu übernehmen.
Heute wird er mich nicht besiegen. Er wird sich wieder zurückziehen. Dennoch werden wir uns schon bald wiedersehen... Wenn es dunkel wird und das Licht des Mondes die Schatten schafft, wird er im Tal meiner Seele zu neuer Lebendigkeit kommen....

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