"I'm coming home.
Tell the world I'm coming home."Stumm beobachtend stehe ich am Spielfeldrand. Mein erstes Spiel, bei welchem ich wieder zurück bin. Mein erstes Spiel an dem Ort, wo alles angefangen hat. Ich beobachte meine Mitspieler beim Aufwärmen, und das erste Mal seit einem halben Jahrzehnt tragen diese gelb-schwarze Sachen, und nichts Rotes. Das erste Spiel zurück, und dann auch noch gegen meine alte Mannschaft, bei welcher ich die letzten 6 Jahre meines Lebens verbracht habe, und die mir so viel gegeben hat, mit der ich so viel erlebt habe. Doch die Mannschaft konnte mir diese eine Sache nicht geben. Die eine Sache die es nur hier gibt. Und die eine Sache, die mir wichtiger ist als jeder Champions-League Pokal und jede Meisterschale. Und auch die Sache die mir wichtiger ist als ein verdammter Ballon D'or. Denn die Chance auf den habe ich mir mit diesem Transfer auch verbockt.
Ich atme tief auf und schaue zu der „Sache", oder doch eher zu der gemeinten Person. Blonde Haare, geschützt von einer schwarzen Mütze. Die Person trägt ihre Pre-Match Jacke, eine schwarze, auf welcher ein kleines, gelbes Logo prangt und macht grad irgendwelche Aufwärmübungen mit Mats Hummels. Und irgendwie sieht selbst diese schlichte Jacke und die Anstrengung der Übung an dieser Person unglaublich gut aus. Wie gerufen erwidert die Person meinen Blick - blaue Augen treffen auf grün-braune. Diese grün-braunen Augen, die mich schon so oft zur Verzweiflung gebracht haben.
Ich wende meinen Blick ab und drehe mich in Richtung Tribüne. Meine Augen umschweifen die gelbe Menge, doch an einem Fan bleibt mein Blick stehen. Ein kleiner Junge mit einem Schild in der Hand. „Leweus reunited!". Schmunzelnd beobachte ich den Jungen, nicht älter als 10, in seinem BVB-Trikot mit der Nummer 11. Ich höre die Fans „You'll never walk alone" singen und fühle mich wieder zurückgesetzt ins Jahr 2012. An mein allererstes Spiel für die Borussen, bei dem mir diese eine bestimmte Person zur Seite gestanden hat und mir meine Nervosität nahm. Natürlich sind die Fans nicht nur positiv gestimmt, das waren sie damals schon nicht, und vor allem jetzt nicht über meinen plötzlichen Transfer zurück zu den Borussen, denn ich habe sie für den „Feind" verlassen, aber das ist mir egal. Mir ist auch egal, dass mich vermutlich die Bayern Fans nicht mehr leiden können, so wenig wie der Vorstand – und auch einige Spieler. Hier ist meine Heimat, hier hat alles begonnen und hier wird auch alles enden. Und hier gehör ich hin, vermutlich hätte ich nie auch nur einen Schritt aus Dortmund wagen sollen.
Der Trainer pfeift uns alle zusammen, und wir gehen für ein letztes Gespräch nochmal zurück in die Kabine. Taktikbesprechung, wer wo zu stehen hat und wem welche Aufgabe zugeteilt wird. Ich in der Stürmer Position - Marco dicht hinter mir. Unsere Blicke kreuzen sich erneut und er grinst. Gott habe ich dieses Grinsen vermisst.
Dann ist schon Zeit einzulaufen, früher üblich mit Kindern an der Hand, vor allem bei solchen wichtigen Spielen, aber durch Corona momentan nicht möglich. Wer weiß, vielleicht auch besser so, denn ich würde keinem Kind meine Hände jetzt antun wollen. Nervös streiche ich diese an meiner schwarzen Hose mit gelbem Emblem ab und folge meiner Mannschaft auf den Platz des Signal Iduna Parks.Und dann ist auch schon Anpfiff und irgendwie geht alles so schnell. Wir schreiben die gerade mal 6. Spielminute, als mir ein perfekter Ball von rechts zu gespielt wird. Ich bin mir nicht sicher von wem, Bellingham? Oder doch eher Dahoud? Aber das ist auch egal. Ich bewege mich vorbei an Bayerns Abwehr, vorbei an Benjamin Pavard und Niklas Süle, denen ich vor kurzem noch den Ball zugespielt hätte, und versenke den Ball perfekt im Tor von Manuel Neuer, so dass dieser nicht nur einen Hauch von einer Chance hat und erziele somit den Führungstreffer.
Wer dachte, dass damit meine Tore enden, irrt sich. Ich schieße noch einen, etwa 10 Minuten später und den Führungstreffer kurz vor Abpfiff. Bayern erzielt zwar zwischendurch auch zwei Treffer, so dass es eine Zeit lang auf Remise hinweist, doch führen wir schlussendlich 4:2 – und das bleibt auch so, denn nach 93 Minuten pfeift der Schiedsrichter ab – und wir sind Tabellenführer. Und haben somit ernsthaft die Chance, dieses Jahr die Meisterschale nachhause zu bringen. Strahlend schaue ich durch die jubelnden BVB Fans (die Bayern Fans haben sich wohl schon verabschiedet), umarme meine alten und auch neuen Teamkameraden, als ich plötzlich zwei Arme um mich spüre, die mich umdrehen und in eine tiefe Umarmung ziehen. Selbst wenn ich nicht sehe, wer mich da umarmt, als hänge sein Leben an dieser Umarmung, kann ich es an seinem Geruch und der Art der Umarmung erkennen. Seufzend lehne ich meinen Kopf an seinen an und genieße den Moment, und all die Last, all die Diskussionen und all der Streit der letzten Jahre scheint vorbei zu sein.
Marco umfasst meine Hand, gibt dieser einen sanften Druck und reckt sie dann in die Luft. Die Fans jubeln und ich kann mein Grinsen nicht verstecken. Wir sind vielleicht nicht perfekt – und wir haben auch nach diesem Abend noch einiges zu besprechen. Doch dass ich hier stehe, in meinem gelben Trikot, mit dem schwarzen „9 – LEWANDOWSKI" Flock auf meinem Rücken und neben mir die mit Abstand wichtigste Person in meinem Leben ist schon mal ein Anfang. Und wer weiß? Vielleicht wird Dortmund dieses Jahr Champions – League Gewinner. Und vielleicht nähern wir uns wieder an und können die Schatten der Vergangenheit überwinden.
Doch das sind alles Zukunftsfragen. Jetzt will ich eigentlich nur die Zeit genießen. Sanft lächelnd erwidere ich den Druck meiner Hand, und erhalte als Antwort ein Strahlen.
"Let the rain wash away all the pain of yesterday
I know my kingdom awaits and they've forgiven my mistakes
I'm coming home, I'm coming home
Tell the world that I'm coming."